HR Today Nr. 7&8/2020: Praxis – Sabbaticals

Erholsame Distanz

Abschalten und Kraft schöpfen für den Arbeitsalltag, die Welt bereisen oder nach der Geburt länger für das Kind da sein: Sabbaticals haben viele Gesichter.

Matthias Renner, Software Engineer bei der ISS AG, ist eineinhalb Jahre um die Welt gesegelt, während Annika Lörtscher, Senior RA und Knowledge Manager beim selben Unternehmen, zwei längere Auszeiten nach der Geburt ihrer Kinder genommen hat. Thomas Bestvina, COO der Station AG, hat sein Sabbatical dagegen zu Hause und in seinem Kunstatelier verbracht, nachdem seine Japanreise wegen des Coronavirus ins Wasser gefallen war. So unterschiedlich die drei Sabbaticals sind, eines haben sie gemein: «Auszeit und Distanz vom Arbeitsalltag ermöglichen einen neuen Blickwinkel und können zu innovativen und kreativen Lösungen für ­Arbeitsaufgaben beitragen», sagt Alexandra M. Freund vom Psychologischen Institut der Universität Zürich.

Sabbaticals nützen nicht nur den Auszeitnehmenden, sondern auch den Unternehmen. «Während des Sabbaticals konnte ich mich entspannen, Eindrücke sammeln und bin nun bereit, neue Herausforderungen im Betrieb anzugehen», sagt Thomas Bestvina. Auch Matthias Renner hat aus seiner Auszeit einen Profit gezogen. Seit der Rückkehr von seiner Weltreise geht er gelassener mit Dingen um, die ausserhalb seiner Kontrolle liegen: «Ich gehe bewusster mit Menschen um und agiere in kritischen Situationen anders.» ­Ihr Sabbatical hat Annika Lörtscher dagegen genutzt, um sich nach der Geburt ihrer Kinder auf ihre Mutterrolle einzustellen. Eine, die sie gefordert hat. «Ich musste von einem Tag auf den anderen lernen, gleichzeitig auf unterschiedliche Bedürfnisse einzugehen.» Ein Lernerfolg, der auch für ihren Arbeitsalltag nützlich sein werde. Sabbaticals sind ein Gewinn für Arbeitnehmende und Arbeitgebende, sind sich die drei einig. «Unternehmen, die für Sabbaticals offen sind, können Mitarbeitende längerfristig halten und verlieren die Investition, die sie in deren Ausbildung getätigt haben, nicht», sagt Lörtscher. Für Renner ist ein Sabbatical zudem eine gute Möglichkeit, die Arbeit der Mitarbeitenden wertzuschätzen. «Was wiederum dazu führt, dass sich diese nach der Rückkehr noch mehr für das Unternehmen einsetzen.»

Bevor ein Arbeitnehmender ein Sabbatical antritt, sind vorab einige Aspekte zu klären. «Neben rechtlichen Aspekten sollten die Übergabe und die Rückkehr ins Unternehmen gut geplant werden, um Reibungsverluste zu verhindern», rät Alexandra M. Freund von der Universität Zürich. Zentrale Aufgaben des Auszeitnehmenden müssten von anderen Teammitgliedern übernommen werden, ohne dass diese überlastet sind oder anstehende Arbeitsaufgaben oder Projekte gefährdet würden. «Zudem sollten sich Sabbaticalnehmende bewusst sein, dass ihre Vertretungen ihre Aufgaben anders bearbeiten werden als sie selbst.» Daneben sei auch zu klären, welche Aufgaben nach der Rückkehr bei welchem Mitarbeitenden liegen und wie die Rückübergabe stattfinden solle. Freund rät zu einer schrittweise Rückkehr. «Der Sabbaticalnehmende sollte sich gegen Ende des Sabbaticals per E-Mail, Telefon oder Online-Meeting erkundigen, welche Projekte ­derzeit laufen oder welche Übergaben dringend notwendig sind. Das verhindert Stress am ersten Arbeitstag.»

Rechtliche Aspekte bei einem Sabbatical

Damit es nach dem Sabbatical kein ­böses ­Erwachen gibt, sollten Arbeitgebende und Arbeitnehmende gemäss Rechtsanwalt ­Nicolas Facincani von Voillat Facincani Sutter + Partner in einer Vereinbarung oder einem V­ertrag die wichtigsten Punkte zum ­Sabbatical festhalten.
Dauer: Grundsätzlich dauert ein Sabbatical zwischen drei und zwölf Monate.
Finanzierung: Bei einem Sabbatical sind folgende Konstellationen möglich:

  1. Freistellung: Auf die Lohnfortzahlung wird verzichtet. Es erfolgt somit keine Einzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitgebenden. Diese muss der Arbeitnehmende selbst übernehmen.
  2. Arbeitszeitguthaben: Der Arbeitnehmende hat vorgängig die Möglichkeit, Überstunden und nicht eingezogene Ferien auf einem Arbeitszeitkonto anzusparen und dieses Guthaben während einer Auszeit zu kompensieren. Dabei werden sowohl der Lohn als auch die Sozialversicherungsbeiträge weiter ausbezahlt. Wichtig: Beim Leisten von Überstunden darf die ­gesetzlich vorgeschriebene tägliche Maximalarbeitszeit vom Arbeitnehmenden nicht überschritten werden.
  3. Lohnverzicht durch Teilzeitmodell: Bei ­diesem Modell leistet der Arbeitnehmende bis zur Auszeit die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit. Jedoch lässt er sich bei einer 42-Stunden-Woche nur den Lohn für 32 oder 22 Wochenstunden ausbezahlen. Innerhalb von zwei bis drei Jahren hat er für die Lohnfortzahlung während des Sabbaticals ausreichend angespart. Dabei ist die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gesichert.
  4. Sonderurlaub: Der Arbeitnehmende kann sich einen unbezahlten Urlaub von seinem Arbeitgebenden genehmigen lassen.
  5. Kündigung: Das Sabbatical kann auch in die Übergangsphase zwischen zwei Jobs ­gelegt werden.

Versicherungsschutz: Gegebenenfalls muss der Arbeitnehmende selbst für seinen aus­reichenden Versicherungsschutz während der Auszeit sorgen, da ohne Lohnzahlungen auch einige Versicherungen entfallen. Bei der Unfallversicherung bleibt der Arbeitnehmende noch während 30 Kalendertagen versichert. Darüber hinaus kann er den Versicherungsschutz für maximal 180 Tage verlängern. ­Danach muss sich der Arbeitnehmende im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung gegen Unfälle versichern.
Funktion oder Tätigkeit nach Rückkehr: Vertraglich sollte festgehalten werden, auf welchen Arbeitsplatz im Unternehmen der Arbeitnehmende nach dem Sabbatical Anspruch hat – ob es sich um den bisherigen Arbeitsplatz oder um eine gleichwertige Beschäftigung im Unternehmen handelt.
Diverses: In der Vereinbarung sollte auch die Fortgeltung der arbeitsvertraglichen Verpflichtung wie beispielsweise Geheimhaltungspflicht und Wettbewerbsverbot fest­gehalten werden. Daneben ist der Widerruf der Vereinbarung zu regeln.

Quelle: Voillat Facincani Sutter + Partner

 

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Christine Bachmann ist stellvertretende Chefredaktorin von HR Today. cb@hrtoday.ch

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