Top-Shots auf dem Radar
Nicht überall, wo Executive Search drauf steht, ist Executive Search drin: Laut Simon Bolz, Geschäftsleiter der Wilhelm Kaderselektion in Zürich, beschränkt sich das Feld ausschliesslich auf Top-Kader. Der Markt floriert weltweit, in vielen HR-Abteilungen fehlt aber die Kapazität für besondere Rekrutierungen.
Simon Bolz: «Grundsätzlich ist jeder Mensch im Arbeitsprozess an einem Wechsel, an seiner Weiterentwicklung, interessiert.» (Fotos: Johanna Bossart)
Der Ausdruck Executive Search wird von Stellenvermittelnden inflationär verwendet. Wann spricht der Profi von Executive Search?
Simon Bolz: Der Ausdruck Executive Search wird unterschiedlich ausgelegt. Heute wird er oft einfach für alle Direktansprachen benutzt. Die Vorgehensweise ist ähnlich, lediglich die Hierarchiestufe macht den Unterschied aus. Executive Search bezieht sich ganz klar auf die Top-Kader in einem Unternehmen.
Was sind typische Executives?
Typische Executives sind alle Personen einer Geschäftsleitung, die in einer führenden Funktion tätig sind; sprich C(hief)-Positionen wie CEO, CFO, CTO, COO und so weiter. Sie werden auch Top-Kader oder Senior-Management genannt. Die Bezeichnungen variieren je nach Grösse, Branche und internationaler Ausrichtung der Unternehmen.
Was unterscheidet die Vermittlung von Kaderpersonal, sogenannten C-Level-Leuten, von der «normalen» Stellenvermittlung?
Kaderpersonal und C-Level-Leute sind nicht unbedingt gleichzusetzen. Kader ist ein reiner Schweizer Begriff, unter dem man in anderen Märkten etwas völlig anderes versteht. Der Begriff Kader in der Schweiz bezieht sich umgangssprachlich auf alle Mitarbeitenden in einem Unternehmen, die Führungsverantwortung haben oder eine entscheidende Position bekleiden. Wie bereits beim Wort Executive Search eine Sache der Auslegung. Der Unterschied zwischen Executive Search und «normaler» Vermittlung liegt hauptsächlich in der Qualität und in der Breite der angewendeten Methoden wie strukturierter Interviews, Tests, Assessments und so weiter.
Einerseits schaden Sie Firmen, indem Sie deren Executives abwerben, durch Headhunting, andererseits helfen Sie Unternehmen, indem Sie solche beschaffen. Sie betreiben damit auch Wirtschaftspolitik oder überspitzt ausgedrückt, Sie greifen für manche unfriendly in den Markt ein?
So, wie Sie das beschreiben, könnte man es fast glauben. Es stimmt aber natürlich nicht. Grundsätzlich ist jeder Mensch im Arbeitsprozess an einem Wechsel, an seiner Weiterentwicklung, interessiert. Latent oder aktuell. Wir fragen lediglich, ob ein Interesse daran besteht, ein konkretes Angebot zu prüfen. Da ist nichts «unfriendly» dabei. Executives erwarten zudem immer mehr, dass man sie anspricht. Sie möchten auf «dem Radar» eines Executives Searchers stehen. Jeder ist seines Glückes Schmied und eine Interessensanfrage oder Bewerbung macht noch lange keinen Wechsel aus.
Ihre Branche hat eine Art Perpetuum mobile als Geschäftsmodell entwickelt – Chefs werden abgeworben und vermittelt und immer so weiter. Ihre Branche weiss mehr über die Top-Level-Leute als manch anderer, inklusive deren Arbeitgeber. Wird man von der Wirtschaft da nicht auch kritisch hinterfragt?
Nein, da übertreiben Sie. Ganz im Gegenteil, unsere Beziehungen im Top-Level sind nicht allumfassend, sondern beschränken sich lediglich auf Teilmärkte und Branchen, was auch das Kundensegment stark eingrenzt. Das bedeutet, dass wir für gewisse Firmen aus ethischen Gründen gar nicht arbeiten können und wollen. Möglicherweise überschätzt uns die Wirtschaft in dieser Hinsicht. Auf der einen Seite Leute vermitteln und auf der anderen Seite wieder herausholen hört sich vielleicht interessant an, funktioniert aber bei einer Ethik, wie wir sie pflegen, in keiner Weise.
Wie ist es zu erklären, dass Executive Search weltweit prosperiert, während die Massenstellenvermittlung eher stagniert?
Die (Massen)stellenvermittlung stagniert überhaupt nicht. Sie ist eher dabei, sich neu zu positionieren und zeitgemässe Suchplattformen einzubinden. Die Nachfrage von und nach «gewöhnlichen» Arbeitskräften ist nach wie vor intakt. Dass der Executive Search weltweit floriert, hat eher mit der globalen Entwicklung der Märkte, Kulturen und Gesetzgebungen zu tun.
