HR in KMU

Psychologisches Eigentum – das Gefühl zählt!

Speziell in KMU und Familienunternehmen ist es von zentraler Bedeutung, das Mitunternehmertum der Mitarbeitenden zu fördern. Dies ist jedoch leichter gesagt als 
getan. Bestehende Ansätze weisen grosse Schwächen auf. 
Das Konzept des psychologischen (gefühlten) Eigentums stellt hier eine viel versprechende Alternative dar.

Ein wesentlicher Faktor für den langfristigen Erfolg von KMU und Familienunternehmen ist das Mitunternehmertum der Mitarbeitenden. Unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeitende tragen nachweislich zu einer besseren Unternehmensperformance bei.

Wie können Unternehmer nun Mitunternehmertum fördern? Hier mögen Aktienbeteiligungssysteme und finanzielle Anreizsysteme als logische Ansätze erscheinen. Aktuellste Untersuchungen zeigen jedoch: Diese Systeme weisen zentrale Schwächen auf.

Eigentümer ohne formellen Firmenbesitz

Beteiligungssysteme verwässern Eigentums- und Kontrollrechte, was vor allem für Unternehmerfamilien ein grosses Problem darstellt, da diese das Unternehmen meist langfris-tig uneingeschränkt kontrollieren wollen. Ausserdem können Schwierigkeiten beim Austritt oder bei ungenügender Performance von Mitarbeitenden auftreten. Darüber hinaus ist die Bewertung von Eigentumsanteilen bei nicht börsenkotierten Unternehmen sehr schwierig und schwer vermittelbar. Nicht zu vernachlässigen sind finanzielle Belastungen durch Dividendenzahlungen. Und: Der tatsächliche Effekt von Beteiligungssystemen auf Mitunternehmertum ist in der Wissenschaft umstritten.

Auch finanzielle Anreizsysteme sind mit Nachteilen verbunden. So wird hier vor allem die extrinsische Motivation gefördert. Mitunternehmertum ist daher nur ein Mittel zum Zweck, welcher im Grunde darin besteht, mehr Geld zu -bekommen. Fallstudien des Center for Family Business der Universität St. Gallen (CFB-HSG) zeigen, dass dies keinen -besonders nachhaltigen Ansatz darstellt. Mehrere befragte Unternehmer und Unternehmerinnen stellten fest, dass sich «Geld als Anreiz abnutzt». Darüber hinaus sind rein durch monetäre Anreize motivierte Mitarbeitende durch noch höhere Anreize leicht von der Konkurrenz abzuwerben.

Es zeigt sich also: Ein neuer Ansatz zur Förderung von Mitunternehmertum ist notwendig. Die Ausgangsüberlegung des CFB-HSG basiert auf der Tatsache, dass rechtliches Eigentum von Mitarbeitenden am Unternehmen unter bestimmten Umständen tatsächlich zu mehr Mitunternehmertum führen kann. Dies funktioniert, wenn der Besitz von Unternehmensanteilen in einem ersten Schritt dazu führt, dass sich die Mitarbeitenden auch als Eigentümer fühlen. Dazu müssen drei Bedingungen erfüllt sein: Die Mitarbeitenden müssen de facto Anteile halten (keine virtuellen Aktien oder Phantomaktien) und mit den Anteilen müssen Informations- und Mitbestimmungsrechte einhergehen. Das gefühlte Eigentum wird durch das Konzept des psychologischen Eigentums erfasst: Ein Mitarbeitender fühlt, dass das Unternehmen oder ein Teil davon ihm gehört, seines ist. Nach dem Motto: «Das ist mein Unternehmen!»

Erst das gefühlte oder psychologische Eigentum kann schliesslich zu Verhaltensänderungen wie zum Beispiel zu mehr Mitunternehmertum führen. Dies liegt darin begründet, dass psychologische Eigentümer das Unternehmen als Teil ihres Selbst, als Teil ihrer eigenen Identität betrachten und ihm daher Gutes tun wollen. Hierzu ist Mitunternehmertum ein probates Mittel, da es positiv zur Leistungsfähigkeit des Unternehmens beiträgt.

Besonders interessant ist nun jedoch, dass diese Eigentumsgefühle auch ohne formelles Eigentum existieren können. Anders ausgedrückt: Man kann sich als Eigentümer fühlen, ohne im rechtlichen Sinne einer zu sein. Bezüglich der Förderung von Mitunternehmertum liegt also der Gedanke auf der Hand: Psychologisches Eigentum kann hier eine äusserst zentrale Stellschraube sein, da es durch die Abwesenheit von faktischem Eigentum und finanziellen -Implikationen die grundsätzlichen Nachteile der oben beschriebenen traditionellen Beteiligungs- und Anreizsysteme vermeidet. 

