«Perfektionismus ist eher hinderlich»
Managerinnen und Manager beraten afrikanische Unternehmende im Auftrag des Non-Profit-Unternehmens Manager ohne Grenzen und tragen dazu bei, Arbeitsplätze sowie Einkommen in Afrika zu schaffen. Ein Gespräch mit Gründerin Helene Prölss und Projektmitarbeiterin Britta Camen.
Fotos: zVg.
Sie sind Gründerin der Organisation Manager ohne Grenzen, einem sozialen Unternehmen, das die Armut in Afrika reduzieren will. Hierfür vermitteln Sie Managerinnen und Manager an afrikanische Unternehmerinnen und Unternehmer. Wie geht dieser Prozess vonstatten?
Helene Prölss: Wir ermitteln zunächst den Hilfsbedarf eines Firmeninhabers, analysieren dessen Problem und bestimmen, welche Managerin oder welcher Manager am besten Hand bieten kann. Manager ohne Grenzen versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe, indem ausgewiesene Fachkräfte afrikanische Unternehmende beim Auf- und Ausbau ihrer Firmen beraten und dadurch zur Entwicklung des Kontinents beitragen. Wir beraten online vom heimischen Schreibtisch aus sowie vor Ort und pflegen einen respektvollen Umgang miteinander. Es geht keinesfalls darum, dass wir als Weisse sagen, was afrikanische Unternehmer tun müssen.
Wer für Manager ohne Grenzen beraten will, muss sich bewerben. Was tun Sie, um auf Ihre Organisation aufmerksam zu machen?
Prölss: Viele finden über unser Netzwerk, durch die Medien oder über Mund-zu-Mund-Propaganda zu uns. Wer sich engagieren will, muss sich zunächst bewerben und vorstellen. Mit Menschen in Low-Income-Ländern zusammenzuarbeiten, ist anders, als sich eine Zusammenarbeit in wirtschaftlich starken Ländern gestaltet. Deshalb schicken wir unsere Aspirantinnen und Aspiranten in einen dreiteiligen Kurs. In diesem setzen sie sich damit auseinander, was moderne Entwicklungshilfe bedeutet, wie sich die afrikanische Kultur von der westlichen unterscheidet und was es bedeutet, mit Partnern in Armutsgebieten zu kooperieren.
Frau Camen, Sie haben während einer beruflichen Auszeit an einem der Projekte von Manager ohne Grenzen mitgewirkt. Weshalb?
Britta Camen: Ich befand mich gerade in einer Orientierungsphase zwischen zwei Jobs und wollte die Zeit nutzen, mich gesellschaftlich zu engagieren. Dafür wollte ich meine Erfahrungen nutzen, die ich während zweieinhalb Jahren in Südafrika als Marketing Director in einem internationalen Konzern und während eines halbjährigen Auslandsaufenthalts in Senegal gesammelt hatte. Der Grundanspruch, mit Menschen aus der Geschäftswelt Armut zu bekämpfen und lokale Start-ups und KMU zu fördern, hat mir gefallen, weil dadurch Arbeitsplätze entstehen sowie Absatzmärkte für Produkte. Das generiert Einkommen für viele Familien. Das Schöne ist, dass ich auch aus der Ferne mit Onlineberatungen dazu beitragen kann, dass sich die Lebensbedingungen einer Gemeinschaft verbessern.
Wie kam das Projekt zustande und was beinhaltete es?
Camen: Den Anstoss gab der Chief einer Dorfgemeinschaft, der die Lebensbedingungen seiner Gemeinschaft verbessern wollte. Bevor wir in Sambia tätig wurden, gab es schon ein Projekt, das in einem 120-seitigen Dokument mündete. Viel davon wurde aber nicht umgesetzt. Durch eine Anfrage des Dorfchefs an Manager ohne Grenzen kam ich zum Projekt. Über unsere Whatsapp-Gespräche wurde bald klar, dass die Eigenversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten nebst der Gesundheit und Bildung oberste Priorität geniesst. Aufgrund dieser Erkenntnisse erstellten wir einen Businessplan, um die Versorgungssicherheit zu steigern, den Handel zu fördern und damit Einkommen zu generieren.
