Entlöhnung

Ich weiss, was du verdienst

Bei der Ergon Informatik AG herrscht 
Lohntransparenz bis hinauf zum CEO. 
Das Rezept heisst: Mittelmass bei 
den Löhnen, aber nicht bei den Köpfen. 
Und die Rechnung geht auf.

Das Business der Ergon Informatik AG sind Softwareprodukte und massgeschneiderte Anwendungen. So weit, so normal. Daneben gibt es für die 160 Angestellten aber einiges, was in der Schweizer Arbeitswelt weniger üblich ist. Vier wirklich gelebte Werte zeichnen die Firma aus: Gleichheit, Transparenz, Mitbestimmung und Beteiligung. Jeder dieser Werte wirkt sich auf den Umgang mit dem Lohn aus.

Wert 1: Gleichheit


Bei der Ergon wird der Lohn primär durch die Erfahrung und die Ausbildung bestimmt. Für jedes Jahr Arbeitserfahrung legt eine seit 2004 unveränderte Lohnkurve das Jahressalär für die Hochschul-Informatiker und die Angestellten mit Fachausweis fest. Vom ersten bis zum 15. Erfahrungsjahr gibt es einen Lohnanstieg, danach bleibt der Lohn auf dem höchs-ten Niveau. GL-Mitglieder, Abteilungs- und Projektleiter erhalten einen Funktionszuschlag. Zusätzlich kann jedes Team einen Teambonus selber verteilen.

Wenn jemand eine Weiterbildung macht, ist seine Arbeit danach mehr wert? «Während sich jemand weiterbildet, arbeitet eine andere Person an Projekten», sagt die Informatikingenieurin Gabriela Keller, HR-Leiterin und GL-Mitglied, «bei uns gilt beides als Erfahrung und wird daher gleich bewertet.»

Den Gleichheitswert zu erfüllen, ist bei der Ergon leichter als in vielen anderen Firmen, da die Belegschaft sehr homogen ist. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Ende Jahr können für jene mit ausserordentlichen Leistungen kleine Prämien als «Zückerchen» gesprochen werden.

Wert 2: Transparenz


Die Löhne der Angestellten sind im Intranet publiziert, und Anfang Jahr werden die neuen Saläre in einer Liste publiziert. Lohntransparenz heisst aber nicht unbedingt komplette Öffentlichkeit: «In den Medien möchte ich meinen Lohn sowie unsere Einstiegs- und Maximalsaläre nicht lesen», sagt Gabriela Keller. «Wichtig ist, dass wir innerhalb der Firma transparent sind.»

Wert 3: Mitbestimmung

Die Mitarbeitenden der Informatikfirma haben eine Stimme. «Jedes Team kann mit Mehrheitsbeschluss Entscheide seiner Leitung auf der nächsthöheren Stufe anfechten», erklärt die HR-Leiterin. Und stehen wichtige Entscheidungen an, fühlt das Management den Puls der Firma. Als die GL vor Jahren über Funktionslöhne nachdachte, leistete die Belegschaft Widerstand – das Modell wurde verworfen.

Wert 4: Beteiligung

Der monatlich ausbezahlte Lohn der Mitarbeitenden beträgt 80 Prozent des Jahreslohns geteilt durch 12. Erwirtschaftet die Firma übers Jahr genug Geld, werden im Dezember die 20 zurückgehaltenen Prozente ausbezahlt. «Es gab wenige Jahre, in denen es knapp wurde, aber bisher konnten wir die 20 Prozent immer auszahlen», so Gabriela Keller. Die Risikobeteiligung ist hoch, sie bedeute aber auch eine Beteiligung am Gewinn – denn in einem guten Jahr werden zusätzlich Boni ausbezahlt.

Der Nutzen


Die Rechnung geht für Gabriela Keller auf: Sie hat viele gute Bewerber, und das Lohnpokern mit diesen kann sie sich sparen. Konflikte um Löhne gibt es keine. Die Mitarbeitenden müssen nicht ellbögeln, sondern können ihre Energie voll und ganz in ihre Projekte stecken. Von den besseren Ergebnissen profitieren wiederum die Kunden. Die Mitarbeitenden fühlen sich fair behandelt, was zusammen mit der spannenden Arbeit und den guten Arbeitsbedingungen eine hohe Zufriedenheit und eine tiefe Fluktuation bewirkt. Nicht zuletzt helfen sich die Teams untereinander aus, wenn Not am Mann ist – der Lohn hängt ja nicht an individuellen Leistungszielen.

«Bei grösseren Firmen ist die Lohnschere viel grösser», sagt die HR-Leiterin. «Die einen bleiben auf einem tiefen Lohn sitzen, bei anderen geht es steil in die Höhe. Wir da-gegen haben ein gewisses Mittelmass.» Nur ein einziges Mal habe eine Person die Firma verlassen, weil sie für ihre Leistung einen höheren Lohn erwartete.

Mittelmass beim Lohn bedeute aber nicht Mittelmass der Köpfe: «Unsere Leute sind hier, weil sie es schätzen, nicht in einem klassisch kompetitiven, sondern in einem entspannten Umfeld zu wirken. Dennoch sind sie leistungsorientiert. Eine solche Dichte an ETH-Absolventen und Doktoranden finden Sie in keiner anderen Firma.»

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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