«Wir wollen unsere Kultur der Inklusion weiter stärken»
Tanja Aebi, Director of People & Culture, erklärt im Interview nebst anderem, wie bei der ISS Facility Services AG die Integration der 600 neuen Mitarbeitenden von Livit Facility Management gefördert wurde. Strategien, wie kulturbetonte Workshops und die Nutzung der App «MyISS», unterstützen nicht nur deren Einarbeitung, sondern stärkten auch die Bindung an die Unternehmenswerte und -kultur.
Eine Veränderung der Unternehmenskultur erfordere nicht nur Zeit, sondern erfordere auch klare Kommunikation, eine aktive Mitarbeiterbindung und Schulungen zur kulturellen Sensibilisierung, sagt Tanja Aebi, Director of People & Culture der ISS. (Bild: zVg)
Frau Aebi, ISS Schweiz hat im Zuge der Akquisition von Livit Facility Management 600 neue Mitarbeitende übernommen. Wie wurde der Onboarding-Prozess für diese strukturiert, um eine nahtlose Integration in die ISS-Kultur zu gewährleisten?
Tanja Aebi: Neben einem etablierten Onboarding-Verfahren, das aus einem offiziellen und einem individuellen Teil besteht, haben wir für unsere neuen Kolleginnen und Kollegen eine Reihe von spezifischen Massnahmen initiiert: ein umfassendes Booklet zu ISS als Arbeitgeberin, zu unseren Werten und dazu, wie die Schritte in ihrem Onboarding-Prozess aussahen. Ziel war es, dass sich die Mitarbeitenden so gut wie möglich mit dieser Situation auseinandersetzen konnten, die richtigen Ansprechpersonen hatten und sich möglichst schnell wohlfühlten.
Welche spezifischen Anpassungen mussten im Onboarding- Prozess vorgenommen werden, um die Bedürfnisse und Erwartungen der neuen Mitarbeitenden zu erfüllen?
Wir haben unseren Führungskräften ein Package inklusive Zeitplan zur Verfügung gestellt, um die neuen Kolleginnen und Kollegen eng zu begleiten. Wenn zwei Unternehmenskulturen aufeinandertreffen und Menschen von einem Unternehmen mit 600 Mitarbeitenden zu einem mit knapp 13 000 stossen, ist ein ongoing Onboarding essenziell – und zwar kulturell sowie operativ.
Tanja Aebi
Tanja Aebi ist seit September 2022 Director of People & Culture bei der ISS Facility Services AG. Die 39-Jährige übernahm die Position von ihrer Vorgängerin Julia Braun. Aebi ist zugleich Mitglied der Geschäftsleitung. In ihrer aktuellen Funktion nimmt sie eine Schlüsselfunktion in der Förderung der Unternehmenskultur und der Implementierung der OneISS-Strategie ein, welche die übergeordneten Ziele und Werte von ISS weltweit zusammenführt. Ihre Berufung in diese leitende Position folgt auf ihre Tätigkeit im Personalwesen bei ISS Schweiz, die sie seit Februar 2021 ausübte. Zuvor arbeitete Aebi im HR der SBB und der BKW AG.
Was waren die grössten Herausforderungen bei der kulturellen Integration von Livit Facility Management in die ISS-Unternehmenskultur?
Die Integration von über 600 Mitarbeitenden in eine neue Unternehmenskultur und Arbeitsweise kann Spannungen und Identitätskonflikte hervorrufen. Sensibel mit emotionalen Themen wie dem Wechsel der Uniformen umzugehen, war ein Schritt, um dieser Herausforderung zu begegnen. Die Anpassung von Werten, Normen und Arbeitsstilen erfordert einerseits Zeit; andererseits sind eine klare Kommunikation, die aktive Mitarbeitereinbindung sowie Schulungen zur kulturellen Sensibilisierung entscheidend, um eine solche Integration erfolgreich zu bewältigen.
Welche spezifischen Strategien wurden implementiert, um diese Herausforderungen zu bewältigen und ein einheitliches Teamgefühl zu fördern?
