Arbeitsrecht

Müffeln verboten?

Der Kollege riecht schon morgens ungewaschen? Die Mitarbeiterin mag man nicht mit zum Kunden nehmen, weil sie so ungepflegt wirkt? Wie wirkt sich mangelnde Körperhygiene am Arbeitsplatz aus und welche rechtlichen Möglichkeiten haben Arbeitgeber, die sich mit ungepflegten A­rbeitnehmern konfrontiert sehen?

Wenn von der Einhaltung von Hygienevorschriften am Arbeitsplatz die Rede ist, wird damit in der Regel der Arbeitgeber ins Auge gefasst. Die Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz, die den Bereich der Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz regelt, nimmt etwa den Arbeitgeber in die Pflicht, wenn dort vorgesehen wird, dass im Betrieb ergonomisch und hygienisch gute Arbeitsbedingungen zu herrschen hätten. Der umgekehrte Fall – der Fall eines unhygienischen Arbeitnehmers – wird in der rechtlichen Literatur viel seltener behandelt. Auch die diesbezügliche Rechtsprechung in der Schweiz ist spärlich. Trotzdem gibt das Gesetz dem Arbeitgeber einige Mittel in die Hand, um in einem solchen Fall gegen den Arbeitnehmer vorzugehen.

Nichtbeachtung Arbeitsvertrag

In einem ersten Schritt kann man sich fragen, ob das Nichteinhalten von Hygienestandards einen Verstoss gegen den Arbeitsvertrag darstellt. Der Arbeitnehmer schuldet seinem Arbeitgeber eine Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte (Art. 321 OR). Erscheint ein Arbeitnehmer regelmässig sehr ungepflegt zum Dienst, so unterschreitet er damit die gesellschaftlichen Hygienestandards, was einen Fall von Schlechtleistung darstellen dürfte.

Es kann allerdings auch sein, dass der Arbeitsvertrag selbst konkrete Leistungsvorgaben zum äusseren Erscheinungsbild des Arbeitnehmers enthält. In Branchen, in denen der Arbeitnehmer regelmässigen Kundenkontakt hat (etwa im Bankbereich), wird dies regelmäs­sig der Fall sein. Auch im Gesundheitsbereich werden oftmals schon im Arbeits­vertrag Anforderungen zum äusseren Er­scheinungsbild des Arbeitnehmers vereinbart (etwa bei der Anstellung einer Pflegefachfrau im Spital). Typischerweise verweisen solche Arbeitsverträge auf eine Betriebs- oder Kleiderordnung, die einen integralen Bestandteil des Arbeitsvertrags bildet. Hält sich der Arbeitnehmer nicht an vertragliche Vorschriften zu seinem äusseren Erscheinungsbild, so stellt auch dies einen Fall von Schlechtleistung dar.

In solchen Fällen der Schlechtleistung hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuerst abzumahnen, um ihm die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten zu ändern. Erscheint der Arbeitnehmer trotz Abmahnung weiterhin ungepflegt zum Dienst, so sollte ihm der Arbeitgeber ordentlich kündigen können.

Weisungsrecht des Arbeitgebers

Gemäss Art. 321d Abs. 1 OR kann der Arbeitgeber über die Ausführung der Arbeit und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb allgemeine Anordnungen erlassen und ihnen besondere Weisungen erteilen. Mit diesem Weisungsrecht kann der Arbeitgeber den Inhalt des Arbeitsvertrags einseitig konkretisieren, sofern nicht der Vertrag selbst schon konkrete Vorgaben enthält.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist funktional beschränkt: Es steht dem Arbeitgeber nur im Rahmen der betrieblichen Bedürfnisse zur Verfügung. Eine weitere Schranke des Weisungsrechts findet sich im Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Denn erlässt der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Weisung zu seinem äusseren Erscheinungsbild, so stellt dies in der Regel einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers dar. Ein Piercing-Verbot des Arbeitgebers schränkt etwa den Arbeitnehmer in der Entfaltung seiner Persönlichkeit ein und ist dementsprechend rechtfertigungsbedürftig.

Nimmt ein Arbeitgeber einen unhygienischen Arbeitnehmer in die Pflicht, so stellt auch dies einen Eingriff in dessen Persönlichkeitsrechte dar. Auch hier hat deshalb eine Abwägung zwischen den betrieblichen Interessen auf der einen und den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers auf der anderen Seite stattzufinden. Je grösser und gewichtiger das betriebliche Interesse ist, desto stärker darf in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers eingegriffen werden. Das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers, gegenüber seinen Kunden und generell gegen aussen einen guten und seriösen Eindruck zu hinterlassen, rechtfertigt es beispielsweise, gegenüber Arbeitnehmern mit Kundenkontakt Weisungen punkto Körperpflege zu erteilen.

Interessenabwägung

Verschiedene Punkte sind bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen: Erstens ist es so, dass jedes Arbeitsverhältnis eine gewisse Einschränkung der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers bedingt, denn immerhin hat sich dieser dem Arbeitgeber unterzuordnen und in die Betriebsorganisation einzufügen. Zweitens muss man sich hier vergegenwärtigen, dass dem Arbeitgeber gegenüber seiner gesamten Belegschaft eine Fürsorgepflicht zukommt (Art. 328 Abs. 1 OR). Aus Rücksicht auf Mitarbeiter, die sich durch einen unhygienischen Arbeitnehmer gestört fühlen mögen, hat der Arbeitgeber diesen unter Umständen zurechtzuweisen. Drittens besitzt der Arbeitgeber, wie eingangs erwähnt, eine gesetzliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit seiner Arbeitnehmer. Gemäss Arbeitsgesetz und den entsprechenden Verordnungen ist der Arbeitgeber der physischen und psychischen Gesundheit seiner Arbeitnehmer verpflichtet und hat insbesondere für hygienisch einwandfreie Arbeitsbedingungen zu sorgen. Art. 29 ff. ArGV 3 spezifizieren sodann die hygienischen Anforderungen an Garderoben, Waschanlagen, Toiletten, Ess- und Aufenthaltsräume. Ein ungepflegter Arbeitnehmer kann unter Umständen die Gesundheit der gesamten Belegschaft gefährden – etwa wenn er während der Grippezeit seine Hände nicht regelmässig wäscht. Der Arbeitgeber darf beziehungsweise muss in solchen Fällen entsprechende Weisungen erteilen.

Befolgt der Arbeitnehmer berechtigte Weisungen des Arbeitgebers nicht, kann ihm der Arbeitgeber zunächst einen Verweis oder eine Verwarnung erteilen. Ausserdem wird der Arbeitnehmer schadenersatzpflichtig, wenn dem Arbeitgeber wegen der Pflichtverletzung ein Schaden entsteht. Weigert sich der Arbeitnehmer, die berechtigten Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen, so dürfte die daraufhin ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht missbräuchlich sein.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei Miss Moneypenny.

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Nicolas Facincani, lic. iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist als Rechtsanwalt tätig und berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Belangen. Er doziert zudem regelmässig zum Arbeitsrecht. www.vfs-partner.ch

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Juliane Jendis, B.A., BLaw, ist juristische Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei Voillat ­Facincani Sutter + Partner.

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