Im Idealfall hilft die Digitalisierung
Trends im Bewerbermanagement, Datenhacks und die Frage, wie persönlich der Kontakt zu Bewerbenden sein sollte. Ein Gespräch mit Wolfgang Brickwedde, Director des Institute for Competitive Recruiting.
HR Tech Club – meet the future. (Bild: HR Today)
Welche Trends zeichnen sich im Bewerbermanagement softwaremässig ab?
Wolfgang Brickwedde: Bewerbermanagementsysteme werden künftig als Plattform agieren und mit leicht zuschaltbaren Ergänzungen auf dem Stand der Technik bleiben. Diese sind teilautomatisiert und prüfen eingehende Bewerbungen oder inwieweit Bewerber- und Stellenprofile zueinander passen und treffen eine Vorauswahl an geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten. Einige Systeme schlagen Kandidatinnen und Kandidaten sogar schon vor der Bewerbung passende Stellenanzeigen vor. Eine andere Entwicklung ist die Optimierung der Stellenanzeigen hinsichtlich Diversity Recruiting, ein Beispiel dafür ist das Modul «BetterAds» der Software «Beesite» von Milch & Zucker.
Was ist für Sie ein State-of-the-Art-Bewerbermanagement?
Das ist so ähnlich wie die Frage nach dem besten Bewerbermanagementsystem. Das gibt es nicht. Es gibt nur die am besten passende Lösung für ein Unternehmen. Eine State-of-the-Art-Lösung ist für ein Unternehmen, das nur 10 bis 50 neue Mitarbeitende sucht, völlig überdimensioniert. Ein grösseres Unternehmen möchte indes alle möglichen Features nutzen, darf aber vieles aus rechtlichen Gründen nicht. Es gibt deutliche Unterschiede in der dahinterliegenden Technologie, und je offener eine Lösung auf einer Plattformbasis ist, desto zukunftssicherer ist sie aufgestellt.
Datenhacks haben in den vergangenen Monaten erheblich zugenommen. Je mehr Schnittstellen bestehen, desto grösser ist die Angriffsfläche. Sollten Unternehmen Bewerbermanagement-Software deshalb eher wieder inhouse betreiben?
Bei der Auswahl von Bewerbermanagementsystemen kann sich ein Unternehmen zwischen drei technischen Varianten entscheiden: der «On-Premises-», der «Inhouse-» oder der «Software as a Service»-Lösung. Bei On-Premises- und Inhouse-Lösungen erwirbt das Unternehmen ein Computerprogramm und betreibt es auf eigener Hardware. Die Software wird dabei auf den Servern des Unternehmens installiert. Für deren Management ist das Unternehmen verantwortlich. Für die Software-Nutzung zahlt das Unternehmen Lizenz- und gegebenenfalls Wartungsgebühren, während die Aktualisierungen vom Softwarehersteller kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Im zweiten Fall nutzt ein Unternehmen standardisierte Services, die über das Internet gegen Entgelt zur Verfügung stehen. Merkmale dieser Variante sind beispielsweise, dass keine Installationen notwendig und die Abrechnungen verbrauchsabhängig sind, während die Nutzung leicht skalierbar ist. Zudem werden Standardschnittstellen eingesetzt. Dadurch wirkt die Nutzerführung oft moderner als bei einer On-Premises-Lösung. Durch die Verwaltung der Daten in der Cloud entstehen dafür häufiger Fragen zur Datenaufbewahrung und Sicherheit.
Der Kontakt zu Bewerbern sollte persönlich sein. Die Digitalisierung macht aber vieles unpersönlicher. Zum Beispiel, weil Bewerbende ein Video machen, Fragen beantworten, aber im Gegenzug nichts von den Rekrutierenden wissen – keine Ansprechperson.
Die Frage, ob die Digitalisierung etwas unpersönlicher macht, ist wie die Frage nach der Gefährlichkeit eines Messers. Man kann damit ein Brot schmieren oder jemanden töten. Wenn jemand abends um 22 Uhr auf einer Karrierewebsite Informationen über das Gehaltsniveau eines Unternehmens sucht, erwartet er bestimmt keinen persönlichen Ansprechpartner. Da kann ein Chatbot die notwendigen Informationen geben. Falls Bewerbende abgesehen von einer Eingangsbestätigung drei oder vier Wochen lang nichts vom Unternehmen hören, liegt das mit Sicherheit nicht an der Digitalisierung, sondern an den handelnden Menschen beziehungsweise dem zugrundeliegenden schlechten Recruitingprozess. Wird dieser digitalisiert, erhält man einen schlechten digitalen Recruitingprozess. Im Idealfall hilft die Digitalisierung jedoch, Recruiter von manuellen Prozessen zu entlasten, damit sie mehr Zeit für die Betreuung der Kandidatinnen und Kandidaten haben.