«Das Individuum ist nichts ohne das Kollektiv»

Julia de Funès ist eine Philosophin, Autorin und Rednerin, die die Philosophie nutzt, um gegen Vorurteile anzukämpfen. Aufgrund ihrer Erfahrung in einem Personalvermittlungsbüro für Führungskräfte ist sie insbesondere an der Arbeit der Personalabteilung interessiert. Sie hat mehrere Bücher zu diesem Thema geschrieben, darunter «Sokrates im Land der Prozesse», «Die (un-)menschliche Komödie» und «(Un-)persönliche Entwicklung». Im Oktober 2022 veröffentlichte sie ihr neuestes Werk «Das Jahrhundert der Verlorenen».

In «Le siècle des égarés» zeigen Sie, dass Identität und die Suche nach sich selbst zu Kardinalwerten geworden sind, die zulasten des Kollektivs gehen. Das erklärt, weshalb Unternehmen darum kämpfen, eine kollektive Dynamik zu schaffen …

Julia de Funès: Kollektive Werte verlieren angesichts individueller Interessen sicherlich an Prestige, aber das Individuum ist nichts ohne das Kollektiv. Die Covid-Jahre haben uns die Bedingungen eines echten Kollektivs konkret aufgezeigt. Die drei wichtigsten davon werde ich in meinem Vortrag beim HR Festival europe in Erinnerung rufen.

Inwiefern ermöglicht die Philosophie den Spagat zwischen guten Unternehmensergebnissen und der wachsenden ­Verunsicherung der Mitarbeitenden?

Philosophie soll diese Kluft nicht überbrücken. Die Philosophie ist dazu da, ein klares und rigoroses Licht auf die Realität zu werfen. Die Missionen der Philosophie sind, besser zu verstehen, um weniger zu leiden, Verhaltensnormen zu vermeiden, um besser zu handeln, sich von sprachlichen Normen zu lösen, um Dinge besser zu benennen, und schmerzhafte Realitäten den manchmal tröstenden Illusionen vorzuziehen.

Was ist das Thema Ihres Auftritts am HR Festival europe 2023?

Die Begriffe Humanisierung und Empowerment werden im Mittelpunkt meines Vortrags stehen. Eine mitunter beschwörende und karikaturistische Wertschätzung des Menschen ist zwar schön und gut, dennoch ist es notwendig zu verstehen, was das im Alltag konkret erfordert.