Outsourcing – eine Frage der Einstellung
Ausgelagert werden kann fast jede HR-Aufgabe. Zu den Klassikern gehören die Lohnbuchhaltung und die Rekrutierung von Spezialisten. Doch die Meinungen innerhalb der KMU gehen auseinander: Die einen schwören auf Outsourcing, die anderen halten gar nichts davon.
Bringt eine Firma einen externen HR-Experten ins Spiel, kann sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. (Illustration: iStockphoto)
An der Grösse allein kann es nicht liegen, dass ein KMU sich für oder gegen das Outsourcing von HR-Leistungen entscheidet. Hört man doch so gegensätzliche Aussagen wie: «Wir sind viel zu klein, um etwas auszulagern» und «Wir sind viel zu klein, um alles selbst zu machen».
Was also gibt den Ausschlag? Für Anna Kotrba, Mitinhaberin des HR-Dienstleisters HC Solutions GmbH, spielt die Einstellung des Unternehmers eine wichtige Rolle: «Manche Firmeninhaber möchten alles im Griff haben, andere wollen sich ausschliesslich aufs Kerngeschäft konzentrieren.»
Und natürlich kommt es auch auf die betriebliche Konstellation an: Wie ist das Unternehmen aufgestellt? Was vermarktet es? Welche Menschen arbeiten dafür? Welche Ressourcen und Kompetenzen sind vorhanden, sowohl allgemein als auch bezogen aufs HR?
«Je mehr Schnittstellen beziehungsweise je mehr Personen in eine Aufgabe involviert sind, desto komplexer diese Aufgabe, weil der Aufwand an Kommunikation, Zielabstimmung und Massnahmenplanung deutlich aufwändiger wird – und desto nötiger wird professionelle externe Unterstützung», sagt Michael Zwicky, der sich mit seiner Firma Zwicky Personalmanagement auf KMU spezialisiert hat. Und natürlich ist die Komplexität der HR-Aufgaben ein ausschlaggebendes Kriterium. «Buchhalter, die nebenbei auch noch für das Personal verantwortlich sind, beschränken sich meist auf Administratives. Teamentwicklung liegt da oft nicht mehr drin», so Michael Zwicky.
Wenig Erfahrung mit Social Media
Ausgelagert werden kann fast alles, ob operatives Geschäft oder strategische/konzeptionelle Fragen, ob Einzelaufgaben oder ganze Prozesse. Meike Scheinhütte, selbständige Personaldienstleisterin und HR-Interimsmanagerin, nennt als Outsourcing-Klassiker die Lohnbuchhaltung sowie die Rekrutierung von Fachspezialisten. «Fehler auf der Lohnabrechnung machen die Belegschaft schnell misstrauisch und beeinträchtigen das Vertrauen, welches dem HR in der Regel entgegengebracht wird, erheblich. Es braucht eine ausgebildete Fachkraft beziehungsweise eine kompetente, immer verfügbare Ansprechstelle. Bei einem Ausfall kann die Arbeit – auch aus vertraulichen Gründen – nicht einfach von irgendjemandem in der ‹normalen› Buchhaltung übernommen werden.» Und der zweite Outsourcing-Klassiker: An Fachspezialisten kämen Firmen oft nicht mehr selber heran, sondern nur noch via Headhunter.
Ein weiterer Bereich, in dem Unterstützungsbedarf bestehen könnte, ist laut Meike Scheinhütte die Einführung von komplexen Beurteilungs-, Leistungs- und Zielvereinbarungsinstrumenten, welche als Basis für die Nachwuchsplanung, Talententwicklung sowie Aus- und Weiterbildung dienen. Relativ neu und daher noch nicht weit verbreitet ist das Auslagern von Dienstleistungen rund um das Thema Social Media. «Viele Firmen erstellen lediglich ein Profil auf den verschiedenen Plattformen, statt diese in ein Personalmarketingkonzept einzubetten und bei der Rekrutierung gezielt zu nutzen», so Meike Scheinhütte.
Interimsmässig sei das Beiziehen eines Fachexperten nicht nur sinnvoll, wenn der HR-Verantwortliche krank wird, sondern auch, um bestimmte Instrumente, zum Beispiel ein Rekrutierungstool, professionell einzurichten oder um eine neu definierte Unternehmensstrategie umzusetzen. Nicht zuletzt gilt es für Firmen, sich bei einer Entlassungswelle richtig zu verhalten. Meike Scheinhütte: «Bei Entlassungen sind oft intensive Gespräche und eine Betreuung auch abends und am Wochenende nötig. Es ist sinnvoll, die internen Leute zu entlasten und Personen einzusetzen, die diese Emotionen professionell entgegennehmen und die Betreuung fortsetzen können.»
