Alles bleibt anders
Wie sich die Organisation der Zukunft auch immer gestaltet: Sie wird anders sein. Drei Berater geben dazu ihre Einschätzungen ab.
Veränderung ist der Punkt, über den sich die drei befragten Berater einig sind. (Bild: 123RF)
Entgegen aller anderslautenden Mantras hält Bernhard Cevey, Gründer des Beratungsunternehmens Cevey Consulting, pyramidenförmig gestaltete Hierarchien nicht für ein Auslaufmodell. Denn Menschen suchten Orientierung in Gruppen und Strukturen gäben ihnen Sicherheit. Deshalb hält er es für wichtig, Menschen einem Team, einer Führungskraft oder einem Coach zuzuordnen. Eine Meinung, die Martina von Mayerhofen, Managerin bei Promerit, nur begrenzt teilt. Zwar hätten die klassischen Organisationsstrukturen lange Zeit gute Ergebnisse hervorgebracht. Mit der funktionalen Spezialisierung und den damit einhergehenden «Abteilungs-Silos» stelle die Geschwindigkeit, mit der Veränderungen umgesetzt werden können, jedoch ein «echtes Problem» dar. Manche Firmen hätten deshalb ein parallel wirkendes Betriebssystem installiert, das über die Hierarchie gelegt werde und deren Nachteile überwinden solle.
Hierarchie und Silos überwinden
Während für Bernhard Cevey solche Konstruktionen Bestand haben dürften, sind sie für von Mayerhofen eher eine Zwischenstufe auf dem Weg in eine neue Organisationsform. Beat Fraefel, Gründer und Inhaber des Beratungsunternehmens Fraefel & Partner, hält hingegen nicht viel von solchen Schattenkonstrukten: «Sie hebeln Organisationen aus und sorgen für Konflikte.» Dann zum Beispiel, wenn Linienvorgesetzte nicht um Ressourcen angefragt würden. Diese wüssten oft nicht mehr, «was ihre Mitarbeitenden machen», hätten aber trotzdem die Macht, Kündigungen auszusprechen.
Torschlusspanik ist trotz rasanter Veränderungen und zunehmender Komplexität kein guter Ratgeber. Um als etabliertes Unternehmen zu bestehen, müsse man seine Organisationsform nicht «gleich über den Haufen werfen», meint von Mayerhofen. Ein wesentlicher Schritt sei, die Hierarchie und die funktionalen Silos in den Köpfen zu überwinden. Auch wenn diese auf Papier festgehalten seien, könne man im Alltag anders zusammenarbeiten: «Ich muss mich als Führungskraft nicht so verhalten, als habe der Mitarbeitende fünf Ebenen unter mir weniger Wert.» Ideen entstünden schliesslich überall im Unternehmen. Deshalb ginge es darum, interne Organisationsschranken abzubauen und sich zu fragen, welche Perspektiven ein Unternehmen bei einer bestimmten Frage einnehmen müsse. Da greife es zu kurz, nur die Führungskräfte beizuziehen. «Eine gemeinsame starke Vision, die im täglichen Handeln als Messlatte dient und an der sich alle Mitarbeitenden orientieren», fordert Beat Fraefel. So würden kleinere Organisationsanpassungen laufend möglich, ohne dass alle paar Jahre eine riesengrosse Umwälzung stattfinde.
Für Bernhard Cevey liegt das Erfolgsrezept zur Flexibilisierung darin, dass Veränderungen «selbstverständlicher» werden. Damit Mitarbeitende in einem sich rasch ändernden Umfeld überhaupt eigenverantwortlich agieren könnten, müsse in den Unternehmen jedoch Informationstransparenz geschaffen werden, ergänzen Fraefel und von Mayerhofen. «Jeder Mitarbeitende muss verstehen, wie die Geschäfte laufen und was sein Beitrag ist», gibt Fraefel zu bedenken. «Nur so kann er die Auswirkungen seines Handelns auf das Gesamtunternehmen einschätzen.»
Paternalistische Eltern-Kind-Muster
Dabei gäbe es einige Hürden zu überwinden, denn allzu oft legten Führungskräfte Informationen nicht offen. «Sie führen, weil sie einen Informationsvorsprung haben», sagt Fraefel. Neben dem Machterhalt ist es für von Mayerhofen die falsch verstandene Fürsorge, weshalb Führungskräfte Informationen häufig nicht teilen. «Vorgesetzte verhalten sich oft paternalistisch, indem sie zu wissen meinen, was gut für ihre Mitarbeitenden ist.» Sie gäben Informationen nicht weiter, weil sie befürchteten, ihre Mitarbeitenden damit zu überfordern. Beispielsweise, wenn es um einen Stellenabbau gehe. Damit behandelten die Führungskräfte ihre Mitarbeitenden nicht wie erwachsene Menschen, sondern eher wie unmündige Kinder.
Dieses Eltern-Kind-Muster erweise sich immer mehr als Hindernis, meint von Mayerhofen, denn die Arbeit jenseits der Linienorganisation erfordere mündige Mitarbeitende und ein Mitdenken: So würden etwa vernetztes Denken, interdisziplinäre Zusammenarbeit und agiles Arbeiten in unterschiedlichsten Teams immer wichtiger. «Als Führungskraft sollte ich auf Situationen hinarbeiten, in denen alle ihr Bestes geben und die Organisation als Ganzes ihr höchstes Potenzial entfalten kann.»
Führen nach Befehl und Gehorsam hat ausgedient, glaubt auch Bernhard Cevey: «Ich muss anderen Vertrauen entgegenbringen, dass sie ihre Sache gut machen wollen.» Den Kulturwandel vom Mitarbeitenden als unmündiges Kind zum erwachsenen Mitgestalter könne das HR entscheidend prägen, meinen alle drei Befragten. Das HR sei dabei mehr denn je gefordert, neue Wege zu gehen und dabei auch lang gehegte Glaubenssätze über Bord zu werfen.