HR Today Nr. 1/2022: Arbeit & Recht

Die arbeitsrechtliche Seite der Weiterbildung

Arbeitgeberattraktivität zeigt sich auch bei der Weiterbildung. Schnell wird verglichen, wie sich ein Unternehmen zu den Fortbildungsbemühungen eines Mitarbeitenden stellt. Im Wesentlichen wird dabei zwischen zeitlicher Unterstützung und der Kostenübernahme unterschieden.

Noch ist das Weiterbildungsgesetz WeBiG, das seit 2017 in Kraft ist, wenig bekannt, obschon es auch einen Einfluss auf firmeninterne Weiterbildungen hat. So ist in Art. 5 Abs. 2 festgehalten, dass Arbeitgebende die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu begünstigen haben. In Absatz 1 desselben Artikels wird zudem der Grundsatz aufgestellt, wonach jeder Einzelne die Verantwortung für seine Weiterbildung trägt. Schwer­gewichtig regelt das Gesetz die Weiterbildungsaufträge, die Beziehung von Bund und Kanton sowie die Finanzierung ­hinsichtlich der Weiterbildungsangebote. An konkreten Regelungen zwischen Arbeitgebenden und Mitarbeitenden fehlt es hingegen. Weshalb man sich den Normen des Arbeitsvertragsrechts (OR) und des Arbeitsgesetzes (ArG) bedienen muss.

Zeit

Wer eine Weiterbildung macht, investiert Zeit. Präsenzunterricht, Online-Module oder Selbststudium: Alle Formen erfordern von sich Weiterbildenden ein Zeitengagement. Findet die Weiterbildung zur eigentlichen Arbeitszeit statt, stellt sich die Frage, ob diese Absenz als bezahlte Arbeits- oder Minuszeit gewertet wird. Im Obligationenrecht sucht man diesbezüglich aber vergeblich nach Bestimmungen. Etwas hilfreicher ist das Arbeitsgesetz respektive die Verordnung 1 dazu. In Art. 13 ArGV 1 wird definiert, was als Arbeitszeit gilt und was nicht. So wird in Abs. 4 ausdrücklich erwähnt, dass die Zeit für Aus- und Weiterbildung dann als Arbeitszeit gilt, wenn diese von Gesetzes wegen notwendig ist oder auf Anordnung des Arbeitgebenden stattfindet. Es ist also nicht relevant, ob die Weiterbildung in der Arbeits- oder der Freizeit (beispielsweise abends oder samstags) erfolgt. Entscheidend ist, ob sie vom Arbeitgebenden angeordnet wurde oder einem Wunsch des Mitarbeitenden entspricht.

In der Praxis ist die Grenzziehung oft aber nicht eindeutig, weshalb sich Arbeitgebende und Mitarbeitender in der Regel vorgängig verständigen und die Beteiligung des Arbeitgebenden vertraglich festlegen. Häufig wird vereinbart, dass bei Absenzen kein Zeitabzug erfolgt, freie Tage (beispielsweise Samstage) aber nicht zusätzlich als Arbeitszeit geltend gemacht werden können. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob ein Mitarbeitender überhaupt Anspruch darauf hat, für eine Weiterbildung von der Arbeit freigestellt zu werden. Auch diesbezüglich fehlt es an klaren gesetzlichen Regelungen. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, ob der Arbeitgebende verpflichtet ist, dem Mitarbeitenden die Weiterbildung zu ermöglichen. Aufgrund der allgemeinen Treuepflicht muss der Mitarbeitende gegenüber dem Arbeitgebenden bei der Planung des Weiterbildungszeitpunkts Rücksicht auf die betrieblichen Bedürfnisse nehmen. Zu beachten ist ferner, dass die gesetzlichen Ruhezeiten eingehalten werden müssen. Wenn Weiterbildungszeit Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes darstellt, wird die wöchentliche Höchstarbeitszeit jedoch schnell über- oder die tägliche Ruhezeit unterschritten.

Lohn

Wenn der Arbeitgebende die Weiterbildung angesetzt hat, handelt es sich im Grundsatz um Arbeitszeit. Dafür muss der Mitarbeitende entschädigt werden. Soweit nichts anderes vereinbart wurde, ist der übliche Lohn zu zahlen. Denkbar ist zudem, dass die Parteien eine gesonderte Vereinbarung treffen und der Lohn während der Weiterbildung beispielsweise zu einem reduzierten Ansatz bezahlt wird. Erfolgt die Weiterbildung während der an sich arbeitsfreien Zeit, ist eine Regelung empfehlenswert, um zu verhindern, dass der Mitarbeitende durch die Weiterbildung Überstunden generiert und sich dadurch einen persönlichen Vorteil verschafft. Handelt es sich um keine arbeitsplatzspezifische oder angeordnete Weiterbildung, steht der Mitarbeitende während der Weiterbildungszeit nicht im Dienst des Arbeitgebenden, womit keine Arbeitszeit vorliegt und somit auch kein Lohnanspruch besteht. Vielmehr stellt die Weiterbildung des Mitarbeitenden dann eine Freizeitaktivität dar, womit auch hinsichtlich Ruhezeiten keine Restriktionen bestehen.

Kosten

Weiterbildungen kosten, unabhängig davon, ob sie von externen Dienstleistenden oder vom Arbeitgebenden durchgeführt werden. Ist die Weiterbildung notwendig, müssen diese Kosten vom Arbeitgebenden getragen werden. Auch hier wird unterschieden, wer das Hauptinteresse an der Weiterbildung hat. Ist diese vorgeschrieben, sind diese Kosten gemäss Art. 327a OR zwingend vom Arbeitgebenden zu bezahlen.

Dabei ist keine abweichende vertragliche Regelung zulässig. Die Kostentragung kann daher nur dann vertraglich abweichend vereinbart werden, wenn es sich um eine Weiterbildung handelt, die vom Mitarbeitenden gewünscht oder für diesen allgemein nutzbringend ist. Sofern Arbeitgebende die Weiterbildungskosten übernehmen müssen, können diese nachträglich nicht zurückverlangt werden. Selbst dann nicht, wenn das vertraglich vorgängig vereinbart worden wäre. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung ist nur für Kosten möglich, die nicht als notwendiger Auslagenersatz zu qualifizieren sind. Also für Weiterbildungen, die nicht arbeitsplatzspezifisch sind oder vom Arbeitgebenden angeordnet wurden.

Fazit

Ob der Arbeitgebende die Weiterbildung bezüglich Zeit und Geld mitfinanzieren muss, hängt davon ab, wem die Weiterbildung nützt. Vertragliche Vereinbarungen für allfällige Rückzahlungen sind nötig, beschränken sich aber auf jene Weiterbildungen, die freiwillig absolviert werden: also dem Mitarbeitenden in seinem beruflichen Fortkommen einen Nutzen bringen.

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Brigitte Kraus ist ­Inhaberin der Agentur konzis. Sie ist Juristin und Unternehmenskommunikatorin und begleitet Unternehmen in Ver­änderungssituationen, ­insbesondere bei Betriebsübernahme, Neuausrichtung, Personal­massnahmen sowie bei der Gesprächsführung und Verhandlung mit Gewerkschaften und Arbeitnehmer­vertretungen.

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