HR Today Nr. 1&2/2018: Performance Management

Trends im Performance Management

Wie sind die Resultate der Trendbarometer-Studie für die Zukunft des Performance Managements zu inter­pretieren? – Ein Gespräch mit den Studien-Co-Autoren Prof. Dr. Antoinette Weibel und Dr. Marcel Oertig, 5 Trends im Performance Management und eine Anleitung für ein Feedforward-Gespräch.

Wo steht die Schweizer HR-Landschaft in Bezug auf das Performance Management?

Marcel Oertig: Die Auswertung der HR-Trendstudie 2018 reflektiert diese Trends erst in sehr schüchternen Ansätzen. So ist ersichtlich, dass Investitionen in die Führungskräfteentwicklung und die Gestaltung der Unternehmenskultur hohe Priorität beigemessen wird. Die strukturelle Verankerung neuer Werte und Führungsprinzipien in den Führungs- und HR-Prozessen – insbesondere auch im Performance Management – ist hingegen noch nicht in der Breite ersichtlich. In dem Sinne gibt es hierzulande immer noch zu wenige Vorreiter, welche die nötigen Anpassungen im Performance Management bestimmen.

Weshalb?

Antoinette Weibel: Jeder Anfang kommt auf leisen Sohlen daher. Zudem handelt es sich gerade beim Performance Management oft um langjährig erprobte und nach zähem Ringen mit allen Stakeholdern geschliffene Kernprozesse. Kaum eine HR-Abteilung hatte die Änderung des Performance Managements auf der Agenda, als wenige – vornehmlich globale Konzerne wie Microsoft und General Electric – eine Kehrtwendung vollzogen. Die Unternehmen trennten sich unter grosser medialer Aufmerksamkeit von den stark kritisierten Forced Rankings und stellten in einem zweiten Schritt auch gleich ein weiteres geliebtes alljährliches Ritual in Frage, nämlich das der formalen Mitarbeitergespräche. Diese ers­ten, noch zögerlichen Schritte sollten bald eine neue Dynamik erfahren, denn mit dem Bewusstsein, dass Agilität und Innovationsfähigkeit für viele Unternehmen immer wichtiger werden, wird auch mehr Mut gefordert, andere Elemente des Performance Managements in Frage zu stellen.

An welche Elemente denken Sie?

Marcel Oertig: Performance Management ruht üblicherweise auf drei Säulen. Grundlage der meist jährlichen Leistungsvereinbarung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen sind die Mitarbeiterziele, die meistens nach dem Schema SMART («spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert», Anm. d. Red.) formuliert werden. Vorgesetzte sollen die Mitarbeitenden unter dem Jahr durch Coaching und Gespräche bei der Zielerreichung unterstützen. Am Ende des jährlichen Zyklus wird die Zielerreichung in einem Mitarbeitergespräch bewertet. Schliesslich werden meist Boni an den individuellen Erfolg der Mitarbeitenden geknüpft. Jedoch stehen gerade in agilen Unternehmen all diese Elemente auf dem Prüfstand.

Sind die nach dem SMART-Modell formulierten Jahresziele wirklich zielführend? Gerade in einem schnelllebigen Umfeld, wo sich Angestellte agil auf immer neue Umstände einstellen und experimentierfreudig neue Ideen umsetzen sollen?

Antoinette Weibel: Das ist in mehrfacher Hinsicht kritisch zu sehen, denn erstens sind SMART-formulierte Ziele für smarte, also komplexe und wissensintensive Arbeit wenig geeignet. Diese Ziele verleiten Mitarbeitende dazu, sich einseitig auf einfach messbare Aspekte der Tätigkeit zu konzentrieren – während man von Wissens­arbeitern doch eigentlich eher möchte, dass

sie ihre Expertise fürs «Mit- und Umdenken» in komplexen Sachverhalten einsetzen. Zudem sind die Jahresziele nicht selten schon nach wenigen Monaten veraltet und nicht mehr relevant.

Können Mitarbeitergespräche tatsächlich die ihnen zugesprochene Funktion von Mitarbeiterbewertung und Mitarbeiterentwicklung erfüllen?

Marcel Oertig: Neurobiologische Studien zeigen, dass die Vermischung von Bewertung und Mitarbeiterentwicklung nicht greift – egal ob durch Noten oder durch Rankings. Bewertungen lösen bei vielen Menschen eine steinzeitliche Reaktion aus: flüchten oder angreifen. Selbst ein gut vorbereitetes Gespräch kann wenig daran ändern, dass Mitarbeitende in einer solchen Situation keine noch so gut gemeinten Veränderungsideen aufnehmen oder gar weiterentwickeln können. Wer also mit diesen Gesprächen auch Entwicklung und Lerneffekte anstossen will, tut gut daran, nach neuen Feedbackformen zu suchen.

