Ein reaktives HRM ist nicht zwingend negativ
Soeben wurde ein wissenschaftlicher Bericht zum HRM in KMU veröffentlicht. Zahlen, Fakten und Forschung rund um die «Kleinen» und «Mittleren».
Noémi Swoboda, Arbeits- und Organisationspsychologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
99,7 Prozent der Schweizer Arbeitsstätten fallen gemäss Bundesamt für Statistik in die Kategorie «Kleine und mittlere Unternehmen – KMU». Sie beschäftigen 82,3 Prozent aller Berufstätigen. Eine offizielle Definition des Begriffs KMU existiert hierzulande nicht. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO stützt sich laut seines «KMU-Portals» einzig auf das Kriterium «Zahl der Beschäftigten» ab. Ein KMU ist dementsprechend jedes marktwirtschaftliche Unternehmen mit weniger als 250 Personen. Gängig ist die Unterteilung in Kleinstunternehmen (1–9 Personen), Kleinunternehmen (10–49 Personen) und mittlere Unternehmen (50–249 Personen).
Von der Wissenschaft vernachlässigt
Noémi Swoboda, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Personalmanagement und Organisation an der FHNW, hat soeben einen wissenschaftlichen Bericht zum internationalen Stand der Forschung von HRM in KMU publiziert: «Dieser Bereich der Forschung liegt noch weit hinter jenem der allgemeinen HRM-Forschung zurück», sagt die Wissenschaftlerin.
Gemäss dem Bericht wurde lange angenommen, dass das HRM von Grossunternehmen einfach auf KMU übertragen werden könne. In der neueren Forschung wird dies in Frage gestellt: «Je nach Grösse und Branche brauchen KMU zum Beispiel nicht zwingend ein formelles Talent- oder Gesundheitsmanagement», so Noémi Swoboda, «wichtig ist aber, dass die Mitarbeitenden trotzdem entwickelt werden und die verantwortlichen Führungskräfte ein Auge auf die Gesundheit des Personals haben.»
Es existieren grosse Unterschiede zwischen den einzelnen KMU, was das HRM betrifft. Die bisherige Forschung zeigt aber, dass oftmals kein strategisches HRM vorhanden ist, sondern eher reaktiv auf Probleme eingegangen wird und HR-Massnahmen erst dann eingeführt werden, wenn sie dringend notwendig werden. Das ist nicht per se negativ zu werten: «KMU haben Handlungsspielraum, sie können schneller als Grossbetriebe etwas im HR ändern oder Neues initiieren», erklärt die Forscherin. Ihr Bericht führt zudem aus, dass es für KMU, genauso wie für Grossunternehmen, zwingend ist, sich bezüglich HRM immer wieder zu verändern beziehungsweise sich an die schnell wandelnden und komplexen Umwelten anzupassen.
HR-Instrumente brauchen Einbettung
In kleinen Betrieben bedeutet HR vor allem Administration. Die Trennlinie zu einer eher strategischen Funktion kann bezogen auf die Anzahl Mitarbeitende nicht klar definiert werden. Laut Noémi Swoboda werden die HRM-Aufgaben in KMU vor allem durch die Geschäftsleitung übernommen. Je nach Branche und Grösse des Betriebs wird auch die Einführung einer professionellen HRM-Funktion wahrscheinlicher.
Es scheint «keine spezifische Zusammenstellung der HRM-Praktiken zu geben, die besonders gut funktioniert», so der Forschungsbericht. «Vielmehr scheint das Zusammenspiel der Praktiken und deren Passung auf die Unternehmenskultur einen wichtigen Einfluss auf deren Erfolgswahrscheinlichkeit zu haben.»
Das bedeutet auch, dass die HR-Praktiken und HR-Instrumente nicht isoliert voneinander angewendet werden. Noémi Swoboda: «Es braucht eine Einbettung in die Firmenprozesse. Die HR-Instrumente müssen als Bündel zusammenspielen – so viel Strategie muss sein.»