Digital Recruiting

So modernisiert und digitalisiert die Schweizerische Post das Recruiting

Die Entwicklung der Arbeitgebermarke sowie das Recruiting sind bei der Post seit 2022 in einer einzigen Abteilung gebündelt. Das Team arbeitet am Hauptsitz in Bern. Insgesamt rekrutiert die Post jährlich rund 3800 Personen aus über 62 000 eingegangenen Bewerbungen. Ein Bericht.

Laut einer Studie des Jobportals JobCloud war die Schweizerische Post 2022 das am sechsthäufigsten im Internet gesuchte Schweizer Unternehmen. Die starke Arbeitgebermarke ist Ausdruck der Bedeutung, die sie ihrer Rekrutierungsstrategie beimisst. Die Post, die ihr digitales Angebot derzeit stark ausbaut (siehe auch nebenstehend), hat Anfang 2022 alle ihre Rekrutierungsaktivitäten in einer organisatorischen Einheit gebündelt.

«Die Abteilungen Employer Branding, Recruiting, Active Sourcing und Hochschuleinstieg arbeiten nun eng zusammen. Unser Team von rund 40 Mitarbeitenden rekrutiert jedes Jahr 3800 Personen und erhält dafür über 62 000 Bewerbungen», erklärt Laurent Tornare, Leiter Abteilung Recruiting, Sourcing & Talents. Er empfängt uns mit seinem Team an einem Nachmittag im Oktober am Hauptsitz der Schweizerischen Post im Berner Stadtteil Wankdorf City, wo sie uns ihre Arbeitsweise vorstellen.

Nach 25 Jahren bei Nestlé leitet Laurent Tornare seit 2022 die Abteilung Recruiting, Sourcing & Talents der Post: «Wir kennen die Bedürfnisse unserer internen Stakeholder und beobachten die Entwicklung und die Trends am Markt. Entgegen unserem Image sind wir sehr innovativ, arbeiten mit modernen Tools, bieten zeitgemässe Arbeitsmodelle und legen grossen Wert auf die Candidate Experience. So haben wir eine starke Arbeitgebermarke aufgebaut.»

Zentralisierung und Synergien

«Dass wir nun alle gemeinsam in einer Abteilung zusammenarbeiten, hat uns geholfen, die Synergien noch stärker zu nutzen und noch konsequenter zusammenzuarbeiten», versichert Tabea Riesen, Verantwortliche für das Employer Branding. «Die Informationen fliessen besser, der Austausch ist direkter. Welche Profile sind schwer zu finden? Für welche Stellen gibt es viele Bewerbungen? Welches ist der beste Sourcing-Kanal?»

Lara Enzler, die zusammen mit Romaine Petrus das Team Recruiting & Talent Sourcing führt, erzählt, dass die Umstrukturierung einige Zeit in Anspruch genommen habe: «Wir mussten uns erst zurechtfinden, die Stärken und Grenzen jeder und jedes Einzelnen kennenlernen, bevor sich eine gemeinsame Dynamik einstellen konnte.» Laurent Tornare: «In einer Organisation sind die verschiedenen Abteilungen lediglich ein künstliches Konstrukt, um die Tätigkeiten zu strukturieren. In Wirklichkeit ist die Arbeit vielmehr ein Flow zwischen den verschiedenen Akteuren. Unsere neue Organisation ermöglicht es uns, dieser Arbeitsrealität gerecht zu werden.» Angestossen wurde diese Entwicklung 2018 mit der Einführung einer Matrix-Struktur im Bereich Personal. Dabei entstanden bereichsübergreifende Kompetenzzentren mit dedizierten HR-Geschäftspartnern für jeden Geschäftsbereich.

Zeichen stehen auf Grün

Seit dieser Neuorganisation stehen die Zeichen auf Grün. «Wir erhalten deutlich mehr Bewerbungen auf die offenen Stellen», stellt Lara Enzler fest. «Wir spüren auch einen positiven Effekt auf die Qualität unserer Stellenangebote. Die Bildsprache, die Botschafterinnen und Botschafter, die gewählten Themen, die Texte und Videos sind stimmiger und wirkungsvoller. Unsere Mitarbeitenden können zum Beispiel die ausgeschriebene Stelle mit einem Video bewerben. Dies vermittelt ein authentisches Bild der Post», fährt Tabea Riesen fort.

