Antoinette Weibel
Yahoo hat sie gerade eingeführt, Microsoft schafft sie ab und ob die neue HR-Chefin der UBS dem «Du musst schlecht von gut trennen» weiterhin die Stange hält, ist unklar. Begründet werden Mitarbeiterbeurteilungen nach Normalverteilung, dem sogenannten «Forced Ranking», meist damit, dass Vorgesetzte eine Tendenz zur Nachsicht und zur Mitte haben und somit eher gute als schlechte Noten verteilen. Forced Rankings sollen das ausbügeln: Man wird dazu verdonnert, auch schlechte Bewertungen zu vergeben.
Die Liste der Gründe, die gegen Forced Rankings sprechen, ist allerdings weitaus länger und wiegt schwerer. Erstens lassen sich Beurteilungsfehler auch dadurch beheben, dass man Manager für diese sogenannten Entscheidungsanomalien sensibilisiert. Gleichzeitig verschlimmern sie die Folgen des Halo- und Ähnlichkeiteffektes: Wir tendieren dazu, erste Beobachtungen zu stark zu gewichten und schätzen Mitarbeiter, die uns ähnlich sind, als bessere Leistungserbringer ein. Somit dürfte klar sein, wer eher in der 10%-Überfliegerkategorie landet und dass eine solche Einschätzung zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden kann.
Zweitens basieren Forced Rankings auf einer statistischen Fehlannahme. Forced Rankings folgen der Normalverteilung, einer symmetrischen Glockenverteilung. Diese Normalverteilung gilt vor allem für zufällig gezogene Merkmale, die voneinander unabhängig sind. In einem gut geführten Unternehmen haben wir es hoffentlich nicht mit zufällig gezogenen Merkmalen zu tun. Professionelle Personalselektion und gute Führung bedeuten, dass positive Leistungsträger in überproportional hohem Ausmass vorhanden sein sollten. Zudem führt die meist durchaus gewollte Zusammenarbeit in der Abteilung dazu, dass die Leistung eines Mitarbeiters selten unabhängig ist von der Leistung seiner Kollegen.
Drittens stiften Forced Rankings viel Unruhe, weil sie soziale Vergleichsprozesse anstossen. Wer bekommt das grössere «Rüebli»? Wieso? Und ist das gerecht? Nicht selten verändern sich das Kündigungsverhalten und die Einstellungen jener Mitarbeiter, die es knapp nicht in die Bestenkategorie geschafft haben. Eine Studie des amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Todd Zenger zeigt, dass die Fluktuation in dieser Kategorie der Zweitbesten besonders gross ist. Das ist ärgerlich, weil man diese zukünftigen Talente unbedingt halten sollte. Besonders wütend und verletzt reagieren Mitarbeiter, die in der Verliererkategorie landen.
Studien zeigen, dass diese Mitarbeiter ein Ventil für ihren Frust suchen und häufig aktiv gegen die Interessen des Unternehmens arbeiten. Schliesslich fördern Forced Rankings Neid – eine stark negative Emotion, welche die Zusammenarbeit im Team torpediert und langfristig die Teamatmosphäre vergiftet. Warum also halten einige Unternehmen an diesem Instrument fest? Meine Vermutung: Forced Rankings sind oberflächlich betrachtet ein kostengünstiges Instrument, um Führungsschwächen zu kompensieren. Nachhaltiger und langfristig kostengünstiger wäre allerdings ein Leistungsmanagement, das auf Stärkenförderung und Coaching aller Mitarbeitenden setzt.