HR Today Nr. 9/2017: Debatte

Vernetzt mit dem Chef?

Wenn der Chef mit seinen Mitarbeitenden über die Sozialen Medien kommuniziert, könne dies bei Kündigungen oder Restrukturierungen zu Missverständnissen führen, findet HR-Fachexperte Georg Lange und plädiert für die Einhaltung der internen Kommunikationswege. Für Start-up-Beraterin Eveline Lonoce schafft die Vernetzung mit dem Chef hingegen Klarheit im Arbeitsverhältnis und dient dem Unternehmens- sowie dem Selbstmarketing.

Eveline Lonoce

In der Geschäftswelt hat sich vieles verändert. Unser Zeitalter ist digital geworden, Arbeitsplätze werden zu «Coworking Spaces», die Höflichkeitsform im Geschäftsbereich zu einem kollegialen Du, der CEO zum «Leader» und die Chefin zum «Coach». Dieser Wandel ist sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Online-Welt wahrnehmbar.

Trotz aller Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen der verschiedenen Sozialen Medien wird es nicht immer möglich sein, vollständig zu kontrollieren, wer was sieht. Meist ist man auf verschiedenen Plattformen vertreten, die Updates machen und ihre Policen ändern, wobei diese Inhalte nun mal den Anbietern gehören und nicht etwa den Nutzern. Das Wichtigste in der Welt der Sozialen Medien sind jedoch Transparenz und Klarheit. Eine Vernetzung mit dem Chef oder der Chefin hat viele Vorteile und zeigt Professionalität auf höchster Stufe. Man geht gegenseitig eine Verbindung ein, öffnet sein Netzwerk, teilt seine Aktivitäten – alles für die andere Seite einsehbar. Damit können für beide Seiten berufliche Chancen entstehen, Projekte und Möglichkeiten gefunden und Wert hinzugefügt werden.

Wenn Mitarbeitende ihren Vorgesetzten aufgrund eines gemeinsam sichtbaren Beitrags eine gewinnbringende Empfehlung machen können, wird Mehrwert generiert. Dies stärkt die Zusammenarbeit. Sogar nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann die bestehende Verbindung noch Vorteile bringen. Man begegnet sich bekanntlich mehrmals im Leben. Ein transparentes digitales Profil fördert die Klarheit im Arbeitsverhältnis und am Arbeitsplatz. Es sollte jedoch offen über die Nutzung der Sozialen Medien gesprochen werden.

Idealerweise hat das Unternehmen eine Richtlinie, damit keine Missverständnisse entstehen. Wer sich mit Team-Mitgliedern vernetzt, ist von geschäftlichen Kontakten umgeben und kann Unternehmensinformationen verbreiten. Am besten ist, wenn alle Beteiligten wissen, wie sie mit dieser Vernetzung umgehen sollen und die sich daraus ergebenden Chancen für das Unternehmens- sowie das Selbstmarketing nutzen können. Daraus  entstehen unzählige Win-win-Situationen. Mitarbeitende, die Produkte und das Unternehmen mit offiziellen Informationen im Netz weiterempfehlen, signalisieren ihre Arbeitsplatzzufriedenheit und Loyalität. Das ist heutzutage ein grosses Plus für Unternehmen, die attraktiv für neue Talente sein wollen. Gleichzeitig können Mitarbeitende sich selbst positionieren und nach aussen sichtbar machen. Jedem ist bewusst, dass berufliche Karriere nur mit einem persönlichen Wandel möglich ist. Auch wenn dies bedeutet, dass Mitarbeitende das Unternehmen irgendwann wechseln. Die Freundschaftsanfrage des Chefs oder der Chefin zeigt deshalb auch Offenheit, weil die Mitarbeitenden für ihre Kontakte sichtbar werden und von anderen Unternehmen abgeworben werden könnten.

 

Georg Lange

Aus Sicht des Vorgesetzten birgt eine Vernetzung mit Mitarbeitenden auf den Sozialen Medien potenzielle Schwierigkeiten. Es gibt zwar Vorgesetzte, die ein Team führen und über Hierarchien hinweg kommunizieren, doch wenn es letztendlich um Performanceangelegenheiten, Restrukturierungen oder gar Kündigungen geht, sind Führungskräfte alleine in der Pflicht. Eine Freundschaft zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden auf den Sozialen Medien ist aus meiner Sicht deswegen eher hinderlich.

In guten Zeiten mag eine solche Beziehung attraktiv sein, doch wenn sich die Umstände ändern, sind orientierungsbietende Grenzen bereits überschritten oder verwässert.

Zusätzlich ist zu bedenken, dass Arbeitnehmende eine Vernetzungsanfrage ihres Vorgesetzten als verpflichtend verstehen könnten und sich nicht trauen, diese abzulehnen. So werden Grenzen potenziell überschritten.

Im schlimmsten Fall könnte eine Vernetzungsanfrage des Chefs als sexuelle Belästigung interpretiert werden. Auf stärker regulierten Arbeitsmärkten wie in Deutschland könnte eine Vernetzungsanfrage eines Vorgesetzen und die daraus resultierende Verbindung sogar als unerlaubte Kontrolle über die Aktivitäten eines Arbeitnehmenden wahrgenommen werden.

Wenn umgekehrt Arbeitnehmende ihren Vorgesetzten eine Vernetzungsanfrage schicken, können ähnliche Irritationen entstehen. Dass es innerhalb der Linie Kommunikationswege gibt, hat gute Gründe. Diese über die Sozialen Medien zu verlassen, kann deshalb nur zu Konfusion und zu Missverständnissen führen, denn es werden Grenzen verletzt, wenn Vorgesetzte Weisungen oder Massnahmen innerhalb bestimmter Gruppen kommunizieren oder durchsetzen müssen.

Es besteht zudem die Gefahr, dass Betriebsinterna über die Sozialen Medien die vorgesehenen Wege verlassen oder zumindest zum falschen Zeitpunkt kommuniziert werden.

Last but not least: Ich persönlich nutze Soziale Medien sehr intensiv mit Tausenden von Kontakten und schätze den Austausch mit Mitgliedern meines weltweiten Netzwerks sowie die Inspiration, die ich daraus ziehe. Meinen Chef sehe ich jedoch fast jeden Tag. Wir diskutieren immer wieder über Inputs aus unseren sozialen Netzwerken. Da wir diesen persönlichen Austausch pflegen, müssen wir nicht auch innerhalb unserer sozialen Netzwerke vernetzt sein.

Abschliessend möchte ich empfehlen, dass Unternehmen gut beraten sind, klare Anweisungen für die Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten vorzugeben. Diese beinhalten auch, wie Soziale Medien über alle Hierarchiestufen verwendet werden sollen. Dafür müssen die Unternehmen jedoch erst einen Umgang damit entwickeln, denn die Digitalisierung schreitet derart schnell voran, dass dieser oft noch fehlt.

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Eveline Lonoce berät Start-ups und Jungunternehmen beim Aufbau starker Unternehmensstrukturen und Teams.

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Georg Lange ist seit fast 20 Jahren in verschiedenen HR-Rollen tätig und verfügt über breite internationale Berufserfahrung.

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