Pensionskassen wie diejenige von Peter Beriger, aber auch Rating-Agenturen, die sich auf nachhaltige Unternehmen spezialisiert haben, beschäftigen eigens dazu Analysten. Diese erfassen, was all diese Faktoren für die verschiedenen Wirtschaftssektoren und Firmen bedeuten: «Uns ist klar, dass jeder Sektor und jedes Unternehmen spezifische Chancen und Risiken hat.» Eine Geschäftstätigkeit in Bereichen wie Kernenergie, Gentechnologie in Landwirtschaft und Medizin sowie Berührungspunkte zu Geldwäscherei und Korruption sind für Berigers Pensionskasse Killerkriterien. «Aber auch mit der Tolerierung von Kinder- und Zwangsarbeit oder Bio-Piraterie verwirken Unternehmen jegliche Chance, überhaupt jemals in die Nähe eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens zu kommen», ergänzt Peter Beriger mit Nachdruck. In der öffentlichen Kritik stehende Unternehmen wie die bereits erwähnten Shell, BP und Glencore seien, so Beriger, zwar auf einem guten Weg, wenn es um Themen wie die Mitarbeiterzufriedenheit gehe. Das alleine reiche aber längst nicht aus.
Wirklich nachhaltige Firmen müssten weit mehr zum Strukturwandel in eine nachhaltige Wirtschafts- und Gesellschaftsweise beitragen. Beispiele dafür gebe es durchaus: «WC-Hersteller Geberit, der Winterthurer Maschinenbauer Sulzer, Pharmariese Novartis, aber auch der Industriekonzern Georg Fischer aus Schaffhausen erfüllen die strengen Nachhaltigkeitskriterien in jeglicher Hinsicht, so dass wir sie in unser Anlage-Universum aufgenommen haben.» Und Peter Beriger veranschaulicht: «Sulzer beispielsweise unterhält ein umfassendes Gesundheits- und Sicherheitsmanagement für seine Belegschaft und vereinbart mit Gewerkschaften Gesamtarbeitsverträge, denen die Mehrheit der Mitarbeitenden unterstellt ist.» Geberit-Angestellte, die längere Zeit krankheitsbedingt ausfielen, würden durch Wiedereingliederungsprogramme unterstützt. Georg Fischer fördere den Zugang von Frauen zu Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, um den Frauenanteil im Management zu steigern, zudem schule das Unternehmen sein Personal, indem es beispielsweise E‑Learning-Kurse zu Antikorruption, Wettbewerbs- und Kartellrecht anbiete.
Das HR als Nachhaltigkeitstreiber
Das unternehmenseigene HR könne also auf dem Weg zu einem nachhaltigen Unternehmen durchaus eine tragende Rolle übernehmen, sagt Beriger. Denn die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit bedinge eine Verankerung in der Unternehmenskultur: «Eine glaubhafte Kultur der Nachhaltigkeit beginnt beim Führungsverhalten. Entscheidend ist, dass das Führungsleitbild diese Kultur der Nachhaltigkeit einschliesst und beispielsweise mit Verhaltensregeln konkretisiert.» Das führe zu einer höheren Verbindlichkeit und Transparenz.
Um die Wirksamkeit sicherzustellen, müsse bereits auf Mitarbeiterebene angesetzt werden. Und hier komme das HR zum Zug. Mit seinen Kernkompetenzen könne das HR eine erfolgreiche Durchführung und Steuerung solcher Transformationsprojekte nämlich entscheidend vorantreiben. «So kann das Performance-Management-System eines Unternehmens Verhalten und Kompetenzen fördern, die den nachhaltigen Zielen des Unternehmens entsprechen», erklärt Beriger und doppelt nach: «Ein gangbarer Weg ist ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Vergütungs- und Incentivierungssystem.» Darunter könne beispielsweise die Auszahlung eines «Öko-Bonus» fallen, wenn die vereinbarten Ziele erreicht worden seien. Die HR-Unterstützung könne gar noch weiter gehen – bis hin zu einer Neuausrichtung des Employer Brandings. Rekrutierung und Talentmanagement seien jedenfalls gefordert, sich verstärkt mit den veränderten Ansprüchen der relevanten Zielgruppen – beispielsweise der medial omnipräsenten Generation Y – auseinandersetzen.
Die Transformation eines Unternehmens in Richtung Nachhaltigkeit sei ein «vielschichtiger und langwieriger Entwicklungsprozess», der unter anderem auch «durch interne Ausbildungen, fortwährend und in homöopathischen Dosen, in die Unternehmens-DNA übergehen» müsse. Genau hier könne die Personalabteilung «als Risk Manager und Brandverhüter» einen relevanten Beitrag leisten.