Ramon Bodenmiller
Bewerbungsschreiben sind kein Auslaufmodell. Im Gegenteil, meine Erfahrungen bestätigen mir, dass Bewerbungsschreiben bis heute zu jeder seriösen Bewerbung eines Jobsuchenden gehören. Ergänzend gilt es diese jedoch im Gesamtkontext der Bewerbungsteile zusammen mit dem Lebenslauf und den Zeugnissen zu gewichten.
Jeder HRler richtet seinen Fokus zuerst auf den Lebenslauf. Bewerber haben im Durchschnitt sechs bis zwölf Sekunden Zeit, um von sich zu überzeugen. Wenige Sekunden entscheiden, ob eine Bewerbung auf dem Absagehaufen landet oder unsere Aufmerksamkeit gewinnt – bei Letzterem geht er meist zum Bewerbungsschreiben über. Dieses erfüllt den Zweck, einen ersten Eindruck bei einer Firma zu hinterlassen, wobei jeder von uns diese Bewerbungsanschreiben anders gewichtet. Einige messen ihnen eine grosse Bedeutung bei, andere überfliegen diese oder lesen nicht mal zu Ende.
Fakt ist, dass ein Jobsuchender nur einer von vielen ist. Je nach Wirtschaftslage, Branche und Tätigkeit suchen zwischen 50 und 80 Prozent der Arbeitnehmenden aktiv nach einer neuen Herausforderung. Aus Kosten-, Zeit- und Effizienzgründen messen viele Personaler deren Anschreiben und Zeugnissen jedoch nur wenig Bedeutung bei. Wann passiert so etwas? Meist dann, wenn wir eine Vielzahl an Bewerbungen erhalten, die mehr oder weniger aus austauschbaren Bewerbungsschreiben sowie identischen, unqualifizierten und standardisiert formatierten Lebensläufen mit hippen künstlerischen Designs bestehen.
Hier möchte ich innehalten und die Wichtigkeit des Bewerbungsschreibens hervorheben: Dieses vermittelt neben der Individualität auch Authentizität, denn Zeugnisse sind vorgegeben und Lebensläufe ähneln sich mehr denn je! Es muss Bewerbern ein Anliegen sein, ihre Persönlichkeit sowie den Cultural fit auf Papier vermitteln zu können – was aber nicht ganz einfach ist.
Man mag HR-lern beziehungsweise Personalberatern vorwerfen, dass diese oft nicht wissen, worin die Stellenanforderungen bestehen und was die Wünsche der Linie sind. Ich nehme jedoch bei allen Parteien eine Wandlung wahr: Wir beginnen immer mehr, gemeinsam mit der Linie die Stellenanforderungen und das Personenprofil zu bearbeiten, zu durchforschen und zu finalisieren. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit gibt es aber bestimmt noch Verbesserungsbedarf. Letzten Endes obliegt es unserer Verantwortung, sich dieser Herausforderungen zu stellen und dem Bewerbungsschreiben den Wert beizumessen, den es verdient, denn fachliche Kenntnisse sind eher vermittelbar als menschliche Kompetenzen. Das müssen wir uns eingestehen und sind es den Kandidaten auch schuldig. Unsere Belohnung fällt dabei nicht nur monetär aus, sondern wird auch mit Vertrauen, Anerkennung und Wertschätzung seitens der Kandidaten bezahlt.