Führung kann nicht delegiert werden
Zwei Dinge können jedoch nicht ausgelagert werden. Einerseits Führungsaufgaben. Michael Zwicky: «Ich bin einmal von einem Handwerksbetrieb angefragt worden, ob ich die Mitarbeitergespräche führen könnte. Das kam für mich nicht in Frage, das ist Chefsache, diese Wertschätzung muss vom Geschäftsleiter kommen.» Aber natürlich hilft Zwicky einer Führungsperson gerne, solche Gespräche vorzubereiten, besonders wenn es sich um kritische Gespräche handelt.
Andererseits zwingend in der Firma bleiben muss die Verantwortung für die HR-Ausrichtung, die zentralen HR-Entscheidungen und die Leistungsevaluierung der externen Partner. Diese Verantwortung liegt laut Anna Kotrba entweder bei einer dafür ausgebildeten Person oder aber bei einem Geschäftsleitungsmitglied. Diese Person sei im Idealfall auch die Schnittstelle zwischen Firma und HR-Dienstleister.
Beim Outsourcen kann auf zwei Arten vorgegangen werden. Oft werden externe HRM-Dienstleistungen um die bestehenden internen HR-Leute herumgebaut. Das ist für Anna Kotrba die schlechtere Lösung. Besser sei, eine Strategie für das Gesamtunternehmen festzulegen und davon die HR-Aufgaben abzuleiten. Dann gelte es zu entscheiden, welche dieser Aufgaben intern und welche extern abgedeckt werden sollen. Erst dann suche man die entsprechenden Leute.
Von Kontra zu Pro: Seite gewechselt
Manche Unternehmen sind aus Überzeugung gegen ein Outsourcen von HR-Leistungen. Meike Scheinhütte kennt diese Position aus eigener Erfahrung: Die heutige Personaldienstleisterin war früher HR-Leiterin, auch in mehreren KMU. Und sie war gegen das Auslagern. Dass sie ihre Argumente von damals inzwischen revidiert hat, habe vor allem mit der aktuellen Entwicklung, insbesondere der Beschleunigung und zunehmenden Komplexität im Geschäftsleben, zu tun:
- Argument kontra Outsourcing: Ihre HR-Angelegenheiten muss eine Firma vollständig im Griff haben, also macht sie das intern. Argument pro: Die HR-Aufgaben werden immer vielfältiger, es gibt immer mehr Tools und Instrumente, die Gesetzgebung wird zunehmend komplexer, und die Reaktion bei der Rekrutierung muss eins zu eins erfolgen. Der Aufwand insgesamt ist gestiegen. Ein gezieltes Outsourcing kann entlasten.
- Argument kontra: Die Kosten fürs Outsourcen sind zu hoch. Argument pro: Viele KMU sind zu klein für eine interne HR-Fachperson. Also erledigt zum Beispiel der Geschäftsleiter als «Personalchef im Nebenamt» die HR-Aufgaben, ohne über umfassendes HR-Wissen zu verfügen. Gerade in KMU mit komplexer Struktur kann das teuer werden, etwa bei Gerichtsprozessen, wenn sich die Firma zum Beispiel nicht an das Arbeits- oder Gleichstellungsrecht gehalten hat. Das kann schnell mit ein paar Monatslöhnen zu Buche schlagen.
- Argument kontra: Outsourcing bedeutet einen Verlust an Kompetenzen und verlangt ein zeitintensives Briefing anstatt effizienter Nutzung interner Synergien. Argument pro: Natürlich gibt man beim Auslagern von Leistungen etwas aus der Hand. Wichtig ist deshalb, dass die HR-Prozesse ganz klar definiert sind. Das braucht zwar Zeit, aber so geht im Auslagerungsprozess nichts verloren und es kann schliesslich wieder Zeit gespart werden.
