BGM-Special 2024: Fondation Domus

«Heute ernten wir die Früchte»

Die Fondation Domus in Martigny, einem Institut für psychosoziale Rehabilitation, hat 2019 ein partizipatives Management eingeführt. Nach einer schwierigen Transformation zieht sie heute ein positives Fazit.

Ihr Mut zur Transformation wird belohnt. Die 2011 aus der Fusion zweier Walliser Gesundheitseinrichtungen (Le Chalet in Salvan und La Miolaine in La Tzoumaz) entstandene Fondation Domus in Martigny hat sich 2019 für den Wechsel zu einem partizipativen Managementmodell entschieden. Der Übergang war nicht einfach. Verunsichert durch diese neue Art der Arbeitsorganisation zogen es einige Mitarbeitende vor, das Boot zu verlassen. Personalleiterin Stéphanie Emery Haenni erinnert sich: «Die Fluktuation und die Komplexität nahmen stark zu. Die Covid-Krise half nicht. 2019 und 2020 waren wirklich sehr schwierig. Aber wir hielten durch. Ohne unseren Direktor Philippe Besse wäre das nicht möglich gewesen. Er war ein Leuchtturm im Sturm.»

Am Puls der Zeit

Heute überzeugt das partizipative Managementmodell, das in der Fondation Domus eingeführt wurde. In einem Pflegesektor, in dem ein starker Arbeitskräftemangel herrscht, muss sie Leute abweisen. «Das war nicht unser Ziel, aber wir haben keine Rekrutierungsprobleme mehr. Wir ziehen super Profile an, weil die Leute in einer Institution mit diesem Führungsstil arbeiten wollen», freut sich Philippe Besse. «Wir sind zum Vorbild für andere Organisationen geworden. Partizipatives Management passt in die heutige Zeit, die Leute wollen ihren Zeitplan selbst bestimmen», ergänzt Stéphanie Haenni Emery. Bei einer Veranstaltung zum 50-jährigen Bestehen der Institution im No­vember 2023 reisten 150 Führungskräfte aus verschiedensten Firmen an, um sich mit diesen neuen Praktiken vertraut zu machen. Auch die Medien interessieren sich dafür. Und die Fachhochschule HES-SO bat Philippe Besse, seine Erfahrungen im Rahmen eines MAS in Leitung und Strategie von Bildungs-, Sozial- und sozialpflegerischen Einrichtungen zu teilen.

Als Krönung des Ganzen wurde die Fondation Domus im November 2023 mit dem Label «Friendly Work Space» von Gesundheits­för­derung Schweiz ausgezeichnet. Stéphanie Haenni Emery sagt: «Das Label ist gut strukturiert und entspricht unserem Modell. Das partizipative Management ist nicht die Hippiekommune der 1970er-Jahre. Wir sind straff organisiert und strukturiert. Wenn man die Freiheit über das ‹Wie› gewährt, muss für alle der Rahmen sehr klar definiert sein.» Die Personaldirektorin schätzt zudem die statistische Strenge des Labels: «Der Prozess ist anspruchsvoll und ermöglichte es uns, unsere Praktiken zu visualisieren. Das Label ist auch für unsere Stakeholder interessant, von denen der Kanton Wallis der wichtigste ist. Und es ist ein gutes Marketinginstrument sowohl für die interne als auch die externe Kommunikation. Viele der Kandidatinnen und Kandidaten sprechen uns beim ersten Vorstellungsgespräch auf das Label an.»

Gesundheitsleistungen bei der Fondation Domus

  • Neues Verfahren zur Verwaltung von Absenzen, das mit Unterstützung des Krankenversicherers (Groupe Mutuel, ebenfalls ein Label «Friendly Work Space»-Betrieb) eingeführt wurde.
  • Die Arbeitszeitplanung für das ganze Jahr wird im Team beschlossen. Das fördert die Work-Life-Balance.
  • Fortbildungskatalog «Gemeinsam handeln» mit 15 bis 20 Fortbildungen, darunter einige zum Thema Wohlbefinden.
  • Ein zu 100 Prozent biologisches und lokales Catering.
  • Dutzende teamspezifische Projekte, zum Beispiel ergonomische Anpassungen für das Hauswirtschaftspersonal (Bügelraum, Wäscherei).
  • Unterstützung für schwangere Frauen mit einer Checkliste und einer beratenden Hebamme.
  • Die Gründung einer Förderstiftung, die bestimmte Bedürfnisse der Mitarbeitenden oder der Begünstigten finanziert (zusätzlicher Urlaub, Lager, Schulungen, finanzielle Unterstützung).

