«Zuhören, verstehen und handeln»

Wie macht man Employees grundsätzlich zu Fans?

Michael Frühauf: Der Mensch liebt Geschichten. Ziel jedes Arbeitgebenden sollte es deshalb sein, einen Arbeitsort zu schaffen, über den im Familien- und Freundeskreis positive Geschichten erzählt werden. Etwa von vertrauensvollen Beziehungen, wertschätzenden Erfahrungen oder Zugehörigkeitsgefühlen. Solche Schlüsselmomente müssen jedoch gestaltet werden. Beispielsweise die erste Arbeitswoche, das wöchentliche wertschätzende Feedback des Vorgesetzten, ein Ort, an dem alle relevanten Mitarbeiterfotos digital verfügbar sind oder der Ruheraum für Mitarbeitende. Was den Beschäftigten wichtig ist, erfahren Arbeitgebende, indem sie das Feedback der Mitarbeitenden kontinuierlich einbeziehen und im Sinne der Verbesserung der «Employee Experience» nutzen.

Was heisst für Sie «authentisches ­Arbeitgeberversprechen» und «Employee Experience Management»?

Ich erkläre das immer so: Viele Arbeitgeber setzen auf einen roten knackigen Apfel, den sie im Wettbewerb um neue Mitarbeitende einsetzen. Von aussen betrachtet also einer, in den man am liebsten hineinbeissen möchte – ein perfekt inszeniertes Employer Branding. Im schlimmsten Fall verlässt der Mitarbeitende das Unternehmen jedoch nach kurzer Zeit, da der Apfel nur aussen glänzt, im Innern aber faul ist. Frühfluktuationen sind jedoch sehr kostspielig. Wenn Lücken zwischen Erwartungen und tatsächlichen Erfahrungen geschlossen werden, lässt sich das jedoch verhindern. Genau das ist die Disziplin von Employee Experience Management: Lücken sichtbar zu machen und Massnahmen zur Verbesserung des Arbeitserlebnisses umzusetzen. Geschichten werden erst in einem zweiten Schritt erzählt.

Viele Arbeitgeberversprechen ähneln sich und kommen wie Werbespots eines Spas daher. Wie glaubwürdig ist das?

Um die Glaubwürdigkeit von Arbeitgeberversprechen zu erhöhen, müssen Mitarbeitende spüren, dass ihr Feedback direkt in die Verbesserung der Arbeitsumgebung einfliesst. Und nein – damit sind nicht die viel zu langen und alljährlich durchgeführten Mitarbeiterumfragen gemeint, die häufig zur unbefriedigenden Pflichtübung der HR-Abteilungen werden. Gemeint sind vielmehr kontinuierliche, gezielte und im besten Fall automatisierte Feedbacks von Mitarbeitenden entlang der Employee Journey. Ein gutes Beispiel ist eine Befragung zum Onboarding. Sollte eine neue Mitarbeiterin bei der Eintrittsbefragung angeben, sie habe noch nicht alle technischen Hilfsmittel erhalten, wird unmittelbar ein IT-Ticket ausgelöst – sie spürt: Hier bin ich an einem Ort, wo man sich um mich kümmert.

Was sollten Arbeitgebende stattdessen tun?

Auf der Reise der Mitarbeitenden, auch «Employee Journey» genannt, gibt es eine Unmenge an Erlebnissen, die in der Summe das Bild des Arbeitgebers prägen. HR könnte diese Möglichkeiten nutzen, um einen positiven Eindruck zu hinterlassen und das Engagement der Mitarbeitenden zu steigern. Ein Beispiel? Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Arbeitstag bei HR Campus. Im Posteingang der Vorwoche: «Beim Eintrittsgespräch geht ihr spazieren. Wir empfehlen dir daher, gute Schuhe für Kieswege mitzubringen.» Über Stock und Stein, bepackt mit Geschichten zum Unternehmen, spazierten wir an meinem ersten Arbeitstag durch das hügelige Zürcher Oberland. Ein Erlebnis der anderen Art, welches in den nächsten Wochen als meist zitierte Anekdote in der Familie und im Kollegenkreis galt. Bodenständigkeit als gelebter Wert hätte in den Mauern des Bürogebäudes mit einer Präsentation wohl weniger Eindruck hinterlassen.

Arbeitgeberversprechen kratzen oft nur an der Oberfläche und thematisieren die  Arbeitsbedingungen nur am Rande. Genau deswegen verlassen Mitarbeitende aber auch ihren Arbeitgeber. Wie sehen Sie das?

Uns fällt auf, dass einige Arbeitgeber im Gesundheitswesen die Geheimrezepte der boomenden und für Mitarbeitende attraktiven Technologieunternehmen imitieren. Mit einer Rutschbahn oder einem Pingpong-Tisch alleine ist es jedoch nicht getan. Neue Wege im Wettbewerb um Gesundheitsfachkräfte sind gefragt. Ein Beispiel? Letztes Jahr begleiteten wir einen Pflegebetrieb, um in Pflegefachpersonen-Arbeitsgruppen und mit einer Mitarbeiterbefragung herauszufinden, was die Organisation einzigartig macht und was die Mitarbeitenden verbindet. Entstanden ist eine «Employee Journey» mit Schlüsselmomenten und einem Kompass mit Arbeitgeberversprechen, die gezielt gemessen und in Team-Meetings thematisiert werden. So entstanden beispielsweise eine unvergessliche erste Arbeitswoche, Rückzugsmöglichkeiten im Berufsalltag oder technologische Hilfsmittel zur Vereinfachung der Personaleinsatzplanung.

Was können Unternehmen tun, um die Arbeitsbedingungen unter erschwerten Umständen zu verbessern – etwa bei ­Personalknappheit?

Nebst dem direkten Feedbackgespräch mit Mitarbeitenden setzen immer mehr Unternehmen auf digitale Befragungstools, um das Arbeitserlebnis zu messen und mitarbeiterfokussierte Verbesserungen einzuleiten. Es müssen nicht immer grosse Investitionen sein, es genügen kleine Quick Wins, um das Arbeitserlebnis zu verbessern. Erster Startpunkt in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden ist jeweils die Visualisierung und das Bewusstmachen der Employee Journey und der unternehmensspezifischen Schlüsselmomente. Mein Appell: Es gibt eine Unmenge an Erlebnissen, die in der Summe das Bild des Arbeitgebers prägen. Machen Sie sich diese bewusst und messen Sie diese mithilfe des Feedbacks der Mitarbeitenden.

HR FESTIVAL europe 2023

Workshop «Employee Experience, wie Mitarbeitende zu Fans werden»
mit Michael Frühauf (ausgebucht)

28. März 2023, 9 bis 10 Uhr
Bene Dome (A22)

Workshop «Schluss mit Arbeitskräftemangel»
mit Anja Buser, Jasmina Tschudy und Esmir Davorovic (ausgebucht)

28. März 2023, 10.30 bis 11.30 Uhr
29. März 2023, 12.30 bis 13.30 Uhr
Bene Dome (A22)

Kostenlose Tickets erhältlich auf hrfestival.ch

 

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Webinar «Employee Experience, wie Mitarbeitende zu Fans werden»
von HR Campus

30. März 2023, 9 bis 10 Uhr
kostenlos online, hr-campus.ch/de/events