Wir haben dedizierte Ansprechpersonen je Region bestimmt, um die neuen Kolleginnen und Kollegen abzuholen und ihnen unsere Werte sowie Serviceorientierung zu vermitteln. Das Onboarding für alle neuen Mitarbeitenden am ersten offiziellen Arbeitstag fand zwecks konsistenter Informationsvermittlung gleichzeitig statt. Zudem haben wir die neuen Mitarbeitenden – gleich nach der Übernahme – an unser Weihnachtsessen eingeladen, um sie willkommen zu heissen.
ISS hat zur Unterstützung der Übernahme Workshops durchgeführt. Können Sie die spezifischen Inhalte und Ziele erläutern?
Speziell hervorzuheben ist der sogenannte Placemaker-Workshop. In diesem schärfen wir das Bewusstsein für ein überragendes Serviceverständnis. Bei ISS bezeichnen wir uns als Placemakers – passend zu unserem Slogan «People make Places». Mit dem Workshop können wir den neuen Mitarbeitenden also optimal unsere Wertvorstellungen und unsere Unternehmenskultur vermitteln.
In der App «MyISS» kann jeder einzelne Mitarbeitende etwas beitragen, Storys kommentieren und Feedback geben.
Wie haben diese Workshops die Mitarbeitenden von Livit Facility Management und ISS bei der Bewältigung der Veränderungen unterstützt?
Unsere Workshops zur Kultur oder zu Themen rund um Serviceorientierung boten Unterstützung, indem sie die Identität zur Unternehmenskultur fördern, die Bedeutung von Servicequalität hervorheben und Konfliktlösungsstrategien aufgrund kultureller Unterschiede vermitteln. Wir werden zudem fachliche Workshops und Trainings einführen, um die Expertise und die Fachkenntnisse der Mitarbeitenden zu erweitern und so ihre Integration bei uns im Unternehmen zu stärken.
Sie haben jüngst eine App namens «MyISS» eingeführt. Geschah dies infolge der Übernahme oder war das ohnehin geplant?
«MyISS» ist das Paradebeispiel eines internen Tools und wurde unabhängig von der Übernahme entwickelt. Während der Übernahme war die App noch nicht vollständig ausgerollt; dies erfolgte im Frühling dieses Jahres.
Ist die App eine Eigenentwicklung?
Es handelt sich nicht um eine Eigenentwicklung, sondern um eine bedarfsgerechte Lösung für alle 13 000 ISS-Mitarbeitenden, die als Kommunikations-App das Intranet abgelöst hat. Jeder einzelne Mitarbeitende kann etwas beitragen, Storys kommentieren und Feedback geben.
Wie funktioniert die App und wie trägt sie zur Verbesserung des Arbeitsumfelds bei ISS bei?
Sie funktioniert wie ein modernes Intranet auf dem Smartphone und ermöglicht uns somit, die Mitarbeitenden direkt zu erreichen – insbesondere jene, die oft unterwegs oder bei den Kunden sind. Sie dient nicht nur als Schnittstelle zu wichtigen Tools und Quicklinks, sondern erlaubt auch den direkten Zugang zu vorgeschriebenen e-Learnings. Sie ermöglicht auch den direkten Austausch via Chat unter Kolleginnen und Kollegen, um relevante Arbeitsinformationen zu teilen. Mit der Möglichkeit, die App in verschiedenen Sprachen zu nutzen, spielt sie eine entscheidende Rolle in einer diversen Unternehmensstruktur mit Mitarbeitenden aus 119 Nationen, wie dies bei uns der Fall ist. «MyISS» fördert das Engagement und stärkt die Identifikation.
Fühlen sich die Menschen an ihrem Arbeitsplatz sicher und wertgeschätzt, steigert sich ihr geistiges Wohlbefinden, sie sind motivierter und weniger krank.
Welches Feedback haben Sie von den Mitarbeitenden bezüglich der App erhalten?
Bisher erhielten wir positive Rückmeldungen. Aber wir sehen noch Verbesserungspotenzial: Der Fokus liegt auf der Strukturierung und Verantwortlichkeit der verschiedenen Kommunikationskanäle. Zusätzlich planen wir, eine Vielzahl unserer Tools in die App zu integrieren, um sie zu einer umfassenden Anlaufstelle für sämtliche ISS-bezogenen Aktivitäten zu machen.