Ich beteiligte mich im Landwirtschaftsbereich und half beim Aufbau einer zwei Hektar grossen Demo-Farm für Lern- und Trainingszwecke. Mittlerweile wird dort mit diversifizierten Anbauprogrammen experimentiert, um die Ernährung auch in schlechten Erntejahren sicherzustellen. Beispielsweise, indem zeitgleich Mais, Sojabohnen und Sonnenblumen angebaut und auf natürliche Art gedüngt werden. Im Dezember 2020 wurden erste Setzlinge gepflanzt, bis Juni 2021 erstellten wir einen Businessplan. Nun geht es darum, die Geschäftsbeziehungen zwischen den Dorfbewohnern und den Verarbeitern voranzutreiben.
Was waren besondere Herausforderungen?
Camen: In einem Konzern hat man alle möglichen Werkzeuge wie Excel oder Projektmanagement-Software. Im Chiefdom gab es dagegen nicht mal einen funktionierenden Laptop. Um miteinander zu kommunizieren, mussten wir einen anderen Weg finden. Weil die Menschen im Dorf Handys besitzen, schalteten wir die Kamera über Whatsapp an, so konnten wir trotzdem Präsentationen abhalten. Auch mit Businessmodellen konnten die Menschen vor Ort nichts anfangen. Deshalb habe ich diese vereinfacht und mich bemüht, mich klar und deutlich auszudrücken. Etwa, indem ich den Chief fragte, wie er seine Farm organisieren und die Produkte vor Ort verkaufen möchte. Plötzlich sprudelten die Ideen. Mit der Beantwortung jeder Frage hat sich ein Puzzlestück an das andere gefügt. Dieses Vorgehen hat mich darin bestätigt, dass man mit Flexibilität und Beharrlichkeit viel erreicht. Perfektionismus ist in einem solchen Umfeld eher hinderlich. Alles in Excel-Sheets und Projektmanagement-Tools festzuhalten, funktioniert nicht.
Wie hoch war der Zeitaufwand?
Camen: Die ersten beiden Monate arbeitete ich unentgeltlich fast Vollzeit am Projekt. Manchmal wählte ich mich sogar am Wochenende per Whatsapp ein. Als wir dabei waren, die Businesspläne zu erstellen, wurde mein Zeitaufwand geringer. Während dieser Phase arbeitete ich etwa zwei Tage pro Woche für Manager ohne Grenzen.
Woran werden Sie sich noch lange erinnern?
Camen: Dass man solche Projekte virtuell vorantreiben kann und trotz aller Einschränkungen Wege findet, um diese zu bewerkstelligen, auch wenn man nicht persönlich vor Ort ist. Beeindruckt hat mich auch die Haltung des Chiefs, der im Dorf wie eine königliche Hoheit angesprochen wird und in einem Palast wohnt – einer grösseren Rundhütte. Das hat zwar wenig mit königlichen Verhältnissen in Europa zu tun, ein Chief wird aber als Respektsperson betrachtet, die man um eine Audienz bittet. Er bestimmt auch, was in der Gemeinschaft geschieht. Ohne seinen roten Stempel und seine Unterschrift haben Dokumente keine Gültigkeit. Diese kulturellen Gegebenheiten muss man erst verstehen und respektieren. Das funktioniert erstaunlicherweise sogar online. Nimmt man diese Unterschiede nicht wahr, kann man viel kaputt machen, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Manager ohne Grenzen
Die Stiftung ist ein gemeinnütziges Unternehmen, das von Helene Prölss gegründet wurde. Die Organisation vermittelt Managerinnen und Manager an Unternehmern in Armutsgebieten, um durch Beratungen und Coachings mittelständische Unternehmen in diesen Gebieten auf- und auszubauen. Dafür spenden Managerinnen und Manager Zeit und Wirtschaftswissen. Um Führungskräfte auf ihren Einsatz vorzubereiten, absolvieren diese einen dreiteiligen Kurs. Gefragt sind Fachkräfte aus allen Bereichen: etwa Marketing, Personal, Finanzen und Organisationsentwicklung. managerohnegrenzen.de