 

Persönliche und institutionelle Krise

Um zu verstehen, wie der Wechsel zu einem Modell führte, bei dem die Teams ihre Dienst- und Urlaubspläne selbst organisieren, muss man in die frühen 2000er-Jahre zurückgehen. Philippe Besse erklärt: «Unsere Einrichtung nahm immer mehr Pflegebedürftige auf und die Situationen wurden immer komplexer. Waren es 2003 noch 24 Mitarbeitende für 28 Bewohnende, so sind es heute mehr als 130 Beschäftigte, die eine grosse Palette an Dienstleistungen erbringen. Die starke Zunahme der Anzahl und der Komplexität wurde auch zur persönlichen Herausforderung», gesteht der Direktor. «Ich hatte immer das Bedürfnis, die Dinge zu lenken, aber je grösser die Institution wurde, desto mehr verlor ich die Kontrolle.» Paradoxerweise erkrankte Philippe Besse 2018 an einem Burnout, als er selbst Kurse über die Prävention von Burnout gab. Er erinnert sich: «Ich wusste nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Das Ausmass der Aufgabe überforderte mich. Nach drei Monaten Pause war mir klar, dass ich die Institution in Zukunft anders führen musste.»

Das Bedürfnis nach Veränderung ging auch von den Teams aus, die sich wünschten, mehr Initiative, Verantwortung und Autonomie zu übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt stellte Philippe Besse die neue Personaldirektorin ein, um den Wandel strukturiert anzugehen. Stéphanie Emery Haenni: «Anfangs probierten wir vieles aus. Heute suchen wir bei Neueinstellungen nach zusätzlichen Kompetenzen: emotionale Intelligenz, Fähigkeit zur Selbstreflexion, Verantwortungsbewusstsein, Distanzierung, die Fähigkeiten, sich an Veränderungen anzupassen und sich kontinuierlich zu verbessern.»

Der Übergang war nicht ohne Risiken. Stéphanie Emery Haenni: «Da wir nicht mehr nach dem Top-down-Prinzip, sondern nach dem Co-Konstruktionsprinzip arbeiten, dauert es teils länger, bis Projekte abgeschlossen sind – man muss sich Sachzwängen anpassen und Prioritäten setzen. Ein weiteres Risiko ist, dass sich einige Mitarbeitende zu stark engagieren. Wir müssen darauf achten, dass sie sich nicht zu viel zumuten. Zudem müssen wir lernen, mit den Grauzonen umzugehen, und klarstellen, wer was entscheidet.»

Einzel- und Teamcoachings

Die Stiftung führte mehrere Massnahmen zur Gesundheit am Arbeitsplatz ein. «Das ACS-Coaching (lösungsorientierter Ansatz) ist das Herzstück», erklärt Stéphanie Emery Haenni. Mehrere Mitglieder der Geschäftsleitung wurden in dieser Haltung geschult, ebenso wie alle Mitarbeitenden. Es geht darum, anderen Personen zu helfen, ihre Ressourcen sichtbar zu machen und ihnen zu ermöglichen, selbst ihre Lösungen zu finden.» Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter erhält vier bis sechs Coachings pro Jahr. Hinzu kommt die gleiche Anzahl an Team-Coachings. Philippe Besse: «Coachings sind der Schlüssel und das Öl im Motor. Sie können nicht von den Mitarbeitenden verlangen, dass sie gesund bleiben und dass sich an diesem partizipativen Prozess beteiligen, wenn sie nicht begleitet werden. Auch die Rolle der Führungskräfte ändert sich. Wir bewegen uns weg von Kontrolle und Zu­recht­weisung hin zu Unterstützung und Begleitung. Dabei spielt das Recht auf Fehler eine zentrale Rolle. Man kann nicht lernen, wenn man für Fehler bestraft wird.»

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Marc Benninger ist Chefredaktor der französischen Ausgabe von HR Today.

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