Interne Untersuchungen haben Hochkonjunktur
Diese fünfteilige Mini-Serie befasst sich mit arbeitsplatzbezogenem Fehlverhalten und dem Umgang damit. Der dritte Teil beschreibt die ersten Schritte einer internen Untersuchung.
Mini-Serie «Arbeitsplatzbezogenes Fehlverhalten». (Bild: iStock)
Arbeitgeberinnen müssen wissen, wie sie richtig auf Hinweise bezüglich Fehlverhalten am Arbeitsplatz reagieren. Denn mittlerweile muss jedes Unternehmen ab einer gewissen Grösse davon ausgehen, dass es früher oder später zu einer internen Untersuchung kommt. Wird in einem Unternehmen ein mutmassliches Fehlverhalten bekannt, ertönt rasch der Ruf nach schonungsloser Aufklärung. Unternehmen versprechen sodann vollmundig, umgehend eine Untersuchung einzuleiten. Diese ist aber nicht immer das erhoffte Allheilmittel. Oft führen falsche Erwartungen und eine unzureichende Umsetzung der Untersuchung zu Frustrationen. Die Gründe: Vielen Unternehmen fehlt die Erfahrung mit solchen Krisensituationen. Hinzu kommt das Fehlerrisiko, weil Entscheidungen meist rasch und unter Druck gefällt werden müssen.
Definition
Unter «interner Untersuchung» bezeichnet man eine systematische, umfassende Ermittlung eines Sachverhalts sowie die Beurteilung der ermittelten Beweismittel bezüglich eines mutmasslichen Fehlverhaltens, die durch das Unternehmen selbst durchgeführt wird. Es handelt sich somit um eine «private Untersuchung», kein behördliches Verfahren. Eine interne Untersuchung kann vor oder parallel zu einem behördlichen Ermittlungsverfahren, aber auch unabhängig von einem solchen durchgeführt werden. Übliche Untersuchungshandlungen sind insbesondere die umfassende Dokumente- und Daten-Auswertung, die Befragung von Arbeitnehmenden und das Durchführen von Hintergrundrecherchen. Während der Untersuchung werden zahlreiche Zwischenprodukte wie Gesprächsprotokolle, Zwischenberichte oder rechtliche Einschätzungen erstellt. Die Untersuchung endet in der Regel mit einem abschliessenden Bericht an klar definierte Adressaten.
Um Fehler möglichst zu vermeiden, sind bei der Vorbereitung und der Durchführung einer internen Untersuchung folgende Punkte zu beachten:
1) Muss eine interne Untersuchung durchgeführt werden?
Diese Frage steht am Anfang eines Verdachts auf Fehlverhalten eines Arbeitnehmenden. In einem ersten Schritt ist die Relevanz eines eingegangenen Hinweises auf ein mutmassliches Fehlverhalten zu bewerten. Nur wenn tatsächlich ein massgebliches Fehlverhalten vorliegt, beispielsweise ein strafbares Verhalten wie ein Compliance-Verstoss, Mobbing, Diskriminierung, sexuelle Belästigung oder ähnliches, muss die Angelegenheit weiterverfolgt und gegebenenfalls eine interne Untersuchung eingeleitet werden.
Ein Verdacht beziehungsweise ein Hinweis auf einen konkreten Vorfall kann schriftlich oder mündlich geäussert werden. Er kann von intern oder von extern (zum Beispiel einem Kunden oder einem Verwandten eines Arbeitnehmenden) erfolgen. Zu beachten ist, dass die meisten internen Untersuchungen durch Whistleblower (= Hinweisgeber) ausgelöst werden. Meldungen von Hinweisgebenden auf Fehlverhalten sind deshalb immer ernst zu nehmen. Liegt ein Verdacht oder eine direkte Beschwerde vor, muss die Arbeitgeberin den Vorfall umgehend dokumentieren. Um das Vertrauen der Arbeitnehmenden in die Unternehmensstrukturen und das interne Meldesystem zu stärken, muss die Arbeitgeberin zudem möglichst schnell auf Meldungen reagieren und die nötigen Abklärungen unverzüglich vornehmen. Allerdings sollte es die Arbeitgeberin vermeiden, dem Hinweisgebenden Anonymität zuzusichern, da ein solches Versprechen unter Umständen nicht eingehalten werden kann.
- Wird nach durchgeführter summarischer Erstprüfung festgestellt, dass kein massgebliches Fehlverhalten vorliegt und deshalb keine interne Untersuchung durchgeführt werden muss, sollte dem Hinweisgebenden eine entsprechende Rückmeldung auf seine Meldung gegeben werden.
- Muss oder soll eine interne Untersuchung durchgeführt werden, haben Arbeitgeberinnen eine geeignete Person mit der Untersuchung zu beauftragen. Diese muss unabhängig und fachlich in der Lage sein, den Sachverhalt speditiv abzuklären.
Mit der Untersuchung werden in einfachen, überschaubaren Fällen häufig unternehmensinterne Fachpersonen beauftragt (beispielsweise Compliance Officer oder Personalverantwortliche). In heikleren oder grösseren Fällen, oder wenn Kadermitarbeitende, das Management oder der Verwaltungsrat betroffen sein könnten, werden regelmässig externe Fachpersonen beauftragt, beispielsweise eine Anwaltskanzlei. Dabei ist es ist nicht immer ratsam, die «Hauskanzlei» des Unternehmens mit der Untersuchung zu beauftragen, da diese der Befangenheit bezichtigt werden könnte (Stichwort: Gefälligkeitsuntersuchung).
Die Beauftragung einer externen Fachperson bietet eine grössere Unabhängigkeit. Sodann kann das Anwaltsgeheimnis einen gewissen Schutz bieten.
Essenziell ist, dass schon am Anfang die Zuständigkeiten für die Untersuchung geklärt werden. Das heisst: Wer entscheidet auf Seiten der Arbeitgeberin über die interne Untersuchung? Wer führt die Untersuchung? Wer ist für die elektronische Beweissicherung zuständig und welche externen Spezialisten werden benötigt? Wer kommuniziert intern? Wer kommuniziert gegen aussen?
2) Müssen Sofortmassnahmen eingeleitet werden?
Umgehend nach Eingang der Verdachtsmeldung ist zu prüfen, ob Personen durch das mutmassliche Fehlverhalten betroffen oder beeinträchtigt sind. Falls das zutrifft, sind für die Untersuchungsdauer provisorische Massnahmen zum Schutz der betroffenen Person zu ergreifen (beispielsweise Versetzung in eine andere Abteilung, neue Teamzusammensetzung, etc.). Das ergibt sich aus der Fürsorgepflicht der Arbeitgeberinnen. Diese sind verpflichtet, betroffene Arbeitnehmende durch aktives Einschreiten vor weiteren Nachteilen und Belästigungen umgehend zu schützen. Die Massnahmen dürfen aber nicht so weit gehen, dass sie auf eine Vorverurteilung hinauslaufen.
Kommt es zur internen Untersuchung, sollte das Unternehmen als erste Handlungen die benötigten Daten sichern, um eine Löschung von relevantem Material (durch die betroffene Person) zu verhindern sowie den Datenzugang zu gewährleisten – unter Einhaltung der anwendbaren datenschutzrechtlichen Bestimmungen.
Ferner ist frühzeitig eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Es sollte darauf geachtet werden, dass es weder explizit noch implizit zu Vorverurteilungen seitens des Arbeitsgebenden kommt und dass in der Belegschaft nicht plötzlich vom «Täter» und «Opfer» gesprochen wird.
Der nächste Beitrag der Mini-Serie «Arbeitsplatzbezogenes Fehlverhalten» erscheint am 18. Oktober 2021.