Warum weigern sich Unternehmen, ältere Mitarbeitende zu beschäftigen?
Die Alterung ist ein Megatrend. Geschäftsführer und Vorstände, die das ignorieren, handeln nicht im Interesse des Unternehmens. Dabei spielen überholte Klischees und die Vergangenheit eine grosse Rolle.
Immer wieder bekomme ich zu hören, dass ältere Mitarbeiter unproduktiv und zu teuer seien. Deshalb sollen sie möglichst früh raus. Es gibt weltweit keine einzige Studie, die belegt, dass die Produktivität mit zunehmendem Alter abnimmt. Es gibt aber viele Studien, die das Gegenteil beweisen. Kurioserweise glauben aber dieselben Unternehmer, dass sie selbst bis 85 unabkömmlich sind.
Wenn ein Mitarbeiter als zu teuer erscheint, ist das zunächst nicht seine Verantwortung. Führungskräfte sollten ausreichend Fantasie haben und ihre älteren Mitarbeitenden so einsetzen, dass diese eine Gelegenheit haben, einen ausreichenden Beitrag an den Unternehmenserfolg zu leisten. Wer sie raushaben will und sie das spüren lässt, kann keinen Leistungsschub erwarten. Nicht zuletzt ist die Zeit nicht vergessen, als Mitarbeitende politisch gewollt und gefördert mit Mitte 50 aufs Abstellgleis geschoben wurden. Sie sollten Platz machen für die Jungen, die es zu dieser Zeit im Überfluss gab. Das ist aber längst vorbei.
Unzählige Firmen haben seit Jahren grösste Schwierigkeiten, ausreichend junge und qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Das wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. In den nächsten Jahren gehen die geburtenstärksten Jahrgänge in die Rente. Für Firmen, die nicht vorgesorgt haben, wird das zum personalpolitischen Desaster. Eine Lösung ist die möglichst lange Beschäftigung sowie die Neueinstellung älterer Mitarbeitender.
Inwiefern werden ältere Mitarbeitende durch solche schiefen Altersbilder in Ihrer Entwicklung eingeschränkt?
Es gibt Betriebe, die bieten ihren Mitarbeitern ab 50 Seniorensportprogramme oder einen Gesprächspartner für Probleme älterer Mitarbeitender. Das ist naiv und skandalös. Ältere Mitarbeitende werden auch immer wieder gefragt, wie lange sie noch arbeiten müssen und wann sie endlich in Rente gehen. Wer permanent darauf hingewiesen wird, dass er nicht mehr gebraucht wird, verabschiedet sich in die innere Kündigung oder zum schnellstmöglichen Zeitpunkt aus dem Erwerbsleben.
In vielen Unternehmen werden 50 Plus zudem keine Weiterbildungsangebote mehr gemacht. Ein Wahnsinn, denn sie sind noch mindestens 15 Jahre da. Wenn man sich in den Unternehmen dann noch darüber beschwert, dass sie den Anschluss verpasst haben, ist das purer Sarkasmus. Das gilt ebenso für Führungskräfte, die glauben, 57-Jährige sollten genauso arbeiten wie 29-jährige.
Was ist Ihre Botschaft an das HR-Publikum?
Es gibt keinen Grund, ältere Mitarbeitende zu ignorieren. Nicht das Alter ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu. Setzen Sie auf Ältere – als Mitarbeitende und als Kunden. Alles andere führt ins Abseits. Die gesellschaftliche Alterung ist kein Schnupfen. Sie geht nicht vorbei.
Buchtipp
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Helmut Muthers: Ab 50 ist man alt genug, um zu wissen, was man will und kann. 256 Seiten. Plassen Verlag, 2017.