Krisenerprobt
Markus Krienbühl durchlebt bei Ericsson eine Krise mit massivem Stellenabbau. Bei Wander arbeitet er unter dem Damoklesschwert des permanenten Kostendrucks. Heute möchte er als HR-Leiter von Rivella Sparring-Partner für den CEO sein, eine Brückenfunktion zum Business einnehmen – und kritisch hinsehen.
«Wir schraubten an den Löhnen, obwohl wir profitabel waren. Das geht einfach nicht.» – Markus Krienbühl, HR-Leiter, Rivella. (Bild: HR Today)
Rothrist, Bahnhof. Ein Kiosk, eine Raucher-Bar und ein paar Strassen. Viel mehr gibt es hier nicht. Kein Bus fährt ins Industriegebiet, wo Rivella ihren Hauptsitz hat. Wer mit den ÖV anreist, legt den letzten knappen Kilometer zu Fuss zurück.
«Der Standort ist kein Argument, bei uns zu arbeiten», gesteht Markus Krienbühl. Er ist seit fünf Jahren HR-Leiter bei Rivella und reist jeden Tag 45 Minuten mit dem Auto aus Bern an. Umso wichtiger sei es, die anderen Vorzüge der landesweit bekannten Getränkemarke als Arbeitgeberin zu unterstreichen. So ist Employer Branding auch einer der fünf strategischen Hauptschwerpunkte, auf denen das sechsköpfige HR-Team von Rivella arbeitet – neben Mitarbeiterengagement, Führung, Kultur und der eigenen «Fitness im HR».
Über Umwege ins HR
Krienbühl arbeitet seit über 25 Jahren im HR. Seine berufliche Laufbahn begann er allerdings mit einer Lehrerausbildung. «Nicht, weil ich Lehrer werden wollte», sagt er. Er habe eigentlich an der Uni Wirtschaft studieren wollen. «Ich habe allerdings die Aufnahmeprüfung ans Gymi nicht geschafft und mich deshalb für die Primarlehrerausbildung entschieden.»
Den Sprung in die Wirtschaft schafft er nach einer Zusatzausbildung zum Sekundarlehrer dank eines Trainee-Programms bei der Schweizerischen Volksbank. Nach einer Station in der Personalentwicklung habe sich rückblickend ein Kreis geschlossen: «Erst dort habe ich gemerkt, dass es so etwas wie HR gibt», erzählt Krienbühl.
Innerhalb der Volksbank wechselt er drei Jahre später ins HR und wird Bereichspersonalleiter. «Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, einen Bereich gefunden zu haben, der mir entspricht. Ich habe lange nicht gewusst, was ich will. Ich hatte so viele Interessen und brauchte etwas Zeit, um zu verstehen, wo meine Passion liegt und wo nicht.» Sechs Jahre verbringt er insgesamt bei der Volksbank, bevor er zur Swatch Group wechselt, wo er vier Jahre lang als HR-Leiter von Omega arbeitet.
Ob er sich für die HR-Rolle begeistern könne, habe viel damit zu tun, welchen Stellenwert ein Unternehmen dem HR einräume. So richtig bewusst geworden sei ihm das, als er von der Swatch Group zu Ericsson Schweiz wechselte. Die Firma mit Mutterhaus in Skandinavien habe ihm ein neues Verständnis von HR gezeigt. «Man ging ganz anders um mit den Leuten. Ich merkte, dass Wertschätzung dort nicht nur eine leere Worthülse war. Bei Ericsson wurden die Mitarbeitenden als wichtige Ressource betrachtet, in die man investieren wollte. Man schaute zueinander und sorgte dafür, dass sich die Leute im Unternehmen weiterentwickeln können.» Diese Werte habe er dort umsetzen und mitprägen können. «Bis der Moment kam, wo es der Firma sehr, sehr schlecht ging.»