Diesen Zusammenhang untersuchte das CFB-HSG in einer aktuellen Studie (siehe Kasten). Dazu befragte es über 1000 Mitarbeitende aus dem oberen und mittleren Management von deutschen und Schweizer Unternehmen mittlerer Grösse. Dabei zeigte sich eindeutig: Mitarbeitende, die kein formelles Eigentum am Unternehmen besitzen, sich jedoch trotzdem wie Eigentümer fühlen, verhalten sich tatsächlich unternehmerischer. Darüber hinaus sind sie loyaler und zufriedener mit ihrem Unternehmen.

Entscheidend: Information, Kontrolle und Lohn

Es stellt sich nun die Frage, wie Eigentumsgefühle in Abwesenheit von formellem Eigentum gefördert werden können. In der Studie wurden dazu drei zentrale Stellhebel identifiziert: die bereits erwähnten Informations- und Kontrollrechte sowie eine gerechte Entlöhnung.

Zunächst sollten die Mitarbeitenden proaktiv und umfassend über wichtige Ereignisse im Unternehmen informiert werden. Haben sie das Gefühl, dass ihnen alle notwendigen Informationen rechtzeitig in guter Qualität zugänglich gemacht werden (Informationsgerechtigkeit), fühlen sie sich als anerkannte und beachtete Mitglieder des Unternehmens und entwickeln 
Eigentumsgefühle.

Ausserdem sollten Mitarbeitende das Gefühl haben, dass sie durch ihre Tätigkeit das Unternehmen tatsächlich beeinflussen können, dass ihre Aktionen Wirkung zeigen. Es gilt also, Vorschläge und Ideen von Mitarbeitenden konstruktiv aufzunehmen und wenn möglich umzusetzen. Auch flachere Hierarchien sowie ein partizipativer Führungsstil können hier unterstützend wirken. Das resultierende Gefühl der Kontrolle über das Unternehmen ist ein zentraler Einflussfaktor des psychologischen Eigentums.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass Mitarbeitende empfinden, dass sie für ihren Einsatz gerecht entschädigt werden. Sie vergleichen ihren Arbeitseinsatz und ihr Engagement mit dem erhaltenen Output, zum Beispiel in Form von Entlöhnung und Beförderung, und vergleichen dieses Verhältnis mit demjenigen ihrer Kollegen. Stimmt dieser Vergleich, wird die Verteilung als gerecht empfunden (Verteilungsgerechtigkeit). Es ist also zu empfehlen, Löhne und Beförderungen strikt nach dem Leistungsprinzip zu vergeben. Dies gilt insbesondere für Familienunternehmen, in denen oftmals nicht nur rein nach Leistung, sondern auch nach Familienzugehörigkeit entschieden wird, was für Mitarbeitende, die nicht zur Familie gehören, problematisch sein kann.

Ressourcen und Risikotoleranz

Um Mitunternehmertum in optimaler Art und Weise zu fördern, bietet sich darüber hinaus eine Reihe von flankierenden Massnahmen an. Zu nennen sind beispielsweise die aktive und umfassende Unterstützung unternehmerischer Aktivitäten durch die Bereitstellung von notwendigen Ressourcen im Sinne von Geld und Freiraum für die Umsetzung von kreativen Ideen, aktive Ermutigung sowie Risikotoleranz.

Zusammenfassend ist also zu sagen: Mit-unternehmertum der Mitarbeitenden ist ein zentraler Erfolgsfaktor für KMU und Familienunternehmen. Bezüglich der Förderung ist es unbedingt anzuraten, die Implementierung von Beteiligungs- und Anreizsystemen sehr kritisch zu prüfen und sich stattdessen intensiv mit dem Konzept des psychologischen Eigentums zu befassen. Die bestehenden Erkenntnisse zeigen eindeutig, dass psychologisches Eigentum eine viel versprechende Alternative zu mit Nachteilen behafteten traditionellen Mechanismen darstellt, wenn es darum geht, Mitarbeitende zu Mitunternehmern zu machen.

Studie

Peter Englisch, Philipp Sieger, Thomas Zellweger: Psychologisches Eigentum – Wie aus Mitarbeitern Mitunternehmer werden. Ernst & Young 2011.
Die Studie lässt sich hier herunterladen.

 

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Prof. Dr. Philipp Sieger ist Assistenzprofessor am Center for Family Business der Universität St. Gallen (CFB-HSG) und befasst sich in Forschung, Lehre und Weiterbildung intensiv mit den Themen Mitunternehmertum, Familienunternehmen und Nachfolge.
 

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Sonja Kissling ist Doktorandin und Projektleiterin am CFB-HSG und beschäftigt sich insbesondere mit dem Thema Nachfolge 
in KMU und Familienunternehmen.
 

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