BGM-Special 2024: Präventions-Workshop

Schau hin und nicht weg

Mit dem speziell entwickelten Präventions-Workshop «Schau hin und nicht weg» setzt Georg Fischer auf die Stärkung der Führungskräfte in Bezug auf Resilienz. Im Fokus stehen die Früherkennung von Verhaltensauffälligkeiten und entsprechende Reaktionen.

Der Industriekonzern Georg Fischer (GF) mit Hauptsitz in Schaffhausen verfügt über vier Divisionen. Eine davon ist GF Piping Systems, die auf die Entwicklung und Produktion von Rohrleitungssystemen spezialisiert ist und Standorte in der Schweiz und im Ausland hat.

«Friendly Work Space» seit 2023

GF wurde im Oktober 2023 für vier Standorte in der Schweiz mit dem Label «Friendly Work Space» ausgezeichnet. Diese sogenannten S-Standorte (Schaffhausen, Seewis, Sissach und Subingen), die insgesamt rund 2000 Mitarbeitende beschäftigen, werden durch ein Betriebliches Gesundheitsmanagement-Team (BGM) betreut. «Gesteuert wird das BGM durch die Standortleitung Schweiz, in der alle vier S-Standorte vertreten sind. Das sorgt für ein Ge­sund­heits­management wie aus einem Guss», erklärt Julia Willi, Fachspezialistin BGM bei GF Health. «Deshalb haben wir diese zuerst zertifizieren lassen, um das Label dann später auf die ganze Schweiz auszurollen.» GF betreibe zwar schon lange BGM, jedoch erst seit 2021 aber systematisiert und strukturiert. «Seither basiert unser BGM-Programm auf den Qualitätskriterien von Gesundheitsförderung Schweiz – denselben Kriterien, die auch Grundlage des Labels ‹Friendly Work Space› sind», sagt sie. «Viele Aktivitäten waren im BGM bereits vorhanden, anhand der BGM-Qualitätskriterien konnten wir die nötigen Strukturen schaffen.»

GF profitiert laut Julia Willi mehrfach davon, ein «Friendly Work Space» zu sein. Einerseits sei das Label intern von grossem Nutzen: «Das Label-Audit zeigte uns weiteres Potenzial bei den operativen und strategischen BGM-Zielen auf, was es uns ermöglichte, unser Programm weiter zu optimieren», erläutert sie. «GF profitiert auch vom Erfahrungsaustausch an den Community Events von Gesundheitsförderung Schweiz, die exklusiv Labelbetrieben vorbehalten sind. Andererseits erzielen wir eine Aussenwirkung, indem wir uns als arbeitnehmerfreundliches Unternehmen positionieren», erklärt Cindy Studer, Head HR am Standort Seewis. «Zum Beispiel weisen wir in unserer E-Mail- Signatur auf das Label hin oder erwähnen es bei den Erstkontakten mit potenziellen künftigen Mitarbeitenden als zusätzlichen Benefit.»

Resilienz ist ein wichtiges Thema bei Georg Fischer

Eines der zentralen Themen im BGM von GF Piping Systems ist Resilienz. «Bei Resilienz geht es darum, gestärkt aus Krisen hervorzugehen und für kommende Herausforderungen ge­wapp­net zu sein», sagt Julia Willi. Cindy Studer fügt an: «Unser Ziel ist es, dass unsere Mitarbeitenden in der sich schnell wandelnden Arbeitswelt fit für die Zukunft bleiben.» GF stelle verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, wie regelmässige Gesundheitsfördergespräche oder die interne Mitarbeitendenberatung.

Die Fördergespräche beinhalten seit Ende 2022 schweizweit einen neuen Prozess im Absenzenmanagement. Der Fokus liegt auf der Früherkennung von Verhaltensauffälligkeiten von Mitarbeitenden. Mit dem neuen Prozess führen die Vorgesetzten vor einem Krankheitsausfall selbst zum richtigen Zeitpunkt ein Gesundheitsfördergespräch mit dem Mitarbeitenden durch.

