HR Today Nr. 6/2017: Recruiting

HR-Marketing: Chancen der Differenzierung

Die Erkenntnisse der Studie «Job-Cloud Market Insights» zeigen, dass sich viele Stellensuchende individuelle Zeitsouveränität und «neue» Arbeitszeitmodelle wünschen, während Unternehmen nach wie vor über­wiegend Normalarbeitszeit anbieten. Die Diskrepanz eröffnet für HR-Marketing-Verantwortliche Chancen der Differenzierung.

Analog zum Marketing spricht man im HR-Marketing von den vier «P» als klassische Instrumente des Marketing-Mix: Product, ­Price, Place und Promotion¹. In diesem Beitrag soll das Potenzial für Unternehmen anhand des Aspektes «Product» dargelegt werden. Aufgabe des HR-Marketings ist es, die richtigen Mitarbeitenden zum richtigen Zeitpunkt einsatzbereit zur Verfügung zu haben. Um sich auf dem Arbeitsmarkt gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, positioniert sich ein Unternehmen gezielt bezüglich derjenigen Aspekte, die den aktuellen und potenziellen Mitarbeitenden wichtig sind, und entwickelt entsprechende «Angebote»². Insofern umfasst die Produktgestaltung im HR-Marketing die Angebotsgestaltung an einen Mitarbeitenden zum Beispiel in Hinsicht auf Arbeitsaufgabe, Arbeitszeitmodell, Unternehmenskultur oder Work-Life-Balance. Hierzu benötigen Unternehmen vertiefte Kenntnisse der Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Zielgruppe. Diese Marktforschungsergebnisse gilt es sodann mit den eigenen Stärken und Möglichkeiten bestmöglich abzudecken.

Die Erkenntnisse der Studie Job-Cloud Market Insights³ zeigen auf, dass in Bezug auf die Produktgestaltung viel Potenzial für eine Differenzierung vorhanden ist. Die Studie von JobCloud und der ZHAW School of Management and Law (Zentrum für Human Capital Management und Institut für Marketing Management) basiert auf Daten der beiden führenden Jobportale jobs.ch und jobup.ch in der Deutsch- und Westschweiz. Diese decken einen beachtlichen Teil des digitalen Schweizer Stellenmarktes ab, sowohl auf der Angebots- (Stellenausschreibungen) als auch auf der Nachfrageseite (Klicks von Jobsuchenden sowie deren Jobprofile). Die Studie gibt einen Einblick in den Schweizer Stellenmarkt, indem die Präferenzen und das tatsächliche Verhalten von Jobsuchenden mit den Angeboten der Ausschreibenden in der Schweiz ver­glichen werden.

Stellensuchende wollen Teilzeitstellen

Personen, die ein Profil auf den Jobplattformen der Westschweiz hinterlegen, können ihren gewünschten Beschäftigungsgrad nennen (siehe Grafik). 39 Prozent der Männer und 47,2 Prozent der Frauen suchen eine Teilzeitstelle. Diese hohe Präferenz macht deutlich, dass die dem Normalarbeitsverhältnis zugrundeliegenden Normalitätsannahmen nicht im Einklang stehen mit den subjektiven Interessenlagen der Arbeitnehmenden.

Betrachten wir das Angebot auf den Job-Plattformen, so bieten Unternehmen zu 90 Prozent überwiegend Stellen mit Vollzeitbeschäftigung an. Das Angebot ist laut SAKE 2016 höher als der Grad an Vollzeitbeschäftigten (Männer 83,6 Prozent, Frauen 41,3 Prozent). Dies deutet auf eine Diskrepanz zwischen den Wünschen der Arbeitnehmenden und dem Angebot der Unternehmen hin. Die Nachfrage wird in der Studie mittels des Klickverhaltens auf die Stellen gemessen. Die Klickrate ist ein guter Indikator für die Bedürfnisse der Stellensuchenden. Hier zeigt sich, dass Teilzeitstellen sehr begehrt sind. Die Nachfrage nach Stellen mit einem Beschäftigungsgrad zwischen 40 und 90 Prozent übertrifft das Angebot von Stelleninseraten um genau die Hälfte. Teilzeitstellen werden eineinhalbmal häufiger geklickt als Vollzeitstellen.

Implikationen für das HR-Marketing

Das Beispiel macht deutlich, dass die Diskrepanz zwischen präferierten und angebotenen Arbeitszeitmodellen hoch ist. Während viele Arbeitnehmende eine individuelle Zeitsouveränität und «neue» Arbeitszeitmodelle wünschen, entspricht das Angebot nach wie vor überwiegend der Normalarbeitszeit. Aus Unternehmenssicht gilt es zu überdenken, ob Vollzeitarbeit tatsächlich zu einer unabdingbaren Anforderung des Arbeitgebers an seine Mitarbeitenden gehört. Auf eine konsequente Kundenorientierung kann heute kein Unternehmen verzichten. Im HR-Marketing bedeutet eine solche Kunden­orientierung, die Wünsche der Arbeitnehmenden zu kennen und durch attraktive und innovative Angebotsgestaltung Vorteile im Wettbewerb um das Humankapital zu schaffen.

Quellen:

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Dr. Nicoline Scheidegger forscht und lehrt am Zentrum für Human Capital Management (ZHCM) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zu den Themen Human Capital Management und Leadership.

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Patrick Bissig ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing Management der ZHAW. Nebst der Tätigkeit als Projektleiter bei Forschungs- und Beratungsprojekten ist er in der Lehre im Bereich Marketing Management tätig.

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