ISS hat eine weltweite Umfrage zu den Themen Belonging, Diversity, Inclusion und Equity durchgeführt. Wie wurden diese Themen angesprochen und welche wichtigen Erkenntnisse – etwa im Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement – wurden gewonnen?
Zu betonen ist, dass es sich um eine externe Umfrage gehandelt hat. Ziel war es, den Puls der Gesellschaft zu fühlen. Wir wollten wissen, was Diversity & Inclusion, Belonging und Equity für Menschen ausserhalb von ISS bedeutet und wo wir da als Gesellschaft stehen. Wir haben sowohl unterschiedliche Branchen als auch verschiedene Mitarbeitendenstufen befragt. Die Schlüsselerkenntnisse waren, dass Vielfalt, Integration und Zugehörigkeit eine hohe Priorität haben. Fühlen sich die Menschen an ihrem Arbeitsplatz sicher und wertgeschätzt, steigert sich ihr geistiges Wohlbefinden, sie sind motivierter und weniger krank.
Weshalb wurde die Umfrage weltweit durchgeführt?
Als einer der weltweit grössten privaten Arbeitgeber mit insgesamt 350 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war es unser Ziel, ein umfassendes Verständnis dafür zu entwickeln, wie Menschen ausserhalb von ISS zu diesen Themen stehen. Als global agierendes Unternehmen mit der Ambition, eine kulturelle Unternehmensidentität als «Company of Belonging» zu schaffen, in der sich jede und jeder Mitarbeitende zugehörig fühlt, war es von entscheidender Bedeutung, diese Umfrage in verschiedenen Ländern mit vielfältigen kulturellen Hintergründen durchzuführen.
Welche spezifischen Massnahmen wurden auf Grundlage der Umfrageergebnisse eingeführt, um diese Aspekte bei ISS zu verbessern?
Erstens haben uns diese Erkenntnisse bestärkt, dass wir mit unserem Wertversprechen «A Place to be You» auf dem richtigen Weg sind. Dieses beinhaltet, dass wir unseren Mitarbeitenden ermöglichen, sich selbst zu sein und sich unternehmensübergreifend als Teil von etwas Grösserem zu fühlen. So erhalten sie auch die Perspektive, sich in den Bereichen weiterzuentwickeln, in welchen sie sich mittel- bis langfristig sehen. Zweitens wollen wir unsere Kultur der Inklusion und das Gefühl von «Belonging» weiter stärken. Dies machen wir beispielsweise, indem wir im November unsere Speak Up Policy neu lanciert haben. Es handelt sich um einen Kanal, über den alle Mitarbeitenden sensible Anliegen wie diskriminierende Äusserungen oder Verhaltensweisen melden können.Drittens führen wir gezielte Schulungen für Führungskräfte in Bezug auf Absenzmanagement (insbesondere Rückführgespräche nach Absenzen/Krankheiten) durch. Hierzu gehören auch Führungstrainings, die auf Wertschätzungsinitiativen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten abzielen, da dies zur Zugehörigkeit jedes und jeder Einzelnen beiträgt.
ISS arbeitet auch mit dem Roten Kreuz zusammen und benachrichtigen dieses, wenn wir geeignete Lehrstellen haben.
Welche spezifischen Programme oder Initiativen wurden von ISS eingeführt, um die persönliche und berufliche Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern?
ISS bietet im Rahmen der ISS Academy stufengerechte Weiterbildungsmöglichkeiten an. In enger Zusammenarbeit mit führenden Bildungsinstitutionen gestalten wir Kurse in den Bereichen Service Excellence, Workplace Experience sowie Leadership. Darüber hinaus fördern wir junge Talente. Aktuell bilden wir rund 75 Lernende aus. Zudem bieten wir ungelernten Mitarbeitenden mit Potenzial die Möglichkeit, ihre Erstausbildung nachzuholen. Wir haben aber auch spezifische Talentprogramme entwickelt, die darauf ausgerichtet sind, junge Fachkräfte für Führungspositionen vorzubereiten.
Wie messen und bewerten Sie den Erfolg dieser Entwicklungsmassnahmen?
Mit einer Reihe von Reportings, die insbesondere darauf abzielen, wie viele Führungspositionen wir intern besetzen können. Zurzeit sind es über 60 Prozent.