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«Wir erhalten deutlich mehr Bewerbungen auf die offenen Stellen.»

– Lara Enzler, Co-Leiterin Recruiting & Talent Sourcing, Die Schweizerische Post

 

 

Das Team von Laurent Tornare definiert die Leitlinien, die Bildsprache und die Candidate Experience. Die Vorstellungsgespräche werden dann von der HR-Beratung und den Führungspersonen vor Ort geführt. Er fährt fort: «Wir haben nicht die Kontrolle über alles, aber wir fungieren als Kompetenzzentrum.» Lara Enzler ergänzt: «Wir achten darauf, dass der gesamte Rekrutierungsprozess an die verschiedenen Berufe, Berufsgruppen und Zielgruppen angepasst ist.»

Innovationen

Die Komplexität der Herausforderung ist enorm: über 100 Berufe, 300 ständig offene Stellen, über 62 000 Bewerbungen pro Jahr und drei Amtssprachen. Lara Enzler: «Wir messen regelmässig, wo wir effizienter sein können und erkunden neue Marktinstrumente. Im Jahr 2023 haben wir die Bewerbung via WhatsApp mit dem Anbieter PitchYou pilotiert und dabei festgestellt, dass WhatsApp insbesondere für die Zielgruppe Logistik gut funktioniert.»

Active Sourcing

Die Post hat auch ein Team zusammengestellt, das sich dem Active Sourcing widmet. Es arbeitet unter anderem mit LinkedIn Recruiter, X-Ray Search und Stack Overflow. Lara Enzler: «Wir rekrutieren viel für unsere IT-Teams, aber auch für die Bau-, die Immobilien- und die Logistikbranche. Die Antwortquote auf unsere Anfragen liegt bei 75 Prozent.» Laurent Tornare: «Das ist ein sehr beliebter Luxusservice für schwierige Stellen. Dieser Ansatz kostet uns zehnmal weniger als ein externer Executive Search. Die Zahl der externen Mandate konnte damit auf ein Minimum reduziert werden. Es ist auch ein gutes Mittel, um die Diversität zu erhöhen».

Diese Automatisierung eines Teils des Active-Sourcing-Prozesses schliesst die menschliche Note nicht aus. Lara Enzler: «Mit dem Einsatz von softwareunterstützten Robotik-Programmen reduzieren wir den Verwaltungsaufwand und können unsere Ressourcen auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren. Das Pre-Screening wird jedoch nie nur von Software durchgeführt. Die Bewertung durch die Recruiter ist nach wie vor wichtig, um den Prozess effizient zu gestalten.» Laurent Tornare: «Es wird immer schwieriger, Kandidatinnen und Kandidaten zu finden, die alle Anforderungen erfüllen. Die beruflichen Laufbahnen sind vielfältiger und auch die Tätigkeit ändert sich enorm. Wir gehen deshalb immer mehr zu einer Rekrutierung über, die auf das Potenzial und die Soft Skills der zukünftigen Mitarbeitenden abzielt. Die Herausforderung besteht darin, dieses Potenzial so früh wie möglich im Auswahlprozess zu erkennen.»

Employer Branding

«Für unsere Employer Value Proposition haben wir mit der Agentur Jung von Matt aus Zürich zusammengearbeitet», führt Tabea Riesen aus. «Wir haben dann Botschafterinnen und Botschafter sowie eine Reihe von Bildern ausgewählt, die wir auf allen unseren Kanälen und bei unseren jährlichen Kampagnen verwenden. Die Personen, die neu bei der Post anfangen, sind oft überrascht, wie vielfältig die Post ist. Darum wollen wir auch unsere Mitarbeitenden stärker zu Wort kommen lassen und sie ermutigen, über ihren Alltag bei der Post zu erzählen. Und um die 750 Auszubildenden anzuziehen, die wir jedes Jahr einstellen, sind wir sehr aktiv auf TikTok.»

