Employee Engagement

Felsen in der Brandung der Beliebigkeit

Sich von Projekt zu Projekt als freier Mitarbeiter beauftragen zu lassen, ist ein viel beschworener Trend. Doch jeder Trend hat einen Gegentrend. So motiviert gerade dieses Phänomen andere, sich an Unternehmen oder Führende betont zu binden. Sie brauchen die Identifikation mit einer Institution, ihren Werten und ihrem Selbstverständnis – für Ihr eigenes Selbstverständnis. Denn Sie wollen «eine Rolle spielen» – und nicht «Rollen spielen».

«Identifizierer» werden zu Felsen in der Brandung, auf die sich Unternehmer oder Führungskräfte verlassen können. Es braucht solche Felsen, um Vision und Selbstverständnis mit Werten und damit mit Leben zu füllen. Mit reinen «Projekt-Söldnern» sind dauerhafte Alleinstellung, Kundenbindung, Loyalität und Qualitätssicherheit nicht erreichbar. Ein Unternehmen verkauft sich, wenn es zu stark auf solche «Söldner» setzt. Die Geschichte zeigt, was mit Herrschenden geschah, die ihre Hoffnungen Söldnern anvertrauten. Sie wurden Spielbälle in einer endlosen Preisspirale – ohne jedoch Loyalität zu erhalten: Noch am Schlachtfeld drehten etliche der hochbezahlten Auftragskiller den Spiess um. Im Vergleich zu Regenten ist für Unternehmer der Ofen dann schnell aus.

Investieren Unternehmer in Eintagsfliegen?

Ein «Söldner» hat zu funktionieren. Dafür wird er bezahlt. Für seine eigene fachlich und soziale Weiterentwicklung ist er selbst verantwortlich. Damit kann nicht jeder umgehen. Auch die Notwendigkeit dafür sieht nicht jeder. So dünnen sich die wirklich brauchbaren Leute zunehmend selbst aus. Hoch motiviertem Nachwuchs fehlt oft schlicht die nötige Erfahrung. Und schon wird es eng für den Unternehmer, der von seinen Kunden aufgrund seines konstanten Qualitätsniveaus eigenmotiviert empfohlen werden will. Der kurzfristig orientierten hohen Agilität, welche «Söldner» durchaus konkurrenzlos zu bieten haben, stehen die Werte- und Wachstum-orientierte Entwicklung der Stammbelegschaft – der «Identifizierer» – gegenüber. Hier schafft der Unternehmer die Säulen seines zukünftigen Erfolges. Gerade mit einem «Söldnerheer» braucht der Auftraggeber äusserst loyale Führer. Diese können sich nur aus der Stammbelegschaft des Unternehmens rekrutieren.

Voll im Gegentrend

Interessant ist, das Agieren eines relativ jungen Unternehmens mit auffallend junger Belegschaft zu beobachten. Es ist voll am Durchstarten zu einem der Player seiner Branche am europäischen Gesamtmarkt. Es setzt – auf den ersten Blick völlig atypisch – auf Mitarbeiter, die gerne bleiben und sich hochgradig mit dem Unternehmen identifizieren. Zu viel Ressourcen an Zeit und Geld würde der ewige Rekrutierungs-, Einarbeitungs- und Identifikationsprozess verschlingen.

Ein weiteres Beispiel für den Gegentrend: Der seit vielen Jahren etablierte Automotive-Zulieferer in der Provinz mit sehr heterogener Belegschaft und langjährig erprobtem Eigentümer. Durch die Unmöglichkeit, adäquate Fachkräfte zu erhalten, setzt er auf die Eigenausbildung Williger und Fähiger. Natürlich nur, wenn diese auch bereits sind, zu bleiben.

«Söldner» vs. «Identifizierer»

Wer auf «Identifizierer» setzt, muss diese permanent stärken, damit die Identifikation hoch und der Zustrom an neuen «Identifizierern» bestehen bleibt. So wird das Selbstverständnis des Unternehmens vom Zünglein an der Waage zum Damoklesschwert. Vom netten Spruch über dem Firmentor zum Scheideweg zwischen agierendem Marktgestalter oder reagierendem Schaden-Minimierer. Existiert ein gelebtes «Wir sind hoch agil in unserem Denken, unserem Tun und unserer Organisation, denn wir sind  die Firma XYZ», zieht das die passenden Leute an. Wer dazu nicht steht, wird nicht bleiben. Wer nur bleiben will, weil er versorgt sein will, dem wird ordentlich eingeheizt. Dann leistet er entweder seinen Beitrag, um sich auch wohl zu fühlen, oder er geht.

Selbstverständnis trennt Spreu vom Weizen

Unabhängig davon, ob jemand die persönliche Präferenz pflegt, im Auftrags-Hopping seine Brötchen zu verdienen oder in der Dienstherren-Treue zu verweilen. Stimmt das Selbstverständnis des Unternehmens mit dem eigenen Selbstverständnis weitgehend überein, so werden auch die Ziele ähnliche sein. Denn erreichte Unternehmensziele ermöglichen es, persönliche Ziele zu erreichen.

Letztlich siegt, wer lebt, was er sagt

Ein ausgeklügeltes Selbstverständnis mit Vision, Mission, Zielen und Massnahmen zu haben, ist schön und gut. Letzten Endes wird derjenige dauerhaft die passenden Kunden, «Identifizierer» und auch «Söldner» von sich überzeugen, der sein Selbstverständnis im Auf und Ab stoisch lebt. Daraus zieht er automatisch die richtige Art von Mitarbeitern an.

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Jörg Romstötter ist Coach für Einzelpersonen und Teams. Für den Ingenieur, Betriebsökonom und Autor zählt nur messbar erfolgreiche Veränderungsarbeit. Seine Erfahrung schöpft er nicht nur aus vielen Kundenprojekten unterschiedlicher Branchen, sondern auch aus dem Aufbau und der Führung eines Unternehmens mit mehreren hundert Mitarbeitern. www.jörg-romstötter.com

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