HR Today Nr. 11/2021: Fokus Forschung

Plädoyer für den konstruktiven Umgang mit Paradoxien

Zielkonflikte stellen HR-Verantwortliche vor Herausforderungen. Die Paradoxie-Forschung zeigt, welche Kompetenzen es braucht, damit aus Widersprüchlichkeiten Vorteile für das Unternehmen entstehen und wie die Rolle von HR-Verantwortlichen gestärkt werden kann.

Nicht nur der demografische Wandel, pandemische Zeiten und technologische Entwicklungen fordern das Personalmanagement. Der Organisationsalltag von HR-Verantwortlichen ist gespickt mit Zielkonflikten und Widersprüchlichkeiten: Doch wie können Stabilität und Flexibilität von Arbeitsabläufen dennoch gewährleistet und Innovation sowie Effizienz in der Aufgabengestaltung sichergestellt werden? Diesbezüglich befinden sich HR-Verantwortliche oft in einem Dilemma.

Zielkonflikte und Paradoxien sind für HR-Verantwortliche sowie Führungskräfte kognitiv und mitunter emotional herausfordernd. Gemäss aktueller Forschung ist ein angemessener Umgang mit Paradoxien für Unternehmen jedoch erfolgsentscheidend. Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit HR-Verantwortliche Vorgesetzte im Umgang mit Paradoxien unterstützen können, untersuchte das Center für Human Resource Management der Universität Luzern.

Für ein «Sowohl als auch»

Mit Widersprüchlichkeiten konfrontiert, reagieren viele Menschen ausweichend. Entweder ignorieren sie die Spannungen oder befassen sich nur mit einer Seite des Problems. Infolgedessen wird ein Ziel typischerweise in einer bestimmten Organisationseinheit angesiedelt und weitere Ziele werden auf andere Organisationseinheiten oder Abteilungen verteilt. Dabei handelt es sich um defensive Problem­lösungsansätze, die kurzfristig erfolgreich sein können. Wie neuere Forschung zeigt, sind solche Ansätze langfristig aber dysfunktional, weil so die Fähigkeit von Organisationen beeinträchtigt wird, Nutzen aus der Perspektivenvielfalt zu ziehen. Organisatorischer Erfolg setzt jedoch die Fähigkeit voraus, die Vielfalt von Perspektiven anzuerkennen. Eine aktive «Sowohl als auch»-Problemlösungsstrategie beinhaltet die Akzeptanz von Widersprüchlichkeiten und einen konstruktiven Umgang damit.

Paradoxes Denken und unterstützende Akteure

Die dafür benötigten Kompetenzen sind für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Fähigkeit, paradox zu denken. Das heisst, sich überhaupt auf unterschiedliche und gegensätzliche Ideen und Gedanken einzulassen. Essenziell dafür sind die Verlangsamung von Denk- und Entscheidungsprozessen sowie ein Perspektivenwechsel, bei dem der Einsatz von Humor hilfreich sein kann. Kritisches Nachfragen, Hinterfragen von Selbstverständlichkeiten und die Berücksichtigung von Emotionen können dysfunktionale Dynamiken im Umgang mit Widersprüchlichkeiten brechen.

HR-Verantwortliche sind gemäss verschiedenen Studien aufgrund ihrer Erfahrungen «zwischen den Stühlen» im Umgang mit Paradoxien gut gewappnet. Der Ausbau entsprechender Kompetenzen könne dazu führen, dass HR-Expertinnen und -Experten die Fähigkeit, paradox zu denken, im Betrieb fördern, indem sie die Linie und das Top-Management beim Umgang damit unterstützen. Eine zentrale Voraussetzung dafür sei der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen mit Entscheidungstragenden, sodass eine ehrliche Auseinandersetzung mit Widersprüchlichkeiten etabliert werde. Fordern HR-Verantwortliche das Management in dieser Weise heraus und helfen, Widersprüchlichkeiten als Chance zu erkennen, wird das von der Linie und vom Top-Management gleichermassen geschätzt und künftig sogar erwartet. Der konstruktive Umgang mit Paradoxien birgt viel Potenzial für Unternehmen, aber auch für HR-Verantwortliche und die Stärkung ihrer unternehmenskritischen Rolle.

Weiterführende Informationen

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Mehr Informationen zur Studie: «It takes a fool to remain sane: Integrating the court jester figure within the HR Professional Role» gibt's hier bit.ly/Hofnarren_und_Personalfachleute oder per QR-Code.

 

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Anna Sender

Dr. Anna Sender ist Dozentin und Forscherin an der Hochschule Luzern und Universität Luzern. Sie leitet das Projekt «Talent Recipe», das sich mit der Talent-Identifikation und -Kommunikation befasst. Sie ist zudem Vorstandsmitglied der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement (ZGP).

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Dr. Hannah Mormann ist Oberassistentin im Schwerpunkt Organisation am Soziologischen Seminar der Universität Luzern. Sie forscht zu Themen der Nachhaltigkeit und Chancengleichheit und ihrer Umsetzung.

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