- Argument kontra: Outsourcing führt zu einer unpersönlichen Betreuung der Mitarbeiter. Argument pro: Die meisten Unternehmen haben für die persönliche Betreuung ohnehin nicht viel Zeit. Mit externen Ansprechpartnern funktioniert es oft genauso gut. Besonders die jüngeren Arbeitnehmer legen kaum mehr Wert auf eine «Rundum-Betreuung» – wichtiger sind ihnen ein Karriereplan für die nächsten drei Jahre, Weiterbildung und allenfalls zwischendurch eine Auszeit.
Wenn sich Firmen eine Auslagerung – oder zumindest Unterstützung von aussen – sparen, obwohl sie das entsprechende Fachwissen nicht besitzen, kann es zu Patzern kommen: «Besonders die Bereiche Rekrutierung, Lohn, Recht und Trennung sind fehleranfällig», sagt Anna Kotrba. Gemäss Michael Zwickys Erfahrungen passieren die meisten Fehler bei der Rekrutierung: Stellenbeschreibungen sind nicht vorhanden, beim Kandidaten werde nach Bauchgefühl entschieden, zu sehr auf das Fachliche und zu wenig auf dessen Motivation und die Teamkonstellation geschaut.
Trend Gesundheitsmanagement
Natürlich geht es auch ohne externe Hilfe. Dafür sollten laut Meike Scheinhütte aber gewisse Bedingungen erfüllt sein: Der Patron in einem kleinen KMU kennt «seine» Leute – langjährige Mitarbeiter –, man spricht miteinander und man weiss, wen man bei HR-Fragen angehen kann. Dennoch sei es wichtig, die Augen und Ohren offenzuhalten, um die neusten Entwicklungen mitzubekommen, «denn auch KMU verändern sich immer schneller.»
Im Outsourcing von HR-Leistungen lassen sich einige Trends erkennen. Gesundheitsmanagement inklusive Burnoutprävention wird beispielsweise immer öfter ein Thema für die Dienstleister. Und mit der Globalisierung übernehmen externe HR-Fachleute zunehmend Aufgaben im Bereich interkulturelle Kompetenz, wozu auch das Briefen und Betreuen von Angestellten – und deren (Ehe-)Partnern – gehört, welche in ein anderes Land entsendet werden.
Vorsichtige Schweizer Unternehmen
Im angelsächsischen Raum ist das Outsourcing weiter verbreitet als in den deutschsprachigen Ländern. «Das heisst nicht, dass wir stehengeblieben sind», so Anna Kotrba. «Wir sind einfach vorsichtiger und schauen länger zu. Doch auch hierzulande wird man immer offener dafür, das HR auszulagern.»
Pro Outsourcing: Sidmar AG
Die Zeit produktiver nutzen
«Bis 2010 arbeiteten bei der Sidmar sechs Personen. Manche davon ohne Arbeitsvertrag. Das kann funktionieren, wenn man ganz klein ist und gute Leute hat, mit denen es nicht zu Problemen oder gar rechtlichen Streitigkeiten kommt. Doch dann wuchsen wir innert drei Jahren auf 16 Personen an. Da mussten wir unsere Papiere auf Vordermann bringen und liessen uns vom HR-Experten Michael Zwicky (siehe Text oben) helfen. Er erstellte Verträge, Spesenreglemente, Fahrzeugnutzungsreglemente etc.
Wir planten, dass Herr Zwicky mich und meinen Geschäftspartner coacht, um unsere Rekrutierung zu professionalisieren. Doch beim ersten Coaching habe ich gemerkt, dass ich das gar nicht will. Wir haben 13 Jahre jeweils zu zweit rekrutiert, und ich wollte mich stärker auf unser Kerngeschäft konzentrieren. Seither involvieren wir Herrn Zwicky bei einer offenen Stelle frühzeitig. Er ist beim Formulieren des Inserats dabei, bei der Auswahl der Kandidaten und bei den Gesprächen. Er stellt die richtigen Fragen, gibt dem Bewerbungsgespräch Struktur. Die letzten drei Stellenbesetzungen machten wir gemeinsam, und wir kamen bezüglich Wunschkandidat jeweils zum gleichen Entscheid.
Weiterhin meine Sache sind die Mitarbeitergespräche, die Zielvereinbarungen und die Zeugnisse. Einmal pro Woche kommt eine Buchhalterin vorbei, die uns die Lohnabrechnung macht – die Buchhaltung möchte ich nicht extern haben, denn da gibt es oft Fragen. Inzwischen haben wir für die Administration auch eine Mitarbeiterin, welche sich ein wenig ins Personalwesen einarbeiten wird und künftig die Personaldossiers führen und sich um die Versicherungen kümmern kann. Alles andere inklusive Teamschulungen beziehen wir extern.