Die Mitarbeitendenberatung wiederum bietet für alle GF-Angestellte kostenlose und anonyme Unterstützung in Form von psychosozialer Beratung wie beispielsweise bei persönlichen, finanziellen, gesundheitlichen oder beruflichen Problemstellungen sowie Coachings für Vorgesetzte und HR Mitarbeitende.

Frühzeitig erkennen und gut reagieren

Eine Schlüsselrolle in Bezug auf die Resilienz der Mitarbeitenden nehmen die Führungskräfte ein. «Deshalb ist es sehr wichtig, dass sie entsprechend geschult werden», erklärt Cindy Studer. «Eine gute Führungspersönlichkeit trägt erheblich zur psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden bei.» So entstand bei ihr die Idee, unter dem Titel «Schau hin und nicht weg» den Workshop speziell für Vorgesetzte durchzuführen. In der Folge wurde dieser, abgestimmt auf die Werte und Prinzipien von GF, von Cindy Studer zusammen mit der Leiterin von GF Health, Gabriela Herzog, und der SUVA entwickelt.

«Oft wird vergessen, dass die psychische Gesundheit grossen Einfluss auf die Arbeitssicherheit hat», sagt Cindy Studer. Ziel der Schulung sei es gewesen, die Führungskräfte auf ihre Fürsorgepflichten zu sensibilisieren und ihnen einfache Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie psychosoziale Risiken am Arbeitsplatz identifizieren und ansprechen können. «Der Workshop vermittelte ihnen, wie sie Verhaltensauffälligkeiten frühzeitig erkennen und angemessen reagieren können», sagt Julia Willi.

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Anführungszeichen des Zitats

 

 

«Eine gute Führungs­persönlichkeit trägt erheblich zur psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden bei.»

– Cindy Studer, Head HR Georg Fischer am Standort Seewis

 

 

Der Workshop «Schau hin und nicht weg» begann mit der Geschichte der fiktiven Führungsperson Martin, die typische Herausforderungen im Arbeitsalltag schilderte. Im Rahmen eines «Lunch & Learn» wurde in einer entspannten Atmosphäre das Thema der psychosozialen Risiken am Arbeitsplatz behandelt. «Die Teilnehmenden tauschten sich danach zu den beschriebenen Situationen und ihren eigenen Erfahrungen aus», erklärt Cindy Studer. «Nach diesem Einstieg thematisierten wir die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und seinen Führungskräften, aber auch von Berufsbildner/-innen und Arbeitnehmervertreter/-innen in Bezug auf psychosoziale Risiken und psychische Auffälligkeiten am Arbeitsplatz.» Dies erfolgte in Form von praktischen Übungen und Rollenspielen, bei denen die Führungskräfte lernten, wie sie in schwierigen Situationen angemessen handeln können. Besonders gut angekommen sei die Vermittlung des Rosenbergmodells für gewaltfreie Kommunikation, das in vier Schritte gegliedert ist: Wenn ich «a» sehe (Beobachtung), dann fühle ich «b» (Gefühl), weil ich «c» brauche (Bedürfnis). Deshalb möchte ich jetzt gern «d» (Bitte). «Die Teilnehmenden übten diese vier Schritte anhand von simulierten Situationen, um sicherer in der Anwendung zu werden», erklärt Julia Willi. «Das Rosenbergmodell ist zwar ein einfaches Werkzeug, aber sehr wirksam und im Alltag gut einsetzbar.»

In einem weiteren Modul wurden die verschiedenen psychischen Krankheitsbilder erklärt. «Dies geschah in einer Art Ausstellung, in dem sich die Teilnehmenden informieren und Gedanken machen konnten», beschreibt Cindy Studer. «Wichtig: Hier konnten die Führungskräfte verschiedene Krankheitsbilder kennenlernen jedoch stellen sie keine Diagnosen.»

