Vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt
Der Arbeitsmarkt in der Schweiz ist stark im Wandel. Die Ergebnisse des Schweizer HR-Barometers 2022 lassen darauf schliessen, dass Beschäftigte in der Schweiz ihre Arbeitseinstellung und ihr Arbeitsverhalten überdenken sowie ihre Erwartungen an Arbeitgebende erhöhen.
Gemäss HR Barometer sind 2022 die Erwartungen an Arbeitgeber gestiegen. (Bild: iStock)
Gestiegene Erwartungen an Arbeitgebende
Im Zentrum des Schweizer HR-Barometers steht der psychologische Vertrag, der die wechselseitigen, meist impliziten gegenseitigen Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden erfasst. Die Auswertungen zeigen, dass die Beschäftigten 2022 ihre Erwartungen an die Arbeitgebenden in vielen Bereichen erhöhten. Vor allem bezüglich angemessener Entlohnung, Entwicklungsmöglichkeiten, mehr Eigenverantwortung, des Einsetzens eigener Fähigkeiten, interessanter Arbeitsinhalte und arbeitgeberseitiger Loyalität zeigt sich im Vergleich zu den Vorjahren ein klarer Anstieg. Dieser Trend weist darauf hin, dass sich der Arbeitgeber- zunehmend zum Arbeitnehmermarkt entwickelt. So können Beschäftigte aufgrund des demografischen Wandels und des sich zuspitzenden Fachkräftemangels häufiger zwischen verschiedenen Stellenangeboten wählen und haben deswegen höhere Erwartungen an Arbeitgebende. Letztere richten aufgrund der veränderten Arbeitsmarktsituation ihre Beschäftigungsangebote vermehrt nach arbeitnehmerseitigen Erwartungen aus.
Investition in Arbeitsmarktfähigkeit
Die veränderte Arbeitsmarktsituation beeinflusst auch die wahrgenommene Arbeitsplatzunsicherheit der Beschäftigten. Diese hat in nahezu allen Branchen abgenommen. 66 Prozent sehen aktuell keinen Anlass zur Sorge, in naher Zukunft ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Auch ihre Arbeitsmarktfähigkeit schätzen sie erstmals seit 2010 wieder höher ein. Dieser Trend ist erfreulich und kann ein Hinweis dafür sein, dass Arbeitnehmende und Arbeitgebende den enormen Stellenwert der Arbeitsmarktfähigkeit vermehrt erkennen und darin investieren. Von der Investition in Weiterbildungen profitieren Beschäftigte wie auch Unternehmen gleichermassen. Während Angestellte so ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, wirken Firmen Personalengpässen durch gezielte Weiterbildungen entgegen.
Weniger Resignierte
Die Arbeitszufriedenheit in der Schweiz ist nach wie vor relativ hoch. Die feinere Aufteilung in verschiedene Zufriedenheitstypen lässt jedoch einen Rückgang bei der stabilisierten Zufriedenheit erkennen. Trotz dieses Rückgangs stellen die stabilisiert zufriedenen Arbeitnehmenden in der Schweiz nach wie vor den grössten Anteil aller Beschäftigten. Im Vergleich zum Jahr 2020 ist jedoch auch ein Rückgang des resignativen Zufriedenheitstyps zu beobachten. Entsprechend gibt es weniger Beschäftigte, die sich mit einer eher unbefriedigenden Arbeitssituation arrangieren. Jene, die sich für eine positive Veränderung im Unternehmen einsetzen, nehmen seit 2020 hingegen wieder einen grösseren Anteil ein.
Treue Beschäftigte
Die Verbundenheit der Beschäftigten mit den Arbeitgebenden befindet sich nach wie vor auf hohem Niveau. Die Kündigungsabsichten sind 2022 sogar etwas gesunken. In der aktuellen Arbeitsmarktlage, in der Beschäftigte aufgrund des Fachkräftemangels einfacher eine neue Stelle finden, stellt das ein gutes Zeugnis für die Arbeitgebenden dar. Dennoch ist ein gutes HR-Management, das in die Arbeitsmarktfähigkeit der Beschäftigten investiert und neu erworbenes Wissen gewinnbringend für das Unternehmen einsetzt, so wichtig wie noch nie, um auf die Veränderungen im Arbeitsmarkt zu reagieren.
Schweizer HR-Barometer
Seit 2006 misst der Schweizer HR-Barometer regelmässig, wie Beschäftigte in der Schweiz ihre Arbeitssituation erleben. Die vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierte Befragung basiert auf einer repräsentativen Stichprobe von 2088 Beschäftigten aus der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz. hrbarometer.ch