Auf den ersten Blick kostet uns das Auslagern dieser HR-Aufgaben viel. Durchschnittlich sind es etwa 1000 Franken pro Monat. Aber wir können unsere Zeit produktiver nutzen, als selbst diesen Aufgaben nachzurennen. Wir konzentrieren uns bewusst auf das, womit wir unser Geld verdienen. Genau das raten wir ja auch unseren eigenen Kunden.
Unser externer Partner ist ein guter Typ. Er ist leicht erreichbar und sehr flexibel, geht auch auf unsere Spezialwünsche ein. Und er kennt uns: Er hat mit jedem Mitarbeiter ein Gespräch geführt, als wir eine Grobanalyse brauchten, um unsere Organisation richtig aufzustellen. Ich bin begeistert von dieser Zusammenarbeit. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass unser Unternehmen heute gut funktioniert.
Mein Tipp an andere KMU: Erarbeitet die grundlegenden HR-Dinge lieber mit einem Externen, als sie aufzuschieben!»
- René Sidler, Inhaber und Geschäftsführer, Sidmar AG, IT-Solutions und IT-Support, 16 Mitarbeiter
Kontra Outsourcing: Infosystem AG
Die Übersicht behalten
Anita Breitenmoser: «Outsourcing ist für uns kein Thema. Wir kommen mit unseren HR-Angelegenheiten gut klar und sehen auch nicht, wo wir mittels Auslagern Kosten einsparen könnten. Zudem behalten wir durch das interne Bearbeiten der HR-Aufgaben die Übersicht.
Sehr wohl ein Thema ist bei uns aber, wer für was zuständig ist. Ursprünglich hat unser Geschäftsleiter Marcel Schnelli die meisten HR-Aufgaben wahrgenommen. Ich war verantwortlich für die Anstellungsverträge, das Einführungsprogramm für neue Mitarbeiter, die Zeit- und Leistungskontrolle, die Anmeldungen bei Pensions- und Ausgleichskasse etc. Wir sind nun in einer Phase der rollenden Übergabe, um alle HR-Aufgaben auf mich zu übertragen. Die Rekrutierung, die Mitarbeiter- und Lohngespräche werden voraussichtlich gemeinsam durchgeführt. Um die Weiterbildung kümmert sich eine dritte Person.
Um die HR-Themen professionell bearbeiten zu können, habe ich kürzlich die Ausbildung zur Sachbearbeiterin Personalwesen absolviert. Diese hat mir einige Inputs geliefert, damit ich meine Aufgaben in diesem Bereich kompetenter ausführen kann.
Natürlich gibt es Fragen, die wir nicht selbst beantworten können. Bei Rechtsfragen zum Beispiel haben wir die Möglichkeit, uns an die Rechtsstelle der Arbeitgeberorganisation ‹Verband Zürcher Handelsfirmen› zu wenden, die uns als Mitglied offensteht.
Wenn wir auf unserer Homepage Stellen ausschreiben, kommen auch Personalvermittler auf uns zu. Wegen des Personalmangels in der IT-Branche haben wir schon Mitarbeiter über solche Dienstleister angestellt. Allerdings ist das Preis-Leistungs-Verhältnis aus meiner Sicht nicht optimal.»
Marcel Schnelli: «Natürlich haben wir für Teamcoachings schon Externe engagiert. Aber sonst kommt Outsourcing für uns nicht in Frage. Einzig die Lohnbuchhaltung könnten wir theoretisch auslagern. Die Rekrutierung dagegen in fremde Hände zu geben, kann ich mir nicht vorstellen. Wir sind eine rein personenbezogene Firma, die einzelnen Mitarbeiter sind unendlich wichtig.
Allerdings bewerben sich die Leute heute nicht mehr selbst, sondern übergeben ihre Dossiers an Personalvermittler. Wenn ich eine Stelle ausschreibe, melden sich diese in Massen. Doch meine Erfahrung ist, dass Vermittler ein Vermögen kosten, aber herzlich wenig nützen – besonders bezüglich Vorselektionierung haben wir keine guten Erfahrungen gemacht.»
- Marcel Schnelli, Geschäftsleiter, und Anita Breitenmoser, Administration/ Support, Infosystem AG, IT-Dienstleistungen, 30 Mitarbeiter