«Anschliessend thematisierten wir die frühzeitige, direkte, sachliche und wertschätzende Ansprache von Problemen sowie den Nutzen von Gesundheitsfördergesprächen. Und zum Abschluss zeigten wir den Teilnehmenden, wo sie nötigenfalls Unterstützung erhalten können.» Im Falle von GF sei dies – neben der HR-Abteilung oder externen Partnern wie der Suva, der IV-Stelle oder der Krankentaggeldversicherung – insbesondere die interne Mitarbeitendenberatung

Erste Erfolge zeigen sich bereits

Der Erfolg des Workshops wird auf verschiedene Weise gemessen. «Wir führten direkt im Anschluss eine Umfrage mit MS Forms durch», sagt Julia Willi. «Das ist ein ausgezeichnetes Tool, mit dem schnell ersichtlich wird, wie die Schulung gefallen hat und wo noch nachgebessert werden muss.» Längerfristig werde der Erfolg anhand der Reduktion von Langzeitabsenzen und der Nutzung von Gesundheitsfördergesprächen beurteilt. Erste Resultate würden sich bereits zeigen: «In Seewis, wo der Pilot stattfand, gingen die Langzeitabsenzen zu­rück», berichtet Cindy Studer. «Wir führen dies insbesondere darauf zurück, dass die Mitarbeitenden nun früher in präventive Gespräche einbezogen werden und die Führungskräfte intensiver mit der Mitarbeitendenberatung und anderen unterstützenden Stellen zusammenarbeiten. Wir sind uns jedoch bewusst, dass nicht jede Erkrankung, die eine Langzeitabsenz zur Folge hat, beeinflusst werden kann.»

Cindy Studer kennt auch einen Fall, bei dem «Schau hin und nicht weg» konkret Wirkung zeigte. «Einem Vorgesetzten fielen Verhaltensänderungen eines Mitarbeitenden auf», erzählt sie. «Im Gespräch wurde dann klar, dass eine schwierige finanzielle Lage Grund für das veränderte Verhalten war.» Daraufhin wurden die Mitarbeitendenberatung und das HR einbezogen, um einerseits eine Budgetberatung durchzuführen und andererseits herauszufinden, welche Unterstützung das Unternehmen in dieser Situation bieten kann. «Letztlich war der Wechsel in ein anderes Schichtmodell die Lösung. GF hat dann die Schichtzulagen so koordiniert, dass wir nun eine stärkere Zufriedenheit und damit deutlich weniger Ausfallzeiten haben», sagt Cindy Studer. «Es ist schön, solche positiven Beispiele zu haben – oft braucht es nur ein paar Gespräche und etwas Verständnis, um eine positive Veränderung zu bewirken.» Doch auch auf solch einfache Lösungen müsse man zuerst einmal kommen: «Auch hier zeigte sich durch den Workshop eine klare Verbesserung durch die Früherkennung solcher Situationen.»

Den beiden Verantwortlichen ist es wichtig, dass «Schau hin und nicht weg» weitergeführt wird. «Wir wollen den Workshop nun auf weitere Standorte ausrollen, zudem hat anfangs 2024 bereits ein Follow-up in Seewis stattgefunden. Dabei ging es um die Analyse der Langzeitwirkung und um die weitere Steigerung der Zufriedenheit der Mitarbeitenden», so Cindy Studer.

Workshop nationale BGM-Tagung in Bern

 

Organisationale Resilienz: Eine Ressourcenbox zur Steigerung der psychischen Gesundheit (D)

David Schönenberger (Suva) und Julia Willi (Georg Fischer Piping Systems)

 

Datum: Mittwoch, 18. September 2024
Zeit: 11:15–12:15 / 13:30–14:30 Ort: Aare 1, Kursaal in Bern
Anmeldung: www.bgm-tagung.ch

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Daniel Thüler

Daniel Thüler, Chefredaktor HR Today, daniel.thueler@hrtoday.ch

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