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«Wir wollen auch unsere Mitarbeitenden stärker zu Wort kommen lassen und sie ermutigen, über ihren Alltag bei der Post zu erzählen. Und um die 750 Auszubildenden anzuziehen, die wir jedes Jahr einstellen, sind wir sehr aktiv auf TikTok.»

– Tabea Riesen, Leiterin Employer Branding, Die Schweizerische Post

 

 

Die Post ist in allen sozialen Netzwerken, auf Gaming-Plattformen, in Karriereforen und auf Bewertungsseiten wie Kununu präsent. Tabea Riesen: «Es ist uns nicht nur wichtig, neue Mitarbeitende zu gewinnen, auch für die aktuellen Mitarbeitenden wollen wir etwas bieten. So veranstalten wir zum Beispiel einen Welcome Day, Konzerte und zum Jubiläum sogar ein Festival für unsere interne Zielgruppe.»

Prämien für Neueinstellungen

Schliesslich hat die Post ein Mitarbeiterempfehlungsprogramm eingerichtet. Schlagen Mitarbeitende Kandidatinnen oder Kandidaten aus ihrem eigenen Netzwerk vor, die am Ende tatsächlich eingestellt werden, erhalten sie eine Prämie. «Wir haben zusätzlich auch ein Punktesystem, das Mitarbeitende belohnt, die unsere Stellenangebote in den sozialen Netzwerken teilen. Die Nutzungsrate dieses Moduls mit Gamification-Elementen hat sich seit der Einführung der Gamification vervierfacht», bemerkt Tabea Riesen.

Trainee-Programm

Die Post arbeitet eng mit den Hochschulen zusammen und nimmt pro Jahr 20 bis 30 Studierende und Hochschulabsolventinnen und -absolventen für ein Trainee-Programm auf. Hinzu kommen weitere 20 Hochschulpraktikantinnen und -praktikanten. Lea Stotzer, die für die Beziehungen zu Hochschulen und Absolventinnen und Absolventen zuständig ist, ergänzt: «Das Trainee-Programm dauert 18 Monate und unsere Verbleibquote liegt bei 80 Prozent. Die jungen Leute erhalten schnell einen Überblick über unser Geschäft und bauen ein Netzwerk auf. Sie werden von den Linienmanagern ausgewählt und betreut.» Laurent Tornare: «Wir arbeiten auch eng mit der EPFL, der ETH Zürich und anderen Hochschulen in Projekten der angewandten Forschung zusammen.»

Der grosse Wandel des gelben Riesen

Die Schweizerische Post hat sich von einem verstaubten, trägen und staatlichen Image zu einem innovativen, zukunftsorientierten und flexiblen Unternehmen gewandelt. Sie feiert 2024 ihr 175-jähriges Jubiläum und hat gerade ihr Logo modernisiert. Ihr Kerngeschäft bleibt die Logistik (Transport von Paketen und Briefen), aber das Geschäft wird in hohem Tempo digitalisiert. Mit Automatisierung und neuen, digitalen Dienstleistungen reagiert die Post auf die sich verändernden Kundenbedürfnisse. «Seit unserer Gründung im Jahr 1849 ist und bleibt es unsere Aufgabe, Informationen vertraulich von A nach B zu transportieren», erklärt Laurent Tornare, Leiter der Abteilung Recruiting, Sourcing & Talents. «In diesem Bereich geniessen wir als bewährte Dienstleisterin ein enormes Vertrauen der Schweizer Bevölkerung.» In den letzten Jahren hat die Konzerngesellschaft Post CH Kommunikation mehrere Unternehmen übernommen, die im Bereich der sicheren digitalen Datenverarbeitung tätig sind. Sie positioniert sich insbesondere in den Bereichen Cybersecurity, HR und Gemeindeverwaltungssysteme, E-Voting und elektronischer Datenaustausch im Gesundheitswesen.

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Marc Benninger ist Chefredaktor der französischen Ausgabe von HR Today.

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