Überleben sichern bei Ericsson
Wie schnell sich der Wind drehen kann, wenn es wirtschaftlich eng wird, erlebt Krienbühl, kurz nachdem im Jahr 2000 die Dotcom-Blase platzte und Ericsson 2001 tief in die roten Zahlen rutschte. «Nun ging es darum, das nackte Überleben des Unternehmens zu sichern. Die People-Agenda mussten wir zurückstellen.» Damals habe Ericsson global rund 160 000 Mitarbeitende gehabt, in der Schweiz 550. «Wir mussten weltweit über 60 Prozent des Personals abbauen, auch in der Schweiz», so Krienbühl. «Ich habe nicht mehr gut geschlafen.»
Eine Situation sei ihm besonders in Erinnerung geblieben: «Wir haben eine Mitarbeiter-Info organisiert, wo wir die Belegschaft über den Abbau informieren wollten. Und plötzlich stehen die Gewerkschaften da und verteilen Flugblätter. Scheibenkleister.» Gemeinsam mit dem CEO führt Krienbühl die Mitarbeiterinformation dennoch durch. «Ich stand mit abgesägten Hosen da», erinnert sich Krienbühl. «Auf die Gewerkschaften waren wir nicht vorbereitet. Ich habe versucht, so authentisch wie möglich zu sein und zu vermitteln, dass wir die Bedingungen des Abbaus mit den Gewerkschaften zusammen aufgleisen wollen, um einigermassen faire Lösungen zu finden.»
Das sei auch ihm persönlich wichtig gewesen. «In solchen Momenten merkt man, wie ernst es ein Unternehmen meint mit seinen Werten. Auch wenn der Entscheid dramatisch war, wollte ich ihn professionell lösen.» Die Rahmenbedingungen dafür galt es von null auf aufzugleisen. «Wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt keinen Sozialplan, nichts. Wir hatten ein internationales Management, das nicht wusste, worauf man in der Schweiz achten muss. Deshalb lag ein grosser Teil der Verantwortung bei mir.» Irgendwie sei es dann schliesslich gegangen. «Ich habe externe Hilfe gesucht von Leuten, die Erfahrung damit haben, solche Prozesse zu begleiten. Aber es war eine der schwierigsten Situationen, die ich in 25 Jahren HR erlebt habe.»
Krienbühl steht die Krise durch und setzt die Restrukturierung bis zum Ende um. Danach folgen jedoch weitere Reorganisationen und auch die Philosophie des Unternehmens sowie Krienbühls eigene Rolle ändern sich. «Für mich stimmte das nicht mehr und mir war klar, dass die Zeit gekommen war, etwas anderes zu machen.»
«Mission Impossible» bei Wander
2003 bewirbt sich Markus Krienbühl beim Nahrungsmittelproduzent Wander auf die damals ausgeschriebene Stelle als HR-Leiter. «So landete ich bei Ovomaltine», sagt Krienbühl schmunzelnd. Es war zu dem Zeitpunkt, als Novartis das Geschäft gerade an den britischen Gemischtwarenkonzern Associated British Foods verkauft hatte. Für Wander und für Krienbühl ein neues Kapitel. «Aus HR-Sicht gab es viel aufzubauen», denn das HR sei nicht mitverkauft worden. «Es war ein bisschen Start-up-Feeling bei einem Unternehmen mit langer Tradition. Das war sehr spannend.»
Allerdings sei das nur die eine Seite der Geschichte. «Die andere Seite war der permanente Kostendruck vom Konzern. Wander kam aus dem Pharma-Umfeld, wo bekanntlich gute Bedingungen herrschen.» Eine neue Kostenstruktur musste her, um den Standort Schweiz im internationalen Vergleich kompetitiv halten zu können, was auch hier wieder harte Verhandlungen mit den Gewerkschaften zur Folge hatte. «Wir zahlten im Schweizer Branchenvergleich viel zu hohe Löhne und mussten versuchen, diese auf ein anderes Level zu bringen. Aber so, dass die Leute uns nicht davonlaufen und wir weiterhin in der Schweiz produzieren können.»