Warum übernehmen nicht die firmeneigenen HR-Abteilungen das Executive Search – wäre doch kostengünstiger für die Unternehmen?
Es gibt viele Firmen, die nicht mit Executive Search arbeiten. Je nach Situation ist dies durchaus angebracht. Was immer für eine externe Suche spricht, sind Vertraulichkeit, Marktkenntnisse, Fachwissen, Objektivität und der Zeitfaktor. Zudem steht auch das interne HR auf der Lohnliste und oft sind für besondere Rekrutierungen einfach zu wenig Ressourcen verfügbar.
Inwiefern ist der Schweizer Arbeitsmarkt in Sachen Executive Search aussergewöhnlich?
Der Schweizer Markt verfügt aufgrund seiner geringen Grösse über eine überdurchschnittlich hohe Vielfalt an namhaften Executives-Search- Firmen. Zudem ist er für internationale Arbeitgeber attraktiv. Bei Managern stösst er wegen seiner Übersichtlichkeit, seines fairen Sozialgefüges sowie seiner kurzen Verkehrsanbindungen auf hohe Akzeptanz.
Zur Person
Simon Bolz ist Geschäftsleiter der Wilhelm Kaderselektion AG in Zürich. Der 51-Jährige leitet seit 16 Jahren den Standort Zürich mit sechs Mitarbeitenden. Die Wilhelm-Gruppe ist mit 60 Personen an sieben Standorten in allen bedeutenden Wirtschaftsregionen der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein sowie über das globale Netwerk IMSA in über 25 Ländern präsent. Simon Bolz ist verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern. Er lebt in Wohlen im Kanton Aargau. Zusammen mit seiner Frau und seinem Hund unternimmt er in der Freizeit gerne ausgedehnte Wanderungen in den Schweizer Bergen.
Welchen Ruf haben C-Level-Jobs in der Schweiz unter den weltweit operierenden Top-Kadern, die Sie vermitteln?
Schweizer Jobangebote auf C-Level sind im Ausland begehrt. Insbesondere wenn es darum geht, die Familie nachzuholen. Die Integration funktioniert vorbildlich und die soziale Sicherheit spielt dabei eine grosse Rolle. Schweizer C-Level- Jobs lassen sich deshalb im internationalen Umfeld «gut verkaufen».
Könnte der Schweizer C-Level-Personalbedarf ausschliesslich durch Inländer befriedigt werden?
Nein, das wäre nicht möglich. Die Auswahl ist schlicht zu klein. Zudem werden von den meist international ausgerichteten Arbeitgebern besondere Kriterien festgelegt, wie zum Beispiel Kenntnisse eines bestimmten Marktes, geografische oder kulturelle Erfahrungen. Die Anzahl an «inländischen» Profilen wäre somit viel zu klein für ein seriöses Auswahlverfahren.
Das Volk hat seinen Argwohn mit der «Teppichkaste» unlängst an der Urne manifestiert und die Abzocker-Initiative angenommen. Weitere Initiativen wie EcoPop, 1:12 etc. sind in der Pipeline. Wird es dadurch schwerer, Top-Shots vom Weltmarkt in die Schweiz zu holen?
Das kann ich nicht kommentieren, da wir nur wenig in diesem ganz obersten Segment der echten Top-Shots tätig sind. Da fehlen mir schlicht die nötigen Informationen.
Wie kommt es, dass C-Level-Leute oft bei den Soft Skills versagen? Also menschliche, charakterliche Schwächen zeigen, zu Fehleinschätzungen neigen wie im Fall Hildebrand. Wird bei Executive Search zu wenig auf diese Komponente geachtet oder legen die Kunden keinen Wert auf solche Fähigkeiten?
Der Fall Hildebrand ist ein schlechtes Beispiel. Meines Wissens war die Ausgangslage da etwas anders. Ich kann also nur aus der Sicht der Wilhelm-Gruppe sprechen. Manager auf C-Level haben sich im Markt bereits in entsprechenden Positionen bewährt. Darum werden sie ja angesprochen. Das heisst, sie haben sich bewährt und verfügen über das gewünschte Know-how. Somit ist die fachliche Komponente gegeben. Es bleibt, auf die Soft Skills einzugehen. Wir setzen zu diesem Zweck nicht nur strukturierte Interviews, sondern auch massgeschneiderte Assessments ein. Diese haben sich bis heute sehr bewährt. Wir geben eine Empfehlung ab. Ob sich der Kunde daran hält, bleibt offen. Zu guter Letzt stehen bei ihm immer das Zwischenmenschliche und das «Bauchgefühl» weit vorne.
- Das Interview wurde schriftlich geführt.