Recruiting

Recruiting ist (auch) nicht mehr, was es mal war ...

Viele Firmen sehen sich bei der Rekrutierung heute gezwungen, erprobte Wege fundamental zu hinterfragen: Wissen wir überhaupt, wer wir sind? Wo wir hin wollen? Was uns von anderen Firmen unterscheidet? Ein Gedankenanstoss.

Ach, was waren das für Zeiten. Sie, die schon ein paar Jahre mehr im HR verbracht haben. Sie, die noch Zeit für Mitarbeiter hatten. Sie, die vor lauter Nadeln kaum den Heuhaufen fanden. Sie, die wussten, dass im Kandidaten-Teich genügend passende Fische schwimmen. Ob Angel oder Netz – die Auswahl des richtigen Gerätes war nicht relevant. Es war allenfalls eine Kostenfrage und nicht eine der richtigen Media­strategie, DEN dicken Fisch an Land zu ziehen. «Wollen wir halbseitig im Stellenanzeiger oder doch viertelseitig im Alpha? Oder doch lieber in der NZZ? Wir wollen schliesslich unseren Employer Brand noch etwas aufwerten!»

Stopp! – Employer Brand war als Terminus damals noch gar nicht etabliert, noch nicht einmal in der einschlägigen HR-Szene vorgestellt worden. Dies geschah erstmals 1996 im Journal of Brand Management im Fachartikel «The employer brand» von Tim Ambler und Simon Barrow. Ja – Employer-Branding ist noch eine ziemlich junge Disziplin. Und doch hat sich seither dramatisch viel verändert. Die traditionellen Verlagshäuser wissen davon ein Lied zu singen. Selbst der Stellenanzeiger, zeitweise eine eigene Zeitung in der Zeitung, schrumpfte kontinuierlich bis auf seine heutige Erscheinung: eine integrierte Doppelseite.

Eigentlich war doch alles absehbar, nicht? Die demografischen Prognosen liessen sich ziemlich genau errechnen. Die wirtschaftliche Entwicklung mag etwas unberechenbarer gewesen sein. Die entstehende Diskrepanz war aber offenkundig: Da geschieht etwas im Arbeitsmarkt.  Business-Menschen nennen das Nachfrageverschiebung. Vom Arbeitgeber- hin zum Arbeitnehmermarkt. Eine Veränderung der Kräfteverhältnisse sondergleichen. Diese kam einhergehend mit einer unglaublich dynamischen Entwicklung der verfügbaren Technologien. All das hinterliess viele von uns irgendwie staunend und ratlos. Okay – die Online-Jobbörsen waren nach anfänglicher Skepsis bald einmal etabliert. Aber seien wir ehrlich – das war lediglich eine Kanalverlagerung der Stellenanzeigen. Von Print zu Online. Wirklich beschäftigt haben sich die wenigsten damit. Immer noch in der Hoffnung, der passende Fisch möge anbeissen. Das hat lange ordentlich funktioniert. Nur: Das war einmal ...

Willkommen in der Neuzeit des Recruitings!

Die Nachfrageveränderung zwingt viele Firmen, kleine und grosse gleichermassen, sich mit dem Thema der Rekrutierung bewusster auseinanderzusetzen. Neue Wege auszuprobieren. Bisher Erprobtes zu hinterfragen, weil es schlicht nicht mehr gleich erfolgsversprechend ist wie früher. Grundvoraussetzung dafür ist das Anerkennen der Realitäten: Firmen müssen sich um Talente bemühen. Dass bestehende Mitarbeiter sowieso gepflegt werden müssen, versteht sich an dieser Stelle von selbst. Das ist eine Frage der Geisteshaltung und nicht des richtigen Kommunikationskanales.

Können wir denn aktiv auf Kandidaten zugehen? Wie sprechen wir sie an? Lassen es unsere Prozesse zu, dass wir unser Unternehmen – insbesondere das HR als Repräsentant zu den Kandidaten – transparent darstellen? Dass wir auf Augenhöhe kommunizieren? Dass wir Dialoge führen? Dass wir authentisch wirken? Wissen wir denn überhaupt, wer wir sind? Wo wir hin wollen? Was uns unterscheidet? Veränderung beginnt auch hier im Kopf. Erst dann in Prozessen, Kanälen, Methoden und Organisationsformen.

Die Rolle der Social Media

Eines vorneweg: Die Nutzung der Social Media im Recruiting wird Ihre Herausforderungen nicht verringern. Im Gegenteil: Der Umgang mit den neuen kommunikativen Formen will verstanden und gelernt sein. Dennoch macht es Sinn, sich damit vertiefter auseinanderzusetzen. Schliesslich können Social Media, je nach Zielsetzung, für diverse Zwecke genutzt werden: von der aktiven Ansprache möglicher Kandidaten, dem Aufbau von Communities und möglichen Talentpools, der stringenten Führung Ihrer Arbeitgebermarke bis hin zu unterstützenden Dialogmöglichkeiten in einer frühen Phase der Kandidatenbeziehung, dem Miteinbezug von Mitarbeitern im Recruiting-Prozess, dem Ausschreiben offener Stellen und vieles mehr. Eines ist sicher: Über Sie als Arbeitgeber wird gesprochen. Es ist ratsam, an diesem Prozess teilzunehmen und sich nicht davor zu verschliessen.

Neues Rollenprofil im Recruiting

Die Verknappung der Kandidaten verbunden mit einer rasanten Fragmentierung der Recruitingmöglichkeiten stellt HR-Abteilungen vor immer grössere Herausforderungen. Nicht adäquat nachbesetzbare Stellen geraten immer öfter in den Management-Fokus, womit der Druck auf das Recruiting steigt. Gerade auch KMUs, die über keine Personalmarketingabteilung verfügen, bekommen das zu spüren. Ihnen fehlen oftmals finanzielle und personelle Ressourcen. Geschweige denn, dass sie Zeit hatten (oder sich die Zeit nahmen), inhaltlich auf dem Laufenden zu bleiben. Es wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als dies nachzuholen. Das Rad der Zeit dreht sich nicht zurück. Nehmen Sie die Herausforderung als Chance wahr!

Recruiting Guide 2014

Dieser Artikel erschien im Recruiting Guide 2014. Das Nachschlagewerk für Recruiter und Personalverantwortliche soll in dreifacher Hinsicht als Arbeitsinstrument für Ihr professionelles Recruiting dienen: Zum Auftakt geben im redaktionellen Teil Praxisexperten einen Einblick in den aktuellen Diskurs acht verschiedener Recruiting-Disziplinen. Diese reichen von Print- und Onlineplattformen über neuste Online-Strategien bis hin zur Temporärarbeit, Interim-Management, Personalmarketing und Recruiting-Software. Im zweiten Teil bieten 40 Firmenporträts einen Überblick über die Dienstleister aus den oben beschriebenen Recruiting-Bereichen. Im dritten Teil finden Sie 100 wichtige Dienstleister-Adressen.

Recruiting Guide 2014, herausgegeben von HR Today und Prospective Media Services AG, gebundenes Buch, 148 Seiten, CHF 19.90. Hier bestellen.

 

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Michel Ganouchi ist Inhaber der recruma gmbh sowie Direktor Schweiz der DEBA (Deutsche Employer Branding Akademie). Der Marketingexperte, Dozent und ehemalige Country Manager von Monster berät Unternehmen in den Disziplinen Employer Branding, HR-Marketing und Social Media für HR.

Weitere Artikel von Michel Ganouchi

Das könnte Sie auch interessieren