Das sei ein Spagat gewesen. Das Hauptproblem: «Wir schraubten an den Löhnen, obwohl wir profitabel waren. Das geht einfach nicht. Und gleichzeitig hing da ständig ein Damoklesschwert über uns, weil uns der Konzern zu verstehen gab: Wenn ihr den Profit nicht abliefert, holen wir ihn an einem anderen Ort.» Zunehmend habe Krienbühl Schwierigkeiten bekommen, diese «Mission Impossible» mit seinen eigenen Werten zu vereinbaren.
Den Ausschlag zum Wechsel gibt 2013 ein Anruf von Rivella-CEO Erland Brügger, der ihm den HR-Leiter-Posten anbietet. «Mit ihm habe ich schon bei Wander zusammengearbeitet und ich wusste: Das wird funktionieren. So bin ich bei Rivella gelandet.» Auch bei Rivella seien Kosten selbstverständlich ein Thema. «Aber es gibt hier andere Werte.»
Unternehmenskultur entscheidet
Genau diese Werte von Rivella möchte Krienbühl noch sichtbarer machen. «Das fängt innen an», sagt er. HR habe deshalb zusammen mit Kollegen aus der Linie die Unternehmenswerte überarbeitet. «Entscheidend ist aber, dass wir nicht nur über Werte reden oder sie in Hochglanzbroschüren drucken, sondern sie zum Leben erwecken und in unserem Alltag einbringen.» Auch die Führungspersonen würden dabei eine entscheidende Rolle spielen: «Wir müssen die Führung in diesen Prozess einbeziehen. Früher hat man an vielen Orten hierarchischer funktioniert, heute ist es ein Miteinander. Und trotzdem braucht es jemanden, der das Spielfeld absteckt und die Rahmenbedingungen gestaltet.»
Die «Kulturagenda» werde zunehmend bestimmen, wie sich Unternehmen entwickeln würden, sagt Krienbühl. «In Zukunft werden die Arbeitnehmer entscheiden können, wo sie arbeiten. Das Zwischenmenschliche gibt immer mehr den Ausschlag, ob es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer funktioniert oder nicht. Und wenn es nicht funktioniert, dann gehen die Leute.» Rivella habe in den vergangenen 65 Jahren ein gutes Fundament geschaffen, auf dem man heute aufbauen könne. «Auf diesem Erfolg ausruhen dürfen wir uns aber nicht. Wir müssen uns weiterentwickeln, um auch für die Zukunft fit zu sein.»
Etwas, womit Krienbühl noch unzufrieden ist: Der Frauenanteil sei bei den Kaderstellen sehr tief. In der achtköpfigen Geschäftsleitung ist keine einzige Frau vertreten. «Das hat sicher auch damit zu tun, dass viele Frauen nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen, die Kaderrollen aber tendenziell Vollzeitstellen sind», erklärt Krienbühl. Lösungen, Frauen ins Kader einzubringen, gibt es noch keine: «Das liegt sicher auch daran, dass wir noch nicht bewusst am Gender-Thema arbeiten. Momentan liegen unsere Schwerpunkte auf anderen Themen.» In seinem eigenen Team scheint Krienbühl das Thema Teilzeit aber erfolgreich umzusetzen: Alle seine HR-Kolleginnen arbeiten zwischen 60 und 80 Prozent.
Markus Krienbühl im Video-Porträt
HR neu positionieren
Seit Markus Krienbühl bei Rivella ist, arbeitet er daran, HR neu zu positionieren. «Früher lag der Fokus mehr auf dem Personaldienst, der sicherstellen sollte, dass man rekrutiert und die Prozesse im Griff hat. Ich will das nicht werten, aber die Haltung ist heute bewusst eine andere.» Heute laute die Haltung: «Wir brauchen ein HR, weil es uns hilft, die strategische Agenda zu gestalten und weil es gegenüber der Linie eine Sparrinspartnerrolle übernimmt.» Heute habe das Rivella-HR auch mehr Ressourcen zur Verfügung als noch vor fünf Jahren, erklärt Krienbühl. «Diese Ressourcen spielen wir eher auf strategischer Ebene, als das in der Vergangenheit gewünscht war.»
