«Unsere Branchen waren und sind seit jeher divers und inklusiv»
Am 19. November 2022 feierte das Dinner-Spektakel «Stille Kracht» sein 20-Jahr-Jubiläum. Conférencier und Gastgeber Rolf Corver und Casinotheater-Geschäftsführer Beat Imhof über personelle Herausforderungen, Recruiting und die Zukunft ohne Rolf.
«Wir wollten «Stille Kracht» nie auf Promi-Basis betreiben, sondern eine Plattform für Nachwuchs-Künstlerinnen und -Künstler darstellen»: Rolf Corver, hier bei einer vergangenen «Stille Kracht»-Vorstellung im Casinotheater Winterthur. (Foto: zVg)
Am 19. November feierten ihr 20 Jahre «Stille Kracht». Wie tut ihr das?
Rolf Corver: Diskret – man redet nicht so gerne übers Alter (lacht). Aber natürlich mit einem grossartigen Programm mit vielen jungen Künstlerinnen und Künstlern sowie uns drei alten Säcken (Anm. d. Red.: Rolf Corver als Conférencier Bitterli, Pia Keel aka Frau Sturzenegger und Madame Fafa), die ein letztes Mal durch das Programm führen, bevor «Stille Kracht» ab 2023 in neue Hände übergeht.
War es schwierig, loszulassen?
Corver: Ich freue mich, mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Beispielsweise für die Organisation des satirischen Jahresrückblicks «Bundesordner» oder für mein Privatleben und darüber, die eher mühsamen administrativen Arbeiten loszuwerden. Andererseits werde ich es vermissen, die Show von A bis Z auf die Beine zu stellen, sowie den Kontakt zu den jungen Talenten, die ich für die «Stille Kracht»-Bühne rekrutiert habe.
Apropos Recruiting: Um «Stille Kracht» auf die Bühne zu bringen, braucht es unzählige Mitarbeitende – von Künstlerinnen und Künstlern bis hin zu Mitarbeitenden im Service und der Küche. Was waren deine grössten personellen Herausforderungen?
Corver: Die technische Umsetzung mit allen Beteiligten, da wir nur knapp zwei Wochen Zeit haben, um die Lokalität einzurichten und darin zu proben. Auch der Programmablauf hat es in sich: Der Abend beginnt mit einem gemeinsamen Opening, hat unzählige Übergänge zwischen den einzelnen Nummern und Menu-Gängen und endet wiederum in einem gemeinsamen Finale. Das muss sitzen und verlangt abseits der Technikmitarbeitenden, Künstlerinnen und Künstlern einiges von der festangestellten Küchen-Crew und dem wechselnden Service-Personal. Glücklicherweise arbeiten heuer etliche im Service, die schon letztes Jahr Teil des Teams waren.
Beat Imhof: Im Service gibt es viele Teilzeitmitarbeitende. Das ist an sich kein Problem, wenn wir Bankette oder Seminare durchführen. Bei einem komplexen Anlass wie «Stille Kracht» kann es aber dazu werden, da die Mitarbeitenden in bestimmten Zeit-Slots mit Servieren fertig werden müssen. Am Ende ist es das Zusammenspiel aller Beteiligten, das den Anlass ausmacht. Deshalb brauchen wir für diesen speziellen Event Mitarbeitende, die sich auch mit dem Event identifizieren und Gastgeber sein wollen …
Corver: … und dann auch noch bereit sind, in einem Team mitzuspielen. Am Ende ist es wichtig, dass sich jeder einzelne dieser rund 60 bis 70 Personen, die an diesem Abend herumrennen, aufgehoben und zugehörig fühlen – ob im Service, der Küche oder auf der Bühne.
Rolf Corver
Beat Imhof
Wie macht Ihr das?
Imhof: Indem wir Identifikation schaffen, angefangen mit einem Teambuilding-Event ausserhalb des Casinotheaters über die Schulung der Mitarbeitenden bis hin zum Feiern nach einer Vorstellung. Alles ist sehr persönlich, eng aufeinander, intensiv und emotional. Das führt zu einer einmaligen Stimmung, die alle «Stille Kracht»-Beteiligten zusammenwachsen lässt und im besten Fall dazu führt, dass Mitarbeitende wiederum neue Mitarbeitende nachziehen – Employer Branding lässt grüssen.
In der Gastronomie ist es wahrscheinlich etwas schwieriger, ein Commitment zu etablieren als im Künstlerbereich.
Corver: Nicht unbedingt. Auch die Künstlerinnen und Künstler muss man zusammenbringen.
Was tut Ihr für deren Teamspirit?
Corver: Wenn die Künstlerinnen und Künstler das erste Mal im Haus sind, essen wir zur Begrüssung im Casinotheater-Restaurant, damit sie sich gegenseitig und das Haus kennenlernen. Geschätzt wird auch, dass wir gemeinsam zum Boccia und Pizzaessen gehen, aber auch, dass die meisten nach einer Vorstellung nicht sofort nach Hause eilen, sondern mit uns noch ein Bier trinken. Hinzu kommt, dass die meisten Künstlerinnen und Künstler während dieser Zeit gemeinsam in einer der zwei Künstler-WGs wohnen. Eine befindet sich im Casinotheater und eine in der Nähe des Spitals, wo wir acht Personen unterbringen können. Das Ensemble setzt sich jedes Jahr – bis auf wenige Ausnahmen – aus neuen Persönlichkeiten zusammen.
Wie rekrutiert Ihr?
Corver: Inzwischen besitze ich ein riesiges Netzwerk mit Leuten, die mir jeweils junge Talente empfehlen. Zudem gehe ich an diverse Festivals: beispielsweise die Internationale Kulturbörse in Freiburg im Breisgau, die Schweizer Künstlerbörse in Thun oder die Young Stage in Basel. Hinzu kommen Festivals in Frankreich und Belgien und dann inspirieren mich auch YouTube-Clips. Wichtig ist uns der Fokus auf «junge» Talente. Wir wollten «Stille Kracht» nie auf Promi-Basis betreiben, sondern eine Plattform für Nachwuchs-Künstlerinnen und -Künstler darstellen.
… und wie sieht es im Gastronomie-Bereich aus?
Imhof: Wir merken stark, dass wir uns in einem Arbeitnehmermarkt befinden und zunehmend auch, dass es in unserer Branche an Biss und Durchhaltewille fehlt. Das führt zu weniger Kontinuität und einer hohen Fluktuation. Das wiederum dazu, dass wir uns als Betrieb hinterfragen, ob wir etwas falsch machen. Ich habe aber bemerkt, dass es allen anderen Gastrobetrieben auch so geht. Trotzdem beschäftigt mich das, da ich schon lange in dieser Branche tätig bin und so etwas aber noch nie erlebt habe. Deshalb ist es besonders wichtig, auf das bestehende Team zu schauen und nicht nur auf ein künftiges. Unsere oberste Maxime ist, sicherzustellen, dass es allen Mitarbeitenden möglichst gut geht.
Stille Kracht, Casinotheater Winterthur (Bild: zVg)
Wie macht ihr das?
Imhof: Wir hören zu, unterstützen unsere Leute bei persönlichen und beruflichen Anliegen, bieten Teilzeit- sowie Wiedereinstiegsmöglichkeiten und bilden Lernende aus. Was uns gehörig Steine in den Weg wirft, ist das Image der Gastrobranche. Das ist jedoch ein Grundsatzproblem und beginnt bereits damit, dass Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern abraten, ins Gastgewerbe einzusteigen. Da müsste man ansetzen.
Wie geht Ihr mit personellen Ausfällen um?
Imhof: Grundsätzlich sehr lösungsorientiert. Das Motto heisst «weitermachen». Wir tun alles, damit der Abend stattfinden kann. Wenn aber so etwas wie eine Corona-Pandemie zuschlägt und es die Hälfte des Ensembles erwischt hat, müssen selbst wir uns geschlagen geben.
Inwiefern sind HR-Themen wie Diversity and Inclusion für euch ein Thema?
Imhof: Die Gastronomie-, aber auch die Künstler-Branche waren und sind seit jeher divers und inklusiv. Wir beschäftigen Menschen verschiedenster Nationalitäten, Altersspannen, Geschlechter, Geschlechter-Zugehörigkeiten. Das ist für uns normal. An diesem Punkt sind wir schon lange angelangt. «Stille Kracht» ist ein Weihnachtsanlass, der viele Unternehmen anzieht.
Warum sollen sie ihre Weihnachtsfeier bei euch verbringen?
Corver: Weil wir einen einmaligen Abend mit einer professionellen Show und herausragenden Künstlerinnen und Künstlern mit Weltrang in einem schönen Ambiente mit feinem Essen bieten. Imhof: Ich habe in meinem Leben zahlreiche Events gesehen. Das Einmalige an diesem Anlass ist die Harmonie im Zusammenspiel der verschiedenen Bereiche. Das finde ich grossartig. Aber es ist natürlich auch wertschätzend, wenn ein Unternehmen sein Team zu uns schickt.
Wie geht es weiter mit Stille Kracht 2024?
Corver: Mit einer neuen Leitung und einem neuen Konzept. Geplant ist, dass die Conférenciers jährlich wechseln. Den Auftakt macht 2024 das Duo «Lapsus».
Stille Kracht
Ab sofort bis zum 17. Dezember 2022, Casinotheater Winterthur Vier Gänge in fünf Vorhängen – das ist «Stille Kracht», das Dinner-Spektakel im Casinotheater Winterthur. Auf der Bühne wechseln sich Artistik und Akrobatik mit Komik und Musik ab. Dazwischen sorgt das Küchenteam für das leibliche Wohl der Gäste. casinotheater.ch/stillekracht