Verstärken die individuellen Boni die Ziel- und Leistungsorientierung auch im agilen Umfeld?

Antoinette Weibel: Jein! Studien zeigen, dass  gewisse «Rüebli» die Aufmerksamkeit sehr wohl auf die belohnten Ziele lenken – allerdings werden in der Folge nicht selten alle nicht messbaren Aufgaben vernachlässigt. So führen greifbare und hohe Boni nicht selten dazu, dass man die Finger von Experimenten lässt, da deren Ergebnisse ja per Definition nicht einfach vorherzusehen sind. Zudem wirken sich solche Anreize insbesondere im Teamumfeld und in der Wissensarbeit oft negativ aus: Denn sie verringern den Teamgeist und verdrängen die intrinsische Motivation und damit auch den Willen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Schliesslich erhöhen Boni auch die psychische Belastung, was sich in mehr krankheitsbedingten Absenzen niederschlägt. Agilität und klassisches Performance Management sind also kein «Dreamteam» – Da sind neue Ideen und Experimentierfreude sowie ein Umdenken gefragt.

5 Trends im Performance Management

  1. Kontinuierlicher Dialog anstelle des jährlichen Mitarbeitergesprächs. Kontinuierlicher Austausch und zeitnahes Feedback («Continuous Feedback») über Leistungen und Entwicklung sollen die langwierigen und wenig wirksamen Jahresstart und -endgespräche ersetzen. Sie treffen auch besser die verstärkt ausgerufene Notwendigkeit zum «lifelong learning».
  2. Stärkenbasiertes Feedback (Feedforward) anstelle von vergangenheitsbezogenem Schwächen-Management (siehe Toolbox unten) «Stärken stärken» ist zwar kein neues Führungskonzept, aber bei der Neugestaltung des Performance Managements besinnen sich die Unternehmen vermehrt wieder darauf. Stärkenbasierter Einsatz der Potenziale ist lohnender (und vor allem auch motivierender) als hohe Investitionen in die individuelle Schwächenbehebung.
  3. Mehr Fokus auf persönliche Entwicklung und wirksame Beiträge zum Unternehmenserfolg als auf starre Erreichung von top-down vorgegebenen Unternehmenszielen Persönliche Entwicklung durch Dialog und Coaching erhalten einen deutlich stärkeren Stellenwert. Dabei spielt die stärkenbasierte Reflektion, welche Beiträge jeder beziehungsweise jedes Team zum Unternehmenserfolg beisteuern kann, eine wichtige Rolle. Das Prinzip des top-down gesteuerten «Management by Objectives» wird durch einen verstärkten Strategie-Dialog und «Empowerment by Contribution» ersetzt.
  4. Mehr Eigenverantwortung der Mitarbeitenden für den Performance-Management-Prozess anstelle von einseitigen Vorgaben und Fremdsteuerung durch Vorgesetzte und HR Die Verantwortung für den Prozess des Performance Managements wird mehr und mehr in die Hände der Mitarbeitenden gelegt. Sie sollen Besprechungen mit Vorgesetzten selbst initiieren, ihre Beiträge zu den Unternehmenszielen formulieren und auch entsprechende Beurteiler angeben können, die tatsächlich auch etwas zu ihren erbrachten Leistungen zu sagen haben. Unterstützt wird der gesamte Prozess durch mobile cloudbasierte Softwarelösungen.
  5. Anstelle von individuellen Ratings und Boni mehr unternehmens- und teamerfolgsgetriebene Verteilung der variablen Vergütung Auf klassische Ratings im Schulnotensystem wird mehr und mehr verzichtet. Beiträge zum Team- und Unternehmenserfolg werden zwar durch Leitfragen oder (Projekt-)Reviews aus unterschiedlichen Perspektiven erhoben, fliessen aber vor allem in die Karriere- und Entwicklungsplanung ein. Die variable Vergütung selbst wird verstärkt durch Team- und Unternehmenserfolg gesamthaft gesteuert. Dazu dienen immer mehr auch breit abgestützte und damit objektivere Performancedaten und People Analytics.

Text: Antoinette Weibel, Marcel Oertig

Toolbox: Das Feedforward-Interview

Ein Feedforward-Gespräch besteht aus drei Elementen: erstens dem Blick auf ein motivierendes Erfolgserlebnis, zweitens der Analyse, welche Rahmenbedingungen mehr solcher Erfolgsmomente in der Zukunft möglich machen, und drittens dem Feedforward-Plan.

Ziele des Feedforward-Interviews sind es, Mitarbeitende durch den Fokus auf die eigenen Stärken zu motivieren und durch den Blick auf die Fahrbahn statt in den Rückspiegel die Grundvoraussetzung für Agilität und Entwicklung im Team zu legen. Wir empfehlen das Feedforward-Interview entweder ergänzend, aber zeitlich getrennt vom jährlichen Mitarbeitergespräch zu führen oder in einem agilen Umfeld als mögliche strukturierte Gesprächsform nach Bedarf einzusetzen.

Anleitung

  1. Planen Sie ca. eine Stunde pro Mitarbeitenden ein (inkl. Vorbereitungszeit).
  2. Schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre. Treffen Sie sich in einem neutralen Raum. Bieten Sie Wasser oder Kaffee an. Schalten Sie Störfaktoren aus. Die Stunde gehört dem Gespräch.
  3. Beginnen Sie mit einer Aufwärmphase oder einem kleinen Smalltalk.
  4. Nun widmen Sie sich dem Kernstück des Prozesses: dem Erfolgserlebnis. Eine Einstiegssequenz könnte folgendermassen lauten: «Ich weiss, dass bei der Arbeit negative wie positive Erfahrungen auftreten. Heute möchte ich auf eine positive Erfahrung eingehen. Schildern Sie mir nun eine Situation, in der Sie sich bei Ihrer Arbeit besonders gut gefühlt haben, als scheinbar alles ohne Mühe ‹gut kam› und Sie sich stolz gefühlt haben – sogar noch bevor klar war, dass andere mitbekamen, wie erfolgreich Sie waren. Würden Sie so etwas gerne häufiger erleben? Was war der Höhepunkt dieser Episode? Was dachten Sie ‹auf dem Gipfel›? Wie haben Sie sich gefühlt?»
  5. Wichtig: Hören Sie aktiv zu. Fragen Sie nach, fassen Sie Kernaspekte zusammen und vor allem: Lassen Sie dem Mitarbeitenden Zeit zum Nachdenken.
  6. Wenn Sie sicher sind, dass die Geschichte im Detail und mit viel «Fleisch am Knochen» zu Ende erzählt worden ist, beginnen Sie mit der gemeinsamen Analyse: Welche der Fähigkeiten, Stärken und Handlungen haben diesen Erfolg ermöglicht? Wie haben andere zu diesem Erfolg beigetragen? Was waren die Rahmenbedingungen, die diesen Erfolg möglich gemacht haben? Entziffern Sie gemeinsam das individuelle Geheimnis des Erfolges!
  7. In einem letzten Schritt fassen Sie zusammen: «Diese Aspekte sind also Teil Ihres persönlichen Erfolgscodes. Denken Sie nun an Ihre Pläne für die nahe Zukunft, zum Beispiel im nächsten Quartal, und überlegen Sie, inwieweit diese Pläne alle Aspekte Ihres Erfolgscodes berücksichtigen.»

Tipps

  • Passen Sie das Gespräch auf Ihre Bedürfnisse an.
  • In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Mitarbeitenden «vorzuwarnen».
  • In manchen Fällen bietet es sich an, Schritt 7 zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen.
  • In agilen Teams können sich die Mitarbeitenden gegenseitig interviewen und die Erkenntnis kann zur gemeinsamen Teamentwicklung beitragen.
  • In einem traditionellen Performance-Prozess kann das Feedforward-Gespräch zwei Wochen vor der Zielvereinbarung erfolgen – so können Mitarbeitende die eigene Perspektive stärker einbringen.

Text: Antoinette Weibel

 

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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Prof. Dr. Antoinette forscht und lehrt an der Universität St. Gallen zu den Themen evidenzbasiertes und positives Personalmanagement. Sie ist zudem Direktorin am neu konstituierten Forschungsinstitut für Arbeit und Arbeitswelten (FAA) an der HSG.

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Dr. Marcel Oertig studierte Betriebswirtschaft und absolvierte seine Dissertation im Bereich HRM an der Universität St. Gallen. Nach verschiedenen Leitungsfunktionen im Bereich HRM ist er seit 2005 Gründungspartner der Avenir Consulting AG in Zürich. Seine Beratungsschwerpunkte umfassen HR-Strategie und -Organisation, Employer Branding, Kompetenz- und Talentmanagement.

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