Markus Krienbühl ist Teil der Geschäftsleitung und rapportiert direkt an CEO Erland Brügger. Durch seinen Einsitz in der Geschäftsleitung könne er personellen Themen Gewicht verleihen. Krienbühl sieht sich auch als Sparringpartner des CEO. «Ich kann mit ihm über Themen reden, wo er sonst vielleicht niemanden hat, um sich auszutauschen. Hier kann ich eine Rolle spielen, gerade, weil ich nicht teil vom Business im eigentlichen Sinne bin.» Vielmehr habe er eine stützende Rolle und Brückenfunktion inne zwischen Management und Business. – «Aber ich muss auch kritisch hinsehen.»
Manchmal zu viele Ideen
Seine Stärken seien das Vertrauen, das er in seine Leute habe, seine Zuversicht und sein positives Denken. «Ich habe viele Ideen – manchmal ein bisschen zu viele. Wenn der Enthusiasmus wieder einmal mit mir durchgeht, bin ich manchmal etwas zu euphorisch und unstrukturiert, weil ich gerne alles auf einmal umsetzen würde.»
Seine Freizeit verbringt Krienbühl gerne mit seiner Familie – und mit Sport: 15 Jahre lang hat er wettkampfmässig Tischtennis gespielt, viermal pro Woche trainiert. Heute gehe es ihm in erster Linie um die Bewegung, um auch körperlich fit zu bleiben: «Ich bike, fahre Rennrad, jogge, mache Langlauf, gehe windsurfen.»
Seine Kinder möchte er darin bestärken, das zu tun, wofür sie sich begeistern. «Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass irgendwo eine Türe aufgehen kann», sagt er. «Ob sie aufgeht oder nicht? Ich weiss es nicht! Aber diese Ungewissheit ist ein Teil davon. Auch bei mir ist vieles einfach entstanden, was gar nicht bewusst gesteuert war.»
Wie er also hierher gekommen sei, wo er heute ist? «Das frage ich mich manchmal auch», sagt Krienbühl. «Ich glaube nicht unbedingt, weil ich Sachen besser mache als andere. Ich glaube, es braucht Engagement, es braucht Herzblut – und dann braucht es auch einfach Glück.»
Zur Person
Markus Krienbühl (57) wächst in Bern auf. Sein Vater arbeitet beim Bund im Militärdepartement, wechselt später in die Immobilienbranche, wo er sich selbständig macht und auch heute noch über 80-jährig arbeitet. Seine Mutter hat eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich, kümmert sich in den ersten Jahren zu Hause um die Kinder und arbeitet danach in der Immobilienfirma des Vaters.
Markus Krienbühl macht von 1978 bis 1983 eine Lehrerausbildung am Staatlichen Lehrerseminar Bern und absolviert danach von 1983 bis 1987 an der Universität Bern die Zusatzausbildung zum Sekundarlehrer.
1988 beginnt er ein Trainee-Programm bei der Schweizerischen Volksbank (seit 1993 Teil der Credit Suisse), wo er in der Personalentwicklung arbeitet und später zum Bereichspersonalleiter aufsteigt.
1996 wechselt er als HR-Leiter von Omega zur Swatch Group. Ab dem Jahr 2000 arbeitet er bei der Ericsson Schweiz AG als Director Human Resources. Ab 2003 ist er Leiter Human Resources der Wander AG, die er Ende 2012 verlässt, um bei Rivella die Stelle als Leiter Human Resources anzutreten. Seine Freizeit verbringt Krienbühl gerne mit seiner Familie, mit Sport und Reisen.
Rivella
Die Rivella AG ist eine schweizerische Getränkeherstellerin mit Sitz in Rothrist (AG). Das Unternehmen wurde 1952 vom Rivella-Erfinder Robert Barth gegründet. Es beschäftigt aktuell rund 300 Mitarbeitende.