Wie die Digitalisierung neue HR-Profile schafft
Dass der technische Fortschritt bei vielen HR-Fachleuten Unbehagen auslöst, ist nicht wegzudiskutieren. Doch sind die Ängste vor der Auflösung einer ganzen Berufsgattung gerechtfertigt? Bei Sulzer hat man mit der Funktion des «eHR-Spezialisten» im Gegenteil eine neue HR-Rolle geschaffen. Roman Rusterholz heisst der Mann.
Roman Rusterholz, eHR-Spezialist. (Foto: zVg)
Bei Sulzer hat man die Zeichen der Zeit erkannt: Im Rahmen eines Pilotprojekts hatte das Unternehmen 2009 damit begonnen, erste HR-Prozesse zu digitalisieren. Zwei Jahre später wurde das Projekt auf die Konzernebene ausgeweitet und 2012 hat Sulzer sogar die Stelle eines «eHR-Spezialisten» geschaffen. Dabei wurden bei Sulzer die unterschiedlichsten lokal installierten HR-Programme durch eine einzige webbasierte Applikation abgelöst und verschiedene HR-Prozesse vereinheitlicht. «SuccessFactors» ist eine Cloud-Lösung, die auf einer SAP-Serverfarm in Deutschland läuft. Mit der «gemieteten Software» ist keine weitere Installation vor Ort erforderlich. Um den laufenden Betrieb, die Sicherheit sowie die Software-Updates kümmert sich der Vertragspartner in Deutschland. Die HR-Mitarbeitenden bei Sulzer loggen sich jeweils an ihrem Standort über einen Internetbrowser ein und erhalten dadurch Zugang zu den vereinheitlichten HR-Prozessen.
Roman Rusterholz heisst der Mann mit dem neuen HR-Rollenprofil «eHR-Spezialist». Als Applikationsverantwortlicher überführt er die HR-Prozesse in die neue IT-Plattform und vermittelt dabei zwischen den IT-Fachkräften und den lokalen HR-Verantwortlichen.
Herr Rusterholz, 2009 startete Sulzer mit dem Digitalisierungsprojekt. Was war der Anstoss dazu?
Roman Rusterholz: Im Unternehmen existierten weltweit unterschiedlichste lokale HR-Lösungen und Auffassungen zur Datenqualität. Das verunmöglichte oder erschwerte die Auswertung der Daten. Daher war das Verständnis für die Problematik bereits vorhanden, die Verantwortung für die HR-Prozesse zu zentralisieren, diese global zu vereinheitlichen und dafür eine IT-Plattform zur Verfügung zu stellen, die möglichst alle Prozesse abbildet, weltweit genutzt und rasch implementiert werden kann.
Wie weit ist das Projekt heute vorangeschritten?
Das Pilotprojekt startete 2009 – zunächst nur in einer Division von Sulzer – mit der Digitalisierung des Performance-Prozesses. 2011 wurde dieser dann global implementiert. Derzeit sind wir dabei, den «Learningprozess» zu implementieren. Dabei handelt es sich um eine Schulungsplattform, wo für alle Mitarbeitenden konzernweit alle angebotenen Trainings zu finden sein werden. Das reicht vom frei zugänglichen Kurs wie dem globalen Compliance-Training bis hin zur regionalen Schulung im «Pumpenzusammenbau». Die Übertragung weiterer HR-Prozesse wie «Competency», «Succession» oder «Analytics» erfolgt nun schrittweise. Dafür haben wir keine spezifische Deadline definiert.
Wie sind Sie bei der Digitalisierung der HR-Prozesse vorgegangen?
Wir haben alle HR-Prozesse zuerst auf dem Papier definiert und bestimmt, wie diese künftig ablaufen sollen. Welche Anforderungen die HR-Prozesse erfüllen müssen, haben wir zusammen mit den wichtigsten Stakeholdern in Workshops erarbeitet und mit Befragungen ermittelt. In einem weiteren Schritt wurden die Projektteams zusammengestellt und die ersten HR-Prozesse auf die IT-Plattform «SuccessFactors» übertragen. Eine Testgruppe hat diese dann auf Herz und Nieren geprüft, bevor die HR-Prozesse auf der Plattform live geschaltet wurden. Von der Prozessdefinition bis zur Implementierung dauerte es insgesamt sechs Monate. Wie bei allen IT-Projekten gelingt beim ersten Wurf jedoch nicht alles sofort. Daher empfiehlt es sich, zusätzliche Kapazitäten einzuplanen, um die digitalisierten HR-Prozesse aufgrund von Benutzermeldungen kontinuierlich anzupassen und zu verbessern. Dabei ist abzuwägen, was wünschbar und was tatsächlich machbar ist.
Viele HR-Manager empfinden die Digitalisierung als Schreckgespenst. Wie war Ihre Erfahrung bei Sulzer?
An den Standorten waren oftmals veraltete und kompliziert zu bedienende Tools installiert, für deren Wartung auch noch das HR vor Ort verantwortlich war. Mit der Einführung von «SuccessFactors» entfielen diese Wartungsaufgaben. Zudem wurden viele administrative Prozesse im Zuge der Einführung deutlich vereinfacht. Die HR-Manager nahmen daher das neue Tool als deutliche Arbeitserleichterung wahr und begrüssten die Ablösung der alten Software. An der Organisation des HR wird sich gruppenweit wenig ändern. Als eHR-Verantwortlicher koordiniere ich lediglich die globalen Prozesse mit dem lokalen HR, wobei das lokale HR in der Verantwortung bleibt. Während sich am Aufgabeninhalt der HR-Manager nichts Wesentliches ändert, wird jedoch die Qualität der erfassten Daten immer wichtiger. Damit diese global auswertbar sind, müssen Qualitätsstandards eingehalten werden. Aus meiner Sicht ist dies jedoch weniger eine Frage der Qualifikation als des Verständnisses für globale Prozesse und Daten.
Wo liegen für Sie die Grenzen der Digitalisierung?
Wo Daten auf Plausibilität zu prüfen sind, ist das menschliche Denkvermögen der Maschine weitaus überlegen. Auch bei kritischen Prozessen wie der Rekrutierung wird der Mensch weiterhin am Steuer bleiben, denn Algorithmen wirken nur unterstützend, um bessere Entscheidungen zu treffen, ersetzen den Menschen aber nicht. Bei der Umsetzung des Projekts erwiesen sich vor allem die verschiedenen Rechtssysteme als Herausforderung, mit denen sich Sulzer als global agierendes Unternehmen auseinandersetzen muss. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Gesetzesvorgaben ist sehr aufwendig. In den USA müssen beispielsweise die Bewerberdaten während mehrerer Jahre aufbewahrt werden, während diese in anderen Ländern gleich nach der Bewerbung zu löschen sind. Um die Systeme gesetzeskonform zu gestalten, haben wir deshalb in jedem Land den Datenschutzbeauftragten beigezogen. Bei der Digitalisierung der HR-Prozesse gilt es deshalb, global den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Mit der Digitalisierung entstehen aber auch strukturelle Abhängigkeiten.
Nämlich?
In vielen asiatischen Ländern beispielsweise ist Breitband-Internet nicht verfügbar, was den Einsatz neuer Technologien erschwert, die oft hohe Datenübertragungsraten erfordern. Auch Stromausfälle oder andere Unterbrüche können die Funktionsfähigkeit der IT beeinträchtigen und von den Folgen eines Finanzcrashes wären natürlich auch wir nicht gefeit.