HR Today Nr. 7&8/2018: Teambuilding

Team-Events sind nichts ohne die richtige Kultur

Team-Events sind das Sahnehäubchen auf der Torte – aber nur geniessbar, wenn auch der Rest der Torte schmeckt. Es ist die Kultur, die den Umgang im Team massgeblich prägt. Wie viel können Team-Events also bewirken?

Wer nach dem Begriff «Teambuilding» recherchiert, stösst ziemlich schnell auf den Beitrag «Ich geb’ dir die Kugel», der im Februar bei «Karriere Spiegel» erschienen ist. Das spannendste am Artikel sind die Kommentare. Da wird deutlich, wie viele Menschen frustriert sind von bisher erlebten Teambuilding-Events. Sie sprechen von «dummen Kinderspielen» oder von einem gezwungenen «Wir-lernen-Team-zu-sein». Einige Kommentatorinnen nennen auch den Kern des Problems: Team-Events greifen völlig ins Leere oder verschlimmern das Ganze, wenn sie nicht auf den entsprechenden kulturellen Nährboden treffen.

Man kann Team-Events als ein Sahnehäubchen bezeichnen, das auf der Torte richtig Spass macht – aber nur, wenn auch der Rest der Torte schmeckt. Dabei gibt es drei Ebenen zu betrachten:

  1. Grundannahmen, Einstellung und Bewusstsein
  2. Werte, Know-how und Methode
  3. Artefakte, Werkzeuge und Technik

Diese Unterscheidung ist auch im Kulturebenenmodell von Schein zu finden, das die Kultur im Unternehmen auf drei verschiedenen Ebenen unterscheidet. Es versteht die Unternehmenskultur auf der untersten Ebene als ein Muster grundlegender Annahmen, die als gültig wahrgenommen werden. Sie werden nicht hinterfragt, sind tief verwurzelt und kaum bewusst.

Auf der mittleren Ebene zeigt sich die Kultur in gemeinsamen Werten und dem Gefühl für «das Richtige». Sichtbar werden kulturelle Aspekte aber nur auf der obersten Ebene: dem beobachtbaren Verhalten und den sogenannten Artefakten.

Dieses Modell lässt sich auch auf die Teamkultur in Unternehmen übertragen. Auf den verschiedenen Ebenen sind folgende Dinge zu berücksichtigen.

Grundannahmen, Einstellung und Bewusstsein

Was unbewusst ist, lässt sich nur schwer ansprechen. Wenn man darüber spricht, wird es ja bewusst und ist damit bereits Teil der nächsten Ebene. Dennoch ist es elementar für die Entwicklung einer Teamkultur, das Unbewusste zu thematisieren.

Zuerst sind gemeinsame Basisannahmen zu hinterfragen. Denn für die Entwicklung einer Teamkultur ist der Grad des Vertrauens grundlegend, also die Frage, ob man der Theorie X («Menschen sind unwillig») oder der Theorie Y («Menschen sind engagiert») folgt. Daraus ergeben sich wesentliche Voraussetzungen bei der Gestaltung der Zusammenarbeit. Wer an die Theorie X glaubt, muss Menschen zur Arbeit zwingen, sie lenken und kontrollieren. Die Arbeit muss vorgegeben werden, Dienst nach Vorschrift ist das vorherrschende Arbeitsprinzip und Geld ein wesentlicher Gestaltungsfaktor. In der Theorie Y dagegen müssen die Rahmenbedingungen weit gesteckt werden, um die natürliche Leistungsbereitschaft entfalten zu lassen. Der wesentliche Antrieb kommt von innen, externe Kontrollen sind nicht notwendig.

Somit wird klar, dass diese Annahmen über die Menschen die Teamkultur bestimmen. Auch die Fehlerkultur beeinflusst diese entscheidend. So haben Forschungen von Amy Edmondson, der Novartis Professorin in Leadership und Management an der Harvard Business School gezeigt, dass eine wahrgenommene Gefahrlosigkeit für Mitarbeitende («Psychological Safety») eine wichtige Grundvoraussetzung ist, damit Mitarbeiter sich auf eine offene und eine auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit einlassen.

Eine weitere Erkenntnis mag zuerst erstaunlich klingen, ist aber wichtig: Erfolgreiche Teams machen nicht weniger, sondern mehr Fehler – sie gehen nur völlig anders damit um. Fehler werden als Lernchance verstanden, wenn im Team offen darüber gesprochen wird.

Werte, Know-how und Methode

Diese Grundannahmen sollten konsistent in den geäusserten Werten und den verwendeten Methoden sichtbar werden. Oft findet man in Werte-Workshops durch elitäre Zirkel schön formuliert klingende Sätze, die von den Mitarbeitenden im günstigsten Fall ignoriert oder – noch schlimmer   – sogar zynisch kommentiert werden, weil sie an deren Realität vorbeizielen. Was nicht gelebt wird, ist unglaubwürdig und führt häufig zum sogenannten Double-Bind, nämlich zu einer Inkonsistenz zwischen geäusserter Erwartung und gelebter Praxis. Das führt am Ende zu Zerrissenheit und völliger Unklarheit. Die (Werte-)Erwartungen für die Teamarbeit müssen zu den Grundannahmen passen. Wer beispielsweise Diversität als wichtigen Wert formuliert, muss diesen auch in der Teamrekrutierung leben.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Teambildung ist die Besetzung von Teams. Es ist keine Neuhei, dass erfolgreiche Teams sich durch die Breite unterschiedlicher sozialer Rollen, also der geeigneten Mischung verschiedener Verhaltenstypen, auszeichnen. Dies wird aber meist geflissentlich ignoriert und es wird ausschliesslich nach fachlichen Kriterien rekrutiert. Aber was nützt alles Fachwissen, wenn man aufgrund von ungeklärten Konflikten oder auch wegen zu grosser Ähnlichkeiten der Persönlichkeiten nichts auf die Reihe bringt? Hilfreich bei der Teamzusammenstellung können das Rollenmodell nach Belbin oder auch die Bestimmung individueller Verhaltenspräferenzen sein.

Artefakte, Werkzeuge und Technik

Auf der sichtbaren Ebene sind alle Werkzeuge und Tools zu nennen, die aber nur dann hilfreich und wirksam sind, wenn sie zu den darunterliegenden Ebenen passen. Im Kulturebenenmodell von Schein werden sie Artefakte genannt, womit sichtbare Handlungsmuster und Symbole gemeint sind. Und damit sind wir bei den Team-Events, die nur dann nützlich sind, wenn sie zu den Grundannahmen und den geäusserten Werten passen. Der Frust von Mitarbeitenden hat oft damit zu tun, dass bei Team-Events eine heile Welt vorgespielt wird, die mit dem Alltag nichts zu tun hat. Diese wirken dann kontraproduktiv und führen zu Demotivation und Enttäuschung.

Als hilfreich haben sich die Phasen der Teamarbeit nach Tuckman herausgestellt, um passende Team-Events zu organisieren. Nach dessen Modell verläuft die Teamarbeit in vier Phasen: Forming, Storming, Normig und Performing. In der Forming-Phase kommt das Team zusammen und lernt sich kennen. Unterschiedliche Annahmen und Konflikte werden in der Storming-Phase sichtbar. Die Norming-Phase ist geprägt durch die Klärung dieser Konflikte und die Festlegung gemeinsamer Normen für die Teamarbeit. Und erst in der Performing-Phase entwickelt das Team die maximale Leistungsfähigkeit.

Diese vier Phasen sollten in der täglichen 
Arbeit reflektiert und es sollten passende Kommunikationsinstrumente gewählt werden. So ist es etwa in der Forming-Phase sehr wichtig, ein echtes Kennenlernen des Teams zu ermöglichen, damit alle bei der Zusammenarbeit von den individuellen Talenten der Teammitglieder profitieren können. Und hier können Teambulding-Events dann doch einen wichtigen Beitrag 
leisten.

Checkliste

  • Machen Sie sich Ihr Menschenbild bewusst und versuchen Sie, einen vertrauensvollen Umgang zu kultivieren. Sprechen Sie offen über Fehler, vor allem über eigene!

  • Sorgen Sie zuerst für Rahmenbedingungen, welche die Teamarbeit fördern. Manchmal hilft es schon, Barrieren wie individuelle Ziele und Zielboni abzuschaffen.

  • Die Zusammenstellung von Teams sollte zwar auch nach fachlichen Gesichtspunkten erfolgen. Die persönliche und kulturelle Passung sind jedoch die eigentlichen Erfolgsfaktoren.

  • Teambuilding-Events können hilfreich sein, wenn die Voraussetzungen stimmen. Die Teilnahme sollte aber freiwillig sein, denn die Events müssen zum Team und zur Unternehmenskultur passen. Kindergartenspiele sind zu vermeiden.

 

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Prof. Frank Widmayer ist seit 2011 Consultant, Coach und Speaker für die Themen Personalmanagement und Führung. Zuvor war er Vorstand des CRM-Marktführers CAS Software AG.

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