Change-Projekt

Moneyhouse: Neuer Fokus in fünf Stunden

Ein neues Team, erweiterte Aufgaben und ein neuer Chef in einer Doppelfunktion: Im Herbst 2017 sieht sich das zehnköpfige Kundendienst-Team von Moneyhouse mit strukturellen und personellen Veränderungen konfrontiert. In einem fünfstündigen Workshop schafft es das Team, sich neu auszurichten – und messbare Erfolge zu erzielen.

2014 übernimmt die NZZ-Mediengruppe die Wirtschaftsauskunfts-Plattform Moneyhouse. Zwei Jahre später bekommt Moneyhouse eine neue CEO, die eine neue Digitalisierungs- und Wachstumsstrategie ins Leben ruft.  Das wiederum führt zu Veränderungen struktureller und personeller Natur.

Im Herbst 2017 finden Umwälzungen im Marketing-Bereich statt, sowohl auf Führungs- wie auf Mitarbeiterebene. Betroffen ist auch die zehnköpfige Abteilung «Sales & Customer Service». Die Aufgaben des Teams werden erweitert. Mitarbeitende müssen entsprechend proaktiver und selbstständiger handeln. Das fordert die neue Wachstums- und Digitalisierungsstrategie. Ausserdem erhält das Team einen neuen Leiter, der seine bisherige Funktion als Produktmanager behält und sein Pensum so auf zwei anspruchsvolle Rollen aufteilt.

Eine schnelle, effektive Neuausrichtung des Teams auf die neuen Gegebenheiten ist notwendig.

Die Hauptziele:

  • Den Kundenkontakt stärken und damit auch die KPIs wie Umsatz, Anzahl Kundenkontakte pro Tag oder die Bearbeitungsdauer einer Reklamation verbessern.
  • Die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit des Teams fördern.
  • Eine Grundlage schaffen, um weitere Massnahmen zur Qualitätssteigerung umzusetzen.

Kunden lässt man nicht warten

Als ersten Schritt der Neuausrichtung wählt der neuer Leiter Sales & Customer Service, Maik Domnik, zusammen mit der Personalentwicklungsabteilung der NZZ-Mediengruppe einen sogenannten «Teamstreaming»-Workshop. Die Methode hatte in einer ähnlichen Situation beim Telekomunternehmen UPC sowie bei anderen Unternehmen in der IT- und Transportbranche bereits positive Ergebnisse gebracht.

«Teamstreaming» ist eine Methode zur schnellen und effektiven Team-Ausrichtung. Die Beteiligten richten ihre individuellen Handlungen dabei gezielt auf geschäftlichen Ziele aus, so dass die Einzelnen ihre Leistung abgestimmt, effizient und gleichzeitig menschlich erbringen können.

Die Methode wird vor allem bei Reorganisationen, strategischen Neuausrichtungen und zur allgemeinen Produktivitätssteigerung angewendet. Sie folgt einem klar strukturierten Prozess. Ausgang und Endpunkt sind die rein betriebswirtschaftlichen Ziele. Dazwischen werden dann emotionale Aspekte berücksichtigt und integriert. Die Teilnehmer definieren ihre gemeinsame Ausrichtung und entwickeln konkrete Schritte für die Umsetzung.

Die Methode kombiniert so sachlich orientierte Methoden wie man sie von Projekt-Kickoffs kennt mit Ansätzen der Kybernetik, der Neuropsychiatrie und des lösungsorientierten Coachings.

Das betroffene Team bei Moneyhouse kümmert sich um die Kunden – und Kunden lässt man nicht warten. Eine erste Schwierigkeit bestand darin, das gesamte Kundendienst-Team weg von den Arbeitsplätzen und zusammen in einen Workshop zu bringen. Der Workshop musste kurz sein – maximal fünf Stunden. Die Standardversion von eineinhalb Tagen wurde zu einer Kompaktversion verdichtet.

Auch kritischen Stimmen Raum gegeben

Im halbtägigen Workshop koppelten die Teilnehmer «harte» Leistungskennzahlen an eine Vision. Das Team bei Moneyhouse wählte als Motto «Aus dem Wunsch wird eine Realität» und verknüpfte diese – im Rahmen einer Kombination aus Vortrag und Diskussion – mit Leistungskennzahlen und deren Bedeutung im Geschäftsalltag. Die Effizienz dieses interaktiven Teils steigerte der Workshopleiter mit didaktischen Mitteln.

Darüber hinaus legte der Workshopleiter den Fokus darauf, die Identifikation der Mitarbeitenden mit deren Aufgaben, dem Unternehmen und der NZZ-Mediengruppe zu erhöhen – durch die Integration und Diskussion strategischer und kultureller Elemente wie zum Beispiel die Werte der Mediengruppe.

«Es blieb an diesem halben Tag auch genug Zeit, um Fragen kritisch eingestellter Team-Mitglieder anzugehen und konkrete Lösungsansätze zu definieren», sagt Maik Domnik. Das Potential der kreativen Kontroverse wollte man gezielt ausschöpfen.

