Mehr Wertschätzung für Betreuende
Das Parlament hat für betreuende und pflegende Angehörige verschiedene Verbesserungen eingeführt. Dazu gehört auch der Betreuungsurlaub.
Illustration: Jonas Raeber.
Eltern schwer erkrankter oder verunfallter minderjähriger Kinder können ihre Erwerbstätigkeit innert einer Frist von 18 Monaten unterbrechen und während maximal 98 Tagen einen Kinderbetreuungsurlaub beziehen. Während dieser Zeit haben sie auch Anspruch auf Erwerbsersatzleistungen.
Eckwerte dieser neuen Sozialversicherungsleistung, die per 1. Juli 2021 ins Bundesgesetz über den Erwerbsersatz (EOG) aufgenommen wurden:
Das Kind muss gesundheitlich schwer beeinträchtigt sein, damit Anspruch auf einen Betreuungsurlaub entsteht. Folgenden Bedingungen müssen kumulativ erfüllt sein:
- Es muss eine einschneidende Veränderung des Gesundheitszustands eingetreten sein. In erster Linie ist diese Betreuungsentschädigung zwar für akute Krankheitssituationen gedacht, eine einschneidende Veränderung kann aber auch bei einem chronisch kranken Kind auftreten, wenn sich dessen Zustand stark verschlechtert.
- Der Verlauf oder der Ausgang dieser Veränderung ist schwer vorhersehbar oder es ist mit gravierenden Folgen zu rechnen wie einer bleibenden Beeinträchtigung oder dem Tod. Es muss sich zudem um einen Verlauf handeln, der sich über eine längere Dauer hinzieht. Eine zu erreichende Mindestdauer gibt es allerdings nicht.
Die vom Gesetzgeber gewählten Formulierungen lassen viel Interpretationsspielraum. Etwa bei der Abgrenzung von mittelschweren und schweren Beeinträchtigungen. Als lediglich mittelschwer gelten demnach gesundheitliche Probleme, die Spitalaufenthalte oder regelmässige Arztbesuche erforderlich machen und den Alltag erschweren, die aber kontrollierbar sind und bei denen mit einer Genesung gerechnet werden darf. Als Beispiele nennt der Bundesrat Knochenbrüche, Diabetes und Lungenentzündungen. Im Vordergrund steht also der voraussichtliche Ausgang der gesundheitlichen Beeinträchtigung. Ein Anspruch auf diesen Urlaub besteht nur, wenn die Gesundheitsprognose ungünstig ist oder sich keine machen lässt.
Zusätzlicher, zeitintensiver Betreuungsbedarf
Weiter wird verlangt, dass die vorstehend beschriebene einschneidende Veränderung des Gesundheitszustandes einen zusätzlichen Bedarf an Betreuung durch die Eltern auslöst. Der Begriff Betreuung ist dabei weit auszulegen. So ist ein schwer krankes Kind unter Umständen nicht dauernd auf diese angewiesen. Es kann auch Phasen geben, während denen es den Alltag selbständig meistert und sich die Betreuung auf das eigentliche Beistehen, beispielsweise bei Arztbesuchen oder Besprechungen, beschränkt. Das Ausmass der erforderlichen Betreuung ist nicht nur von der Schwere und Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung, sondern auch vom Alter des Kindes und von der Familiensituation abhängig. Die Betreuung muss so zeitintensiv sein, dass mindestens ein Elternteil seine Erwerbstätigkeit unterbrechen muss.
Praktische Umsetzung
Wenn es nach dem Willen des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) geht, werden die beschriebenen Hürden in der Praxis wohl nicht ganz so hoch sein, wie mit Blick auf die beschriebenen Bezugsvoraussetzungen zu befürchten ist. Gemäss Kreisschreiben über die Betreuungsentschädigung (KS BUE) ist lediglich ein ärztliches Attest erforderlich, mit dem bestätigt wird, dass die beschriebenen Bedingungen erfüllt sind. Dieses ist Teil des Anmeldeformulars. Eine Überprüfung durch die für das Bearbeiten der Gesuche zuständigen Ausgleichskassen ist hingegen nicht vorgesehen.
Dauer des Anspruchs
Am Tag, an dem das erste Taggeld ausgerichtet wird, beginnt eine Frist von 18 Monaten. Innerhalb dieses Zeitraums kann die Betreuungsentschädigung beansprucht werden. Der Anspruch endet, wenn 98 Taggelder bezogen sind, spätestens aber mit Ablauf dieser Frist. Die maximale Anzahl Taggelder gilt für beide Elternteile zusammen. Sie können untereinander frei vereinbaren, wie sie diese aufteilen wollen. Kommt keine Einigung zustande, haben beide Elternteile Anspruch auf je höchstens 49 Taggelder. Die Taggelder können einzeln oder am Stück bezogen werden. Nach jeweils 5 Taggeldern werden zusätzlich 2 Taggelder ausgerichtet. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die EO-Entschädigung in Prozenten des auf einen Kalendertag heruntergebrochenen Lohns berechnet wird.
Höhe der Entschädigung
Die Entschädigung beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Einkommens, das vor Beginn des Betreuungsurlaubs erzielt wurde. Pro Tag werden höchstens 196 Franken vergütet. Somit sind Löhne bis 7350 Franken pro Monat voll versichert.