HR Today Nr. 7&8/2020: swissstaffing-News

Flexworker: Motive, Chancen und Herausforderungen

Digitalisierung, Automatisierung, Globalisierung und Virtualisierung verändern die Art, wie wir arbeiten. Seit mehreren Jahren ist deshalb eine Zunahme an flexiblen und temporären Anstellungsformen zu beobachten. Gleichzeitig verschwinden aufgrund der zunehmenden Flexibilität die Grenzen zwischen der Arbeit, den Menschen und den Unternehmen als Arbeitgeber.

Im dynamischen Arbeitsmarkt entstehen auf ­individueller Ebene neue Bedürfnisse, die bisher noch wenig Beachtung gefunden haben. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, mehr über Flexworker und ihre Bedürfnisse zu erfahren. In einer gemeinsamen Forschungsstudie von HR ConScience, der Universität Luzern und swissstaffing wurden 31 Flexworker interviewt (siehe Abbildung 1) und ihre Motive sowie die Chancen und Herausforderungen von Flexwork analysiert.

Flexworker sind «Menschen, die flexibel arbeiten möchten – sei es, weil sie dank Flexibilität den Weg zurück in die Erwerbstätigkeit suchen oder weil es ihrer Lebensphilosophie entspricht.» (swissstaffing, 2019).

Die Studie unterscheidet drei Typen von Flexworkern:

  • Flexworker, die Temporäreinsätze über einen klassischen Personaldienstleister suchen und abwickeln (Typ 1)
  • Flexworker, die ihre Aufträge über technologiebasierte Online-Arbeitsplattformen suchen und abwickeln (Typ 2)
  • Flexworker, die über ein eigenes Netzwerk Aufträge akquirieren (z. B. Selbstständige) (Typ 3)

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Warum wollen Flexworker flexibel arbeiten?

Die Gründe für die Wahl einer flexiblen Arbeitsform sind vielfältig. Viele Flexworker entscheiden sich bewusst für diese Arbeitsform. Ihre zentralen Motive sind die hohe Flexibilität, die eine Vereinbarkeit der Arbeit mit privaten Verpflichtungen (Kinder- oder Elternbetreuung, Studium) ermöglicht sowie finanzielle Gründe. Um finanzielle Lücken zu schliessen, können Selbstständigerwerbende neben ihrer Haupttätigkeit beispielsweise zusätzliche Aufträge über eine Online-Arbeitsplattform annehmen. Andere Flexworker nutzen diese Arbeitsform für den Einstieg oder Wiedereinstieg ins Berufsleben oder in bestimmte Tätigkeitsfelder.

Weitere Motive für Flexwork sind Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Anerkennung. Denn im Vergleich zu Festangestellten haben Flexworker eine grosse Autonomie und mehr Freiheiten, wodurch sie sich mehr auf Augenhöhe mit dem Auftraggeber fühlen. Sie können zudem Aufträge oder Arbeitgeber ablehnen und selbst bestimmen, wann sie was machen möchten. Auch Festangestellten bietet Flexwork eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, indem Beschäftige einen Ausgleich oder eine Abwechslung in ihrem Arbeitsalltag mit temporären Einsätzen erzielen. Beispielsweise durch einen Bürojob, den sie mit Gartenarbeiten ergänzen, um körperlich aktiv zu sein. Nach jedem Einsatz erhalten Flexworker zudem ein Feedback und können ihre Auftraggeber bewerten, während Festangestellte normalerweise einmal jährlich im Mitarbeitergespräch ein Feedback zu ihrer Arbeit erhalten.

Chancen und Herausforderungen von Flexwork

Die Chancen und Herausforderungen von Flexwork liegen dicht beieinander (siehe Abbildung 2). Wo es eine grosse Flexibilität und Autonomie gibt, braucht es auch eine hohe Selbstverantwortung. Einerseits zum Schutz vor ständiger Verfügbarkeit und andererseits, um die Verantwortung für die gesamte Wertschöpfung wie (Auftragsakquise, Abwicklung der Aufträge, Buchhaltung) zu tragen.

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Aus der finanziellen Perspektive ist Flexwork eine Chance, um den Einstieg oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu finden oder einem Nebenerwerb nachzugehen. Flexworker leben jedoch oft mit einer finanziellen Unsicherheit, da die Auftragslage manchmal schwierig einzuschätzen ist.

Durch den regelmässigen Austausch mit Auftraggebern und ihrem Feedback können Flexworker ihre Leistung einschätzen und sich entwickeln. Gleichzeitig stellt das permanente Feedback auch eine Herausforderung dar: Flexworker sind auf positive Kundenbewertungen angewiesen, um weiterhin Aufträge zu bekommen.

Voraussetzungen, um als Flexworker erfolgreich zu sein

Professionelle Intermediäre sind eine wichtige Voraussetzung für Flexworker, die über einen Personaldienstleister (Typ 1) oder eine Online-Arbeitsplattform (Typ 2) arbeiten. Ein Interim Manager beschreibt beispielsweise, dass er durch die Unterstützung seines Intermediärs schätzungsweise 20 bis 30 Prozent Zeitersparnis bei der Akquisition neuer Mandate hat.

Die familiäre Situation wird ebenfalls als wichtige Voraussetzung für Flexwork genannt. Arbeit auf Abruf kann beispielsweise nur machen, wer relativ ungebunden ist.

Die Arbeit als Flexworker bedingt Eigeninitiative und Selbständigkeit. Von Flexworkern wird erwartet, dass sie die Tätigkeit verstehen, selbstständig organisieren und ausführen. Zudem sind gute Qualifikationen und vertieftes Hintergrundwissen hilfreich. Bei wechselnden Kundenbedürfnissen kann mit entsprechendem Wissen und hoher intrinsischer Motivation eine fehlende Qualifikation wettgemacht werden.

Offenheit für neue Situationen, schnelle Anpassungsfähigkeit, soziales Geschick und Selbstvermarktung sind persönliche Voraussetzungen, um mit regelmässig wechselnden Arbeitgebern und Arbeitsbedingungen umzugehen. Wie gut sich ein Flexworker bei einem Arbeitseinsatz verkauft, entscheidet darüber, ob sie oder er wieder gebucht wird.

Alle Typen von Flexwork sehen Stressresis­tenz und die Fähigkeit, sich von der Arbeit abzugrenzen, als wichtige Ressourcen. Das Leben als Flexworker kann aufgrund der wechselnden und teilweise sehr intensiven Arbeitseinsätze anspruchsvoll und hektisch sein.

Bedeutung von COVID-19 für die Flexworker

So verschieden Flexworker, ihre Beweggründe und Tätigkeiten sind, so unterschiedlich trifft sie die Corona-Pandemie. Dabei spielen die Branche, die Arbeitsform und die persönlichen gesundheitlichen Voraussetzungen eine Rolle. Werden derzeit in Branchen wie im Gesundheitswesen oder in der Landwirtschaft zusätzliche Arbeitskräfte gesucht, ist in anderen wie der Gastronomie das Geschäft vollständig zusammengebrochen.

In dieser wirtschaftlich schwierigen Situation ziehen Flexworker auch Branchenwechsel in Betracht. Etwa jenen vom Koch zum Personenschutz. Flexworker im Nebenerwerb konzentrieren sich mangels Nachfrage vorerst auf ihren Haupterwerb. Wer aufgrund seines Alters oder der gesundheitlichen Situation zur Risikogruppe gehört, ist jedoch davon abhängig, ob und wie er über den Intermediär versichert ist und ob er den Auftrag behält oder faktisch freigestellt wird.

Viele der befragten Flexworker erwarten durch die kommenden Entlassungswellen eine höhere Konkurrenz und dadurch eine mögliche Altersdiskriminierung. Andererseits zeigen innovative Ideen von Intermediären wie eine neue Uber-App zur Beförderung von Spitalpersonal und Flexworkern beispielsweise durch den Fokus auf neue Branchen und Dienstleistungen die grosse Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit der Flexworktätigkeit. Gerade in Krisenzeiten ist dies eine grosse Stärke.

Die Flexworker-Studie ist zum Download verfügbar unter: swissstaffing.ch/whitepaper

Myra Fischer-Rosinger, Direktorin swissstaffing

Der zunehmende Trend zu Flexwork benötigt, wie die Studie zeigt, drei Dinge:

  1. Eine Kultur, in der flexibles Arbeiten und der dynamische Wechsel zwischen Erwerbsformen akzeptiert ist.
  2. Gute Vermittler, die sich bei den Auftraggebern für die Flexworker einsetzen, z. B. Personaldienstleister, digitale Plattformen oder Verbände.
  3. Einen Refresh des arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmens, der die Chancen des Flexibilisierungstrends nutzt und dafür sorgt, dass der liberale Arbeitsmarkt noch dynamischer und integrativer wird.
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Dr. Anja Feierabend 
ist Dozentin am Center für Human Resources Management (CEHRM) der Universität Luzern und Mitgründerin des Start-ups «HR ConScience».

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Dr. Lea Rutishauser ist Ober­assistentin am Center für Human Resources Management an der Universität Luzern, und Mitgründerin des Start-ups «HR ConScience».

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