Welche Strategien werden bei ISS verfolgt, um Geflüchtete und Menschen mit Behinderungen erfolgreich zu integrieren?
Die rund 13 000 Mitarbeitenden bei ISS Schweiz stammen aus 119 Heimatländern. Das alleine setzt schon voraus, dass wir eine höchst integrative Kultur leben. Dazu gehört auch, dass wir Menschen mit Beeinträchtigungen unterstützen und fördern sowie Geflüchtete beschäftigen. Zurzeit sind es 355. Wir bieten ihnen Erstausbildungen und Deutschkurse an, fördern ihre generelle Entwicklung und unterstützen damit die «Integrationsvorlehre» des Bundes. Wir arbeiten auch mit dem Roten Kreuz zusammen und benachrichtigen dieses, wenn wir geeignete Lehrstellen haben. Seit 2021 sind wir zudem der NPO Tent Partnership for Refugees beigetreten, welche das Ziel verfolgt, bis 2025 1000 Geflüchtete in Europa anzustellen. Seit vielen Jahren arbeiten wir auch mit Stiftungen und Vereinen zusammen, wie beispielsweise «Brüggli» – dieser Verein engagiert sich für Menschen mit psychischen und körperlichen Schwierigkeiten.
Können Sie konkrete Beispiele für erfolgreiche Integrationen teilen und erklären, welche Herausforderungen dabei überwunden werden mussten?
In einem unserer Key Accounts können wir Geflüchtete im Mandat beschäftigen, um sie nach sechs bis zwölf Monaten in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Geflüchteter konnte so zum Beispiel nach seiner Tätigkeit beim Kunden eine Vollzeitstelle bei einem Cateringunternehmen aufnehmen. Einem jungen Mann aus Eritrea haben wir eine Integrationsvorlehre anbieten können, die er nach sechs Monaten erfolgreich abgeschlossen hat. Nun absolviert er bei uns eine Ausbildung zum Unterhaltspraktiker (Gebäudetechnik) mit der Option, das eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ zu absolvieren. Zurzeit beschäftigen wir auch einen Syrer in der Hauswirtschaft. Wir begleiten ihn sechs Monate und klären, ob seine Sprachkenntnisse für die «Integrationsvorlehre» ausreichen. Die Herausforderungen bestehen generell darin, sowohl die Sprachbarrieren zu überwinden als auch die Führungskräfte zu schulen, um ein unterstützendes und inklusives Umfeld zu schaffen. Dieses ist für eine erfolgreiche Integration entscheidend. Zurzeit entwickeln wir strukturiertere Onboarding-Programme, um im nächsten Jahr hierauf einen noch grösseren Fokus zu legen.
ISS Facility Services AG
Die ISS Facility Services AG mit Sitz in Zürich ist ein führendes Unternehmen im Bereich Facility Management in der Schweiz. Es wurde 1967 gegründet und fungiert als Tochtergesellschaft des dänischen Konzerns ISS A/S. Im Geschäftsjahr 2022 wurde von ISS Schweiz ein Umsatz von 772,7 Millionen Franken (ca. 7 Prozent des Konzernumsatzes) erzielt, was einem Wachstum von 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. ISS Schweiz beschäftigt insgesamt rund 12 600 Mitarbeitende und bildet rund 75 Lernende in vier Berufsgruppen aus.
Die Fähigkeit, Mitarbeitende verschiedener Unternehmen effektiv zu integrieren und zu entwickeln, ist ein wesentlicher Faktor für den anhaltenden Erfolg des Schweizer Branchenprimus im hart umkämpften Markt. ISS Schweiz akquirierte im ersten Quartal 2023 die Livit FM Services AG, die vollständig integriert wurde. Dadurch wurden zusätzliche 670 Mitarbeitende übernommen. CEO André Nauer dazu: «Die Livit FMS ist eine qualitativ hervorragend aufgestellte Serviceunternehmung und bietet ISS eine Gelegenheit, die Marktposition nachhaltig zu stärken.» Mit der Akquisition baut ISS Schweiz das Industriesegment Real-Estate-Investoren signifikant aus, da die Livit FM Services AG einen Grossteil der Swiss-Life-Liegenschaften in der Schweiz betreut. www.ch.issworld.com