Die Mitarbeitenden erhielten die Gelegenheit, nicht nur auf Verstandesebene zu begreifen, sondern auch auf Herzens- und Bauch-Ebene. Sie bauten im Workshop einen neuen Bezug zu ihrer Rolle auf, indem sie nicht nur den Sinn ihrer Funktion und Arbeitsstelle im grösseren unternehmerischen Zusammenhang verstanden haben, sondern auch in die Tiefe der Prozessbedeutung eintauchten. Dies half ihnen, die Erkenntnisse in Handlungen umzuwandeln und im Alltag zu verankern.

Tiefere Abwesenheitsrate, bessere Leistung, mehr Effizienz

Drei Monate nach dem Workshop zieht Abteilungsleiter Maik Domnik positive Bilanz: Die Abwesenheitsrate sei merklich zurückgegangen, das Team habe mehr Umsatz erzielt und die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen sei deutlich besser geworden.

Zudem sei die Produktivität gestiegen: So habe es das Team beispielsweise geschafft, die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines wichtigen Prozesses von vier auf zwei Wochen zu verkürzen. Beim Ausfall einer zentralen Mitarbeiterin habe sich das Team erstmals aus eigener Initiative selbst organisiert – früher sei das nie der Fall gewesen.

6 Praxistipps

Learnings aus dem Fallbeispiel Moneyhouse für Linienverantwortliche, HR- und Change-Management-Experten:

1. Finden Sie die Balance zwischen Sache und Emotion.


Konkret bedeutet dies: Kombinieren Sie die betriebswirtschaftlichen Ziele mit einer emotionalen Vision, damit Ziele sowohl auf Verstandesebene als auch für Herz und Bauch fassbar werden.

2. Fördern Sie Kritik und setzen Sie sie konstruktiv ein.


Betrachten Sie die Mitarbeitenden, die «Advocatus Diaboli» spielen, als erfolgskritischste Ressource. Lassen Sie all Ihre Leute ihre Bedenken und Einwände offen aussprechen und finden Sie den konstruktiven Sinn dahinter: Solche Mitarbeitenden beabsichtigen meist nur das Beste für das gesamte Team.

3. Fördern Sie einen agilen Führungsstil. 


Die traditionellen und hierarchiebezogenen Führungsstile verlieren an Bedeutung, da netzwerkartige Organisationen entstehen, die schnelle und flexible Aktion und Reaktion benötigen. Mehr Agilität in der Führung bedeutet, Verantwortung zu teilen und abzugeben, Selbstverantwortung und Eigengestaltung zu fördern und den Mitarbeitenden zu vertrauen. So kann die Organisation schnelle Entscheide treffen und Ergebnisse erzielen.

4. Bieten Sie Ihren Mitarbeitenden effektive Brücken von der alten in die neue Situation.


Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und braucht Zeit, um Veränderungsphasen zu überwinden. Heute nimmt die Geschwindigkeit der Entwicklung rasant zu. Damit der Mensch mithält, sind geeignete Methoden gefragt, welche die Zeitspanne verkürzen und die Anpassung an die neuen Bedingungen erleichtern. Solche Methoden sind interdisziplinär und setzen auf die Potentiale der Netzwerkorganisation.

5. Schöpfen Sie aus der Neuropsychiatrie und bauen Sie deren Grundsätze und Methoden gezielt ein.


In Literatur und Management-Praxis herrscht die Meinung, dass Gedanken Verhalten bestimmen. Dieser Ansatz fördert Methoden, welche sehr sachlich und verstandesorientiert sind. Dank der Neuropsychiatrie und dank der Affektlogik von Luc Ciompi¹ – eine innovative Theorie, welche erstmals 1982 vorgestellt worden ist und die Grundlage für neuen Methoden zur Behandlung der Schizophrenie lieferte - wissen wir jedoch, dass Gefühle die Gedanken bestimmen, welche ihrerseits zu Handlung und Verhalten führen. Sogar ein sogenannter «Zahlenmensch» ist ein Gefühlsmensch: Erst wenn die Kennzahlen und ihre Entwicklung Gefühle auslösen, wird ein Controller oder ein CFO ein bestimmtes Verhalten zeigen und Massnahmen ergreifen oder Entscheidungen treffen. Daher ist es wichtig, die Kennzahlen nicht nur mit Sinn, sondern auch mit Gefühlen wie etwa Stolz und Anerkennung zu koppeln und dabei die Lernprozesse des Gehirns zu berücksichtigen. Erst dann werden Mitarbeitenden tatsächlich die richtige Leistung erbringen.

6. Folgen Sie Einsteins Prinzip.

Machen Sie die Dinge so einfach wie möglich – aber nicht einfacher.

Quelle:

  • ¹ Luc Ciompi: Affektlogik. Über die Struktur der Psyche und ihre Entwicklung. Ein Beitrag zur Schizophrenieforschung. Klett-Cotta, Stuttgart, 5. Auflage 1998. ISBN-10: 3-608-95037-0, ISBN-13: 9783608950373
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Kristina Casali, lic. oec. HSG, ist zertifizierte Einzel- und Team-Coach, HR-Expertin, Erwachsenenbildnerin und Gründerin des Start-up Lydiant.

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