Ein neues Phänomen – die fünfte Loyalität
Bei der Mitarbeiterbindung, zunehmend auch Retention Management genannt, geht es um Massnahmen, die aktiv eingeleitet werden, um die Mitarbeitenden, die man halten will, an das Unternehmen zu binden. Doch was in Wirklichkeit erreicht werden muss ist Loyalität. Insgesamt fünf Loyalitäten spielen dabei eine Rolle.
Mitarbeiter sind auch ihren Netzwerken gegenüber loyal. (Bild: 123RF)
Loyalität ist eine innere Haltung. Und sie zählt zu unseren edelsten Werten. Sie ist nicht an einen Arbeitsvertrag gebunden. Man kann sie nicht erkaufen, nicht einfordern und schon gar nicht erzwingen. Man bekommt sie vielmehr aus freien Stücken geschenkt.
Loyale Mitarbeitende sind ihrem Arbeitgeber nicht nur physisch, sondern vor allem im Herzen treu. Sie identifizieren sich mit ihm und machen dessen unternehmerische Interessen zu ihren eigenen. Sie sprechen oft, gut und gerne über ihre Firma – drinnen und draussen. Sie empfehlen deren Angebote und das Unternehmen als Arbeitgeber vehement weiter.
Solche Loyalität entsteht durch Vertrauen und Anziehungskraft und nicht durch Druck oder Zwang. Sie zeigt sich auf vielfache Weise: Leistungsbereitschaft, Fairness, Verlässlichkeit, Aufrichtigkeit gehören genauso dazu wie Leidenschaft und Integrität.
Vier Grundformen der Mitarbeiterloyalität
Sich voll und ganz mit einem Unternehmen identifizieren zu können heisst auch, sich selbst treu zu sein. So gibt es die Loyalität gegenüber sich selbst, also nach innen, und die Loyalität gegenüber anderen, also nach aussen. Im Detail lassen sich auf den ersten Blick vier Aussen-Loyalitäten erkennen:
- Die Loyalität zum Unternehmen als solchem
- Die Loyalität zur direkten Führungskraft
- Die Loyalität zu Kollegen und Ansprechpartnern
- Die Loyalität zur eigenen Arbeit
Das Karriereportal Monster hat dazu vor einiger Zeit eine Online-Umfrage gemacht, an der knapp 25'000 europäische Arbeitnehmer teilgenommen haben. Die Frage «Wem gegenüber sind Sie bei der Arbeit am loyalsten?» erbrachte folgende Antworten:
- Mir selbst 33%
- Meinem Team 32%
- Meinem Unternehmen 19%
- Meinem Chef 10%
- Niemandem 6%
Neuerdings kommt nun noch eine weitere Loyalität hinzu: die Loyalität zu den eigenen Netzwerken.
Ein neues Phänomen: die fünfte Loyalität
In vielen Menschen steckt der Wunsch nach Abwechslung und der unbändige Drang, zu neuen Ufern aufzubrechen. Und die heutige Arbeitswelt macht für viele das nomadische Jobben unumgänglich. Doch gleichzeitig hegen wir auch das tiefe Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe Gleichgesinnter.
Die Netzwerkbildung im Web ist ein sichtbares Zeichen dafür. Auch im Online-Gaming setzt sich dies fort. Die populärsten Spiele sind Gemeinschaftsspiele. Und meist geht es nicht nur darum, Badges und höhere Level zu erreichen, es gilt auch, in renommierte Gemeinschaften und Gilden aufgenommen zu werden, um gemeinsam zu siegen.
Soziale Netzwerke sind nichts anderes als neue Zufluchtsorte und moderne Formen des Herdentriebs. «Social Media ist nur die digitale Entsprechung eines fundamentalen menschlichen Bedürfnisses. Wir möchten verbunden sein, einen Unterschied machen, Einfluss haben, vermisst werden», sagt der Online-Experte Seth Godin.
Soziale Netzwerke sind Verbundenheitskatalysatoren
In Zeiten der Vereinzelung, der schleichenden Vereinsamung und des sozialen Autismus können kollaborative Unternehmen den Menschen eine Heimat geben. Gerade die junge Generation sucht nach neuen Formen des Miteinanders. Und in digitalen Netzwerken werden diese gefunden.
Die Verbundenheit zu solchen «Wahlverwandten» stellen Millennials über andere Werte. Mit ihnen fühlen sie sich über gleiche Lebenseinstellungen, ähnliche Weltanschauungen und gemeinsame Erfahrungen verbunden. In seinen Peer-Groups hilft man einander mit guten Ratschlägen und steht füreinander ein. Man beeinflusst sich bei Lebensentscheidungen und tut die gleichen Dinge. Status ergibt sich aus dem, was man für die anderen tut, und nicht aus dem, wer man ist.
Horizontale Loyalitäten sind wichtiger als vertikale
Frühere Loyalitäten waren vertikaler Natur. Man war zum Beispiel ein eingefleischter Siemensianer – ein Mitarbeitender der Firma Siemens also – und dem Unternehmen ein Leben lang treu. Solche Topdown-Loyalitäten erodieren derzeit massiv.
Die bedingungslose Obrigkeitsloyalität von einstmals gibt es nicht mehr. Horizontale Loyalitäten sind an ihre Stelle getreten. Netzwerke haben die Hierarchie als Ordnungsprinzip abgelöst. Und sie werden überall da zum Sicherheitsnetz, wo herkömmliche Sicherheitsnetze versagen.
Denn die sogenannten «strong ties», zu denen traditionelle Familienverbünde und lebenslange Anstellungen gehörten, sind vom Aussterben bedroht. An ihre Stelle sind die «weak ties», die lockeren Bande getreten.
Alle fünf Loyalitäten müssen entwickelt werden
Die Loyalität der jungen Generation gehört den Gleichrangigen, dem Freundeskreis, den lockeren Beziehungen im beruflichen und privaten Bereich. Ihnen gegenüber sind sie verbundenheitssüchtig.
Doch insgesamt müssen alle fünf Loyalitäten entwickelt werden. Bleibt eine auf der Strecke, dann wirkt sich dies auf das Treueverhalten der Mitarbeitenden nachteilig aus. Welche der fünf im Vordergrund steht, das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Während zum Beispiel die Loyalität des «Analog Senior» vor allem der Firma gehört, gehört die Loyalität der «Digital Natives» ihrem Netzwerk. Für sie ist der eigene Arbeitgeber nichts anderes als eines von mehreren Netzwerken, in denen man sich parallel bewegt.
Firmen, die in der Lage sind, netzwerkartige Strukturen nachzubilden, sind für sie einen längeren Aufenthalt wert. Organisationen hingegen, die ihnen verbieten, ihre Netzwerk-Loyalitäten zu leben, kommen für Digital Natives nicht in Betracht.
Das Buch zum Thema (Managementbuch des Jahres 2014)
Anne M. Schüller: Das Touchpoint-Unternehmen. Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt. Gabal 2014. Auch als Hörbuch erhältlich.