Konzernverantwortung betrifft auch HR
Die Konzerninitiative ist zwar gescheitert, Dennoch können Unternehmen nicht tun und lassen, was sie wollen – und sind zudem diversen Pflichten unterworfen.
Die Konzernverantwortungsinitiative ist gescheitert. Wenn gewisse Kriterien erfüllt sind, unterliegen Unternehmen in manchen Fällen, zum Beispiel bei Umweltbelangen, der Transparenzpflicht. (Bild: iStock)
Am 29. November 2020 scheiterte die Konzernverantwortungsinitiative (Eidgenössische Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Umwelt und Mensch») mit einem Anteil an Ja-Stimmen von 50,7 Prozent am Ständemehr. Im Vorfeld der Abstimmung hatte das Bundesparlament einen indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative ausgearbeitet. Dieser richtete sich grossmehrheitlich an internationalen Regelwerken aus.
Umgesetzt wurde der Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative in Form der neuen Art. 964a bis 964c OR sowie Art. 964j bis 964l OR. Die Bestimmungen übernahmen das Prinzip einer verbindlichen Sorgfaltsprüfung in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten sowie von Umweltstandards aus der Konzernverantwortungsinitiative.
Kommt das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan eines Unternehmens der korrekten und vollständigen Berichterstattungs-, Veröffentlichungs- sowie der Aufbewahrungspflicht vorsätzlich nicht nach, wird es mit einer Busse bis zu 100 000 Franken bestraft. Wer fahrlässig handelt, wird mit einer Busse bis zu 50 000 Franken bestraft.
Sorgfaltspflichten und Transparenz
Gemäss Art. 964j OR, der am 1. Januar 2022 in Kraft trat, treffen Unternehmen mit Sitz, Hauptsitz oder Hauptniederlassung in der Schweiz, die
- Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konfliktgebieten in die Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbeiten oder
- Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden,
grundsätzlich besondere Sorgfaltspflichten sowie eine Berichterstattungspflicht. Vorausgesetzt wird jedoch, dass eine vom Bundesrat festgelegte Mindesteinfuhrmenge überschritten wird. Im Weiteren legt dieser auch Voraussetzungen fest, bei deren Einhaltung kleine und mittlere Unternehmen von diesen Pflichten befreit werden. Überdies bestimmt der Bundesrat, unter welchen Voraussetzungen die Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten ausgenommen sind, die sich an ein international gleichwertiges Regelwerk halten, worunter insbesondere die Leitsätze der OECD fallen. Diese Vorschriften finden erstmals im Geschäftsjahr 2023 Anwendung.
Transparenz über nichtfinanzielle Belange
Ebenfalls am 1. Januar 2022 traten die Vorschriften zur «Transparenz über nichtfinanzielle Belange» in Kraft, die in Art. 964a ff. OR geregelt sind. Unter «nichtfinanziellen Belangen» sind
- Umweltbelange,
- Sozialbelange,
- Arbeitnehmerbelange,
- die Achtung von Menschenrechten sowie
- die Bekämpfung von Korruption zu verstehen.
Gemäss Art. 964a OR sind Unternehmen zur Berichterstattung verpflichtet, wenn sie in den persönlichen Anwendungsbereich der Bestimmung fallen, wobei der Kreis der Normadressaten anhand von drei Kriterien gezogen wird, die kumulativ erfüllt sein müssen:
- Es muss sich um eine Gesellschaft des öffentlichen Interesses handeln;
- Das Unternehmen muss zusammen mit den von ihm kontrollierten Unternehmen im In- und Ausland in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren mindestens 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt zählen
- Es muss eine Bilanzsumme von 20 Millionen Schweizer Franken oder ein Umsatzerlös von 40 Millionen Schweizer Franken während mindestens zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschritten werden.
Der Bericht über nichtfinanzielle Belange soll in qualitativer Hinsicht alle Angaben enthalten, die zum Verständnis
- des Geschäftsverlaufs
- des Geschäftsergebnisses
- der Lage des Unternehmens sowie
- der Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsbelange erforderlich sind.
Bei der Aktiengesellschaft bedarf der Bericht über nichtfinanzielle Belange der Genehmigung durch den Verwaltungsrat und die Generalversammlung. Der Verwaltungsrat muss sodann sicherstellen, dass der Bericht umgehend nach der Genehmigung elektronisch veröffentlicht wird und mindestens zehn Jahre zugänglich bleibt.
Konzernverantwortung in der EU
Ende Februar 2022 präsentierte die EU-Kommission einen Vorschlag für ein EU-weites Konzernverantwortungsgesetz (Richtlinienvorschlag). Der Vorschlag zielt insbesondere darauf ab, ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Unternehmen sollen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit verpflichtet werden, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte sowie auf die Umwelt zu ermitteln und erforderlichenfalls zu verhindern, abzustellen oder zu vermindern. Ziel ist, dass diese Vorschriften für die Unternehmen einerseits Rechtssicherheit und andererseits gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Zudem sollen auch die Regeln in der EU für mehr Transparenz sorgen.
Die Vorschriften gelten einerseits für Unternehmen mit Sitz in der EU, die (a) 500 Beschäftigte und einen Nettoumsatz von mindestens 150 Millionen Euro weltweit haben, oder (b) in bestimmten ressourcenintensiven Branchen tätig sind und nicht beide Schwellenwerte gemäss (a) erfüllen, aber mehr als 250 Beschäftigte haben und einen Nettoumsatz von mindestens 40 Millionen Euro weltweit erzielen. Die Vorschriften gelten aber auch für ausländische Unternehmen, die innerhalb der EU einen der vorgenannten Umsätze erwirtschaften. Es dürften somit etliche Schweizer Unternehmen erfasst werden.
Konkrete Pflichten
Nachfolgend sollen die wesentlichen Pflichten gemäss Richtlinienvorschlag der EU-Kommission dargelegt werden:
Die erfassten Unternehmen trifft die Pflicht zur Integration der Sorgfaltspflicht in ihre Unternehmenspolitik.
Tatsächliche und potenzielle nachteilige Umwelt- und Menschenrechtsauswirkungen sind zu ermitteln. Der Anhang des Richtlinienvorschlags listet die zu beachtenden Schutzgüter näher auf.
Potenziell nachteilige Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte müssen verhindert beziehungsweise – soweit das nicht möglich ist – zumindest abgeschwächt werden. Direkte Geschäftspartner haben sich vertraglich zu Verhaltenskodizes, Weitergabe an eigene Geschäftspartner und Plänen zu Präventionsmassnahmen zu verpflichten.
Tatsächliche nachteilige Auswirkungen müssen beendet beziehungsweise minimiert werden.
Gefordert wird zudem die Einrichtung eines die gesamte Wertschöpfungskette umfassenden Beschwerdeverfahrens. Zugang dazu müssen Betroffene oder Personen erhalten, die Grund zur Annahme der Betroffenheit haben. Zugang haben ebenfalls Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervertretende, die Personen vertreten, die in der betreffenden Wertschöpfungskette arbeiten, sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, die in den mit der betreffenden Wertschöpfungskette verbundenen Bereichen tätig sind.
- Unternehmen sind zur Kontrolle der Wirksamkeit ihrer Nachhaltigkeitspolitik und den dazugehörigen Massnahmen verpflichtet.
- Die Öffentlichkeit muss über die Wahrnehmung der Sorgfaltspflicht unterrichtet werden. Insbesondere gehört dazu eine jährlich zum 30. April erscheinende Veröffentlichung auf der Website des Unternehmens.
Auswirkungen
Die EU-Richtlinien sind noch nicht in Kraft. Es ist aber davon auszugehen, dass sie vom EU-Parlament durchgewunken und massiv verschärfte Pflichten mit sich bringen werden. Insbesondere die vorgesehenen Beschwerdemöglichkeiten von den Arbeitnehmenden und den Gewerkschaften werden dazu führen, dass auch HR-Fachpersonen nicht um die neuen Bestimmungen herumkommen.
Im Gegenteil, denn der Personalbereich steht bei dieser Richtlinie besonders im Fokus. Da negative Auswirkungen auf Menschenrechte wie Kinderarbeit und Ausbeutung von Arbeitnehmenden nun auch im Heimatstaat unterbunden werden müssen, dürften Personalabteilungen multinationaler Unternehmen stark gefordert sein.
Auch aufgrund der Tatsache, dass die Bestimmungen auch für Schweizer Unternehmen mit bestimmten Umsätzen in der EU gelten, dürfte sich HR vermehrt mit Beschwerden von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretenden konfrontiert sehen. Eine Nichtbeachtung der Vorschriften soll mit